Wärme

50 Jahre Heizungsbranche – ein Streifzug

Freitag, 02.09.2016

Was tun? Juristisch gesehen hatte der Werkstoff keine Chance, die Schuld am Sauerstoff im Heizungswasser auf Leckagen im Netz zu schieben. Man wusste zwar, dass eine geschlossene Heizungsanlage in der Praxis nicht hundertprozentig geschlossen ist, weil über undichte Ventile und bei Unterdruck das Einschnüffeln von Luft nicht ausgeschlossen ist, nur: Im Gegensatz zu Verbindungen, die Luft ins System tragen können, lässt sich die Luftdiffusion bei Kunststoff auf keinen Fall vermeiden. „Damit spricht der Anschein des ersten Augenblicks klar gegen das Kunststoffrohr“, bremst Chemiker und Sachverständiger Dr. Carl-Ludwig Kruse vom Materialprüfungsamt NRW, Dortmund, die intensive Erörterung der Tischrunde belastbarer Unschuldsbeweise des ungesperrten Polyethylens an den Durchbrüchen in den Kesseln ein. Mit der Veröffentlichung der Diskussionsergebnisse halten ab 1980 Heizungsbauer den Schwarzen Peter in der Hand, die weiterhin Kunststoffrohre einbauen, ohne eine Sicherung vorzusehen, wie etwa Inhibitoren oder einen zwischengeschalteten Wärmeübetrager, um die gefährdeten Metalle im Kesselkreis vom Fußbodenkreis abzukoppeln. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Diskussion war der Fachwelt „amtlich“ bekannt, dass bei Einsatz von Kunststoffrohren (ungesperrt) Korrosionsschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Anlagenbauer, die das ignorierten, standen nach der damals gültigen Fassung der VOB/B 30 Jahre in der Haftung (heute 10 Jahre). Tatsächlich wurden im Jahr 2001 Handwerker noch zur Mängelbeseitigung verurteilt.

1981:

Ab 1981 präsentiert die gesamte Branche auf der ISH und anderen Messen ihr Leistungsangebot auf dem Wärmemarkt neben dem Neubau immer stärker auch unter dem Gesichtspunkt der Heizungsmodernisierung.

1981/82:

Diffusionsdichte Heizungsrohre aus Kunststoff kommen auf den Markt. Die Sauerstoffundurchlässigkeit erreicht man entweder durch eine Hülle aus Aluminium oder einer Sauerstoff sperrenden Kunststoffschicht (Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer EVOH).

Growian und Hydro-Pulse

1983:

Hydro Pulse. Die Firma Hydrotherm erhält die DIN/DVGW-Zulassung für ihren Gas-Brennwertkessel „Hydro Pulse“. Er wird bis 1994 gebaut und ist der einzige Kessel, der nach dem Prinzip der Pulsationsverbrennung arbeitet. Bei diesem Verfahren wird ein Gas/Luft-Gemisch an einer Zündkerze entzündet, die Gase expandieren und bewegen sich als Druckwelle zum Auslass hin. Das Vakuum auf ihrer Rückseite saugt ein neues Gemisch an – und das etwa 60 Mal pro Sekunde. Die ge¬ringe Verweildauer des einzelnen Pulsationsstroms im Kessel, verbunden mit einer teilweisen Rauchgasrückführung bei der Pulsation, soll zu NOX-Emissionen weit unterhalb jenen aus atmosphärischen Brennern führen.

Betriebsbeginn der Großwindanlage Growian. Damit fällt offiziell der Startschuss in den Probebetrieb einer dezentralen Energiewelt. Deutschland will sich von den Erdöl fördernden Ländern unabhängiger machen und heimische Ressourcen nutzen. Die vier großen Monopolisten befürchten allerdings, dass ihnen einige Felle wegschwimmen könnten. Nach der Devise „Wen man nicht erschlagen kann (den Dezentralisierungsgedanken), den küsse man zu Tode“ stellen sie wohlwollend dem Deutschen Bundestag in Marne, gegenüber Cuxhaven auf der anderen Seite der Elbe, die seinerzeit weltgrößte Windanlage hin. Die hatte mit ihren 3 MW schon vor mehr als 20 Jahren die Dimension der heutigen Offshore-Windmühlen. Da überhaupt keine Erfahrungen mit den Werkstoffen und den dynamischen Lasten vorlagen, musste das Projekt scheitern. Im Sommer 1988 kamen die Kräne und Bagger und rissen Growian ab. Die Monopolisten durften frohlocken. Vorerst gab der Bundestag Ruhe.

Das Legionellen-Risiko

1987:

Bundesgesundheitsamt warnt vor Legionellen. Im Bellevue-Stratford Hotel in Philadelphia/USA erkrankten zehn Jahre zuvor auf dem 58. Veteranenkongress der amerikanischen Legion 180 von 4.400 Delegierten an einem bis dato wenig bekannten Bakterium im Lungengewebe. 29 der Veteranen sterben. Es gelingt, das Bakterium zu isolieren. Die Mediziner benennen es nach dem Veteranenkongress: Legionella Pneumophila. Natürlich macht man sich in den Vereinigten Staaten Gedanken darüber, warum dieser natürliche Keim im Kaltwasser plötzlich so aggressiv reagiert. Man entdeckt seine hohe Vermehrungsfreudigkeit in Warmwasser. Damit ist aber immer noch nicht die Tragödie erklärt. Erst weitere Untersuchungen bringen zutage, dass in der Vergangenheit durch die Leitungen Heißwasser von mehr als 70° C die Regel waren und im Zuge von Baumaßnahmen neuerdings diese Temperaturen auf unter 60° C abgesenkt worden waren. Die ehedem 70 bis 80 Grad und mehr hatten die Erreger abgetötet. Darüber hinaus versammelt sich selten in einem Gebäude eine so große Schar von immungeschwächten Gästen, immunschwach aufgrund des Alters. Hinsichtlich der Warmwassertemperaturen befindet sich Deutschland 1987 in einer ähnlichen Situation. Die junge Heizungsanlagenverordnung fordert in § 8: „Die Warmwassertemperatur im Rohrnetz ist auf höchstens 60° C zu begrenzen.“ In diesem unteren Temperaturmilieu gedeihen die Erreger prächtig. Das Bundesgesundheitsamt und der DVGW ziehen entsprechende Konsequenzen. Sie forciert ihre Richtlinienarbeit, um mit vorbeugenden Maßnahmen dieser Trinkwasserverseuchung zu begegnen. Im Juli 1987 legt das BGA erstmals „Empfehlungen zur Verminderung eines Legionella-Infektionsrisikos“ vor. Die Legionellenverkeimung in Trinkwasserinstallationen wird zum Thema, das bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat.

Aktuelle Bewertung
Ihre Bewertung
Vielen Dank für Ihre Bewertung.

Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Möchten Sie die aktuellen Artikel per E-Mail erhalten?

Einloggen

Login / Benutzername ungültig oder nicht bestätigt

Passwort vergessen?

Registrieren

Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Jetzt registrieren

 

Expertenfragen

„Frag‘ doch einfach mal – einen Experten!": Nach diesem Motto können Sie als Nutzer der TGA contentbase hier ganz unkompliziert Fachleute aus der Gebäudetechnik-Branche sowie die Redaktion der Fachzeitschriften HeizungsJournal, SanitärJournal, KlimaJournal, Integrale Planung und @work zu Ihren Praxisproblemen befragen.

Sie wollen unseren Experten eine Frage stellen und sind schon Nutzer der TGA contentbase?
Dann loggen Sie sich hier einfach ein!

Einloggen
Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Registrieren