Wärme

50 Jahre Heizungsbranche – ein Streifzug

Freitag, 02.09.2016

„Die Grenzen des Wachstums“ erlangten weltweite Beachtung. Die Gesellschaft horchte auf. Die internationalen und nationalen Publikums- und Fachmedien kommentierten und diskutierten die Thesen in einer Zeit, als sich das Wirtschaftswunderland Deutschland gerade üppig entfaltete. Vielleicht beschlich aber gerade wegen dieses steilen Anstiegs der Wohlstandskurve einige führende Wirtschaftler und Wissenschaftler ein Unbehagen in Bezug auf die Perspektive: Die Blütezeit kann doch nicht ewig anhalten. Die Thesen des Club of Rome fielen auf fruchtbaren Boden. Nebenbei: Seit 2012 ist einer seiner Vorsitzenden Ernst Ulrich von Weizäcker, ehedem Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Direktor des UNO-Zentrums für Wissenschaft und Technologie in New York. Eine seiner bekannten Veröffentlichungen (erschienen 1997) „Faktor 4. Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“, zeichnet den Weg auf, der Komfortwünsche und Umweltpflichten in Einklang bringt.

Der Blick vom Mond

Die heutigen Umwelt-Schlagworte CO2-Emission und Klimawandel beunruhigten die Bevölkerung gegen Ende der 60er-Jahre aber noch nicht. Zwar lagen bereits wissenschaftliche Berichte vor, die von einem bereits vollzogenen, globalen Temperaturanstieg sprachen und daran dem erhöhten CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre mit Erfindung der Dampfmaschine um 1800 Schuld gaben, aber die Thesen, Hypothesen und Antithesen verblieben zunächst im akademischen Raum. Das änderte sich, als Neil Amstrong 1969 als erster Mensch den Mond betrat und er und die Wissenschaft die Erde als fragiles Ganzes von außen sahen. Beinahe schlagartig war der Globus nicht mehr stabiler Teil des Universums, sondern im Universum ein auserwählter Platz für die Menschheit, den sie sich wohnenswert zu erhalten hat. Die Physiker finden heraus, dass die Ozeane nicht mehr in der Lage sind, die wachsenden anthropogenen Kohlendioxidwolken abzuspeichern. Die Umweltbewegung gewinnt an Einfluss. Eine erste Besorgnis über vermehrte weltweite Umweltschäden macht sich breit. Die Heizungstechnik befindet sich systemtechnisch gerade in der Umstrukturierung von der Schwerkraft-Kohleheizung zur geschlossenen Pumpenwarmwasserheizung. Mit einem bis dato unbekanntem Membrandruck-Ausdehnungsgefäß und mit Heizöl als Brennstoff.

Eine Nachricht eines Hausbewohners an seine Mitbewohner, dass er 30 Zentner Briketts kostenlos abzugeben hat.
Quelle: Privat
"… lagern ca. 30 Zentner Briketts, die wir kostenlos abgeben." Auch die, die noch Kohlen im Keller hatten, wollten auf die automatische Ölfeuerung nicht verzichten. Ganz unten auf der Mitteilung hat ein Hausbewohner geschrieben: Habe genug Kohlen.

Der Wohnungsneubau beträgt an der Wende der 60er- zu den 70er-Jahren jährlich zwischen 500.000 und 600.000 Einheiten. Er erreicht 1973 die Höchstmarke mit 714.000 Wohnungen. Die umfangreiche Bautätigkeit resultiert aus der Kriegsfolgen bedingten extremen Wohnungsnot, dem Anstieg des Wohlstandsniveaus sowie den hohen staatlichen Subventionen für den Wohnungsneubau. Die Heizungstechnik hat mithin zu tun, den Bedarf zu decken. In den Entwicklungsabteilungen der Industrieunternehmen steht nicht die Effizienz an erster Stelle – weit vorne schon, aber nicht auf Platz eins –, der Markt fragt mehr nach preiswerten und kompakten Einheiten: Der Stahlkessel rüstet zum Wettbewerb mit seinen klassischen gusseisernen Vorläufern.

Am Anfang war Strebel

Für ihn, den Gussgliederkessel, hatte Ende des 19. Jahrhunderts das Strebelwerk in Mannheim die Patente erhalten. Die Marke Strebel erlangte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Weltruf. Die Feuerung galt als der „Mercedes unter den Heizkesseln“. Mannheim mit den Niederlassungen in Polen, Tschechien, Italien, Ungarn gedieh mit 7.000 Mitarbeitern zur größten deutschen Spezialfabrik für Gliederheizkessel – und ging 1974 in Konkurs. Doch gestattete das damalige Konkursrecht, ausländische Töchter nicht mit einzubeziehen, sodass der Name bis heute erhalten blieb.

Der Strebel-Gussheizkessel.
Quelle: Privat
Die 60er-Jahre gehörten dem Strebel-Gussheizkessel, Typ Allesbrenner: Kohle, Holz, etc.

Ein ähnliches Schicksal – steiler Aufstieg und tiefer Fall – ereilte die Krupp Kesselwerk GmbH in Berlin. Nachdem die Besatzungsmächte nach Ende des Krieges den Krupp-Konzern in Forschung und Entwicklung einschränkten, versorgten sich die Stahlbauer mit der Kessellizenz des Liechtensteiner Anbieters Hoval und bauten und vertrieben deren Heizungen unter eigenem Namen. Das Geschäft mit der Lizenz florierte von 1955 bis 1971. Dann erlosch die Vereinbarung. Hoval betrat eigenständig den deutschen Markt. Die Stahlkocher aus dem Ruhrgebiet machten in Berlin noch einige Jahre weiter, holten dann aber die Flagge herunter. Man munkelt, vornehmlich sei die Tonnenideologie der Verursacher des Abstiegs gewesen: Die Provisionen im Kesselverkauf richteten sich nicht nach der Stückzahl. Die alleinige Bemessungsgröße war das verkaufte Gewicht. Eine Tonne Kessel entsprach je nach Größe eine, zwei oder auch nur eine halbe Einheit. Ende der 70er-Jahre halbierte sich jedoch der Neubaumarkt, mit Überkapazitäten in der Kesselproduktion im Gefolge und mit einem Wechsel vom Verteilungsmarkt zum Verkaufsmarkt. Man hätte sich für eine Tonne Heizkessel aus seinem Bürosessel erheben müssen; für 10 Tonnen Kruppstahl (noch) nicht …

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