Wärme

50 Jahre Heizungsbranche – ein Streifzug

Freitag, 02.09.2016

Die Attacken überraschten, weil mit der Einführung der geschlossenen Heizungssysteme mit dem neuen Baustein Umwälzpumpe statt Schwerkraft eigentlich kein Sauerstoff in den Kreislauf gelangen sollte. Über die ungesperrten Kunststoffrohre im Fußboden öffnete sich dem jedoch ein neuer Weg. Die Schuld an der Korrosion schoben sich Handwerker und Industrie gegenseitig zu.

Hans Viessmann gestand später ein, allein mit seinem Ausspruch in einem Interview „Wer den Sauerstoff in den Kreislauf bringt, soll ihn auch wieder raus bringen“ – und damit meinte er den Heizungsbauer – mindestens 30 Mio. DM verloren zu haben. Seine Kunden verübelten ihm die anfängliche Unlust zur Gewährleistung. Die Stahlkessel hatten den gusseisernen Ausführungen bereits 70 Prozent des Marktvolumens weggeschnappt und waren nun besonders betroffen. Denn generell zeigt sich eine Gusshaut resistenter gegen Korrosionsangriffe. Als Ad-hoc-Lösung kippten die Anlagenbauer Sauerstoffbindemittel und Inhibitoren in die Heizkreise. Die Chemie zog in die Haustechnik ein. Die Rechnung ging jedoch nur zum Teil auf. Bei unkontrolliertem Einsatz der Chemikalien mehrten sich sogar die Probleme. Geschlossene Anlagen, jahrelang problemlos betrieben, rückten ins Rampenlicht der Sachverständigen beziehungsweise der Gerichte. Weil zu den unfeinen Eigenarten der Inhibitoren gehört, selbst bereits feste Ablagerungen wieder zu lösen. Sie weckten damit schlafende Hunde: Unter den Ablagerungen schlummerte unter Umständen ein Loch harmlos vor sich hin, dessen Deckel nagte jetzt der kathodische oder anodische Inhibitor ab. Nicht grundsätzlich, aber bei falscher Dosierung, zum Beispiel zu viel oder zu wenig oder das falsche Mittel.

Lange Zeit des Bangens

Einen Königsweg aus diesem Dilemma gab es für Altanlagen nicht. Man hoffte, den Gewährleistungszeitraum zu überstehen. Für Neuanlagen bot sich ein Wärmeübertrager zur Abkopplung des Kesselkreises vom Heizkreis an, bis endlich 1982 das sauerstoffdichte Kunststoffrohr kam. Nebenbei: Als der Handel noch nicht das sauerstoffdichte Rohr anbot, gleichwohl aber die Diffusionsprobleme bekannt waren, trotzdem aber der Handwerker auf die Alternative – Wärmeübertrager zwischen Heiz- und Kesselkreis – verzichtete, legte er sich eine Leiche in den Keller. In diesem Falle musste er 30 Jahre bangen. Diese verlängerte Gewährleistung galt damals nach VOB/B, wenn der Auftragnehmer bewusst ein mangelbehaftetes Werk erstellt hatte.

Den Bauherren, dem Handwerk und der Industrie machten in den Anfängen der Niedertemperaturheizung vor 40, 50 Jahren eine zweite Schwäche zu schaffen: der kalte Rücklauf der Systeme mit Temperaturen unterhalb des Taupunkts von rund 60° C. Die Niedertemperatur ließ es zu, auf eine Mischerregelung zu verzichten, die Bereitschaftsverluste im Keller zu reduzieren, Fußbodenheizungen zu verkaufen und die CO2-Emissionen zu senken. Nur kam dieser Schwenk zur Niedertemperatur schneller, als die Werkstofftechniker mithalten konnten. Der kalte Rücklauf auf der Wasserseite der Wärmeübertragerheizflächen im Kessel kühlte unter Umständen die Brenngas berührte Innenseite der Heizflächen bis in den Schwitzwasserbereich herunter. In Ölheizungen perlte kurzzeitig saures Kondensat auf. Das greift bekanntlich bereits in geringen Konzentrationen Eisenwerkstoffe an. Bei Grauguss dauerte das alles etwas länger. Wenn in der Verbrennungsluft noch zusätzlich Chloride schweben, verstärkt sich der Korrosionsangriff rapide. Die Konstrukteure mussten Gegenmaßnahmen finden. Viessmann zum Beispiel wich auf die biferrale Brennkammer aus, eine zweischalige Wand mit Grauguss innen auf der Verbrennungsseite und Stahl auf der Wasserseite. Diese Paarung bremst den Wärmedurchgang. Sie verspricht, dass die Wandtemperatur auf der Heizgasseite über der Taupunkttemperatur liegt.

Ein Niedertemperaturkessel.
Quelle: Privat
Mit der Niedertemperatur kamen Kondensationsprobleme. Viessmann reagierte darauf mit einer zweischaligen Brennkammer mit resistentem Guss auf der Heizgasseite und Stahl auf der Wasserseite.

80er-Jahre – Der Preis der Unit-Entwicklung

Noch herrschen Nächstenliebe und Partnerschaft in der Industrie vor, doch tauchen in der Ferne erste dunkle Wolken auf. Dunkle Wolken mit der Einführung der Units. Die Forderung nach höherer Energieeffizienz zwingt dazu, Kessel und Brenner nicht als zwei Montageteile zweier Hersteller zu betrachten, die lediglich zu verflanschen sind. Der Entwurf muss aus einer Hand kommen. Ganz besonders im unteren Leistungsbereich mit kleinen Feuerräumen steigert solch eine optimierte Abstimmung erheblich den Wirkungsgrad. Anfangs tut sich die Branche mit der Unit-Philosophie schwer. Das hat etwas damit zu tun, dass hier die Kesselindustrie und dort die Brennerindustrie partnerschaftlich zusammenarbeiten, der eine dem anderen nicht das Brot wegnehmen will. Das Handwerk will sich ebenfalls nicht in seine gewachsenen Zuneigungen, diese Kesselmarke und jene Brennermarke, hinein reden lassen. Obwohl bereits seit Ende der 70er-Jahre der Unit-Gedanke als der richtige Weg angemahnt wird, beträgt der Anteil der seriellen Kessel/Brenner-Kombination selbst Ende der 80er-Jahre nicht mehr als 10 Prozent. Erst als sich in der Folgezeit die Industrie nicht mehr schiedlich friedlich die Aufgaben teilt und sich die Kessel- wie auch die Brennerbauer um das jeweils andere Produkt kümmern, reifen diese Konstruktionen zum Standard heran. Wie auch die Brennwerttechnik.

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