Erneuerbare Energien

Wasser zu Wärme

Freitag, 25.02.2022

Für die Energieversorgung der Blöcke Desiro, E und des Neubaus der Hochschule Esslingen verwirklichen die Beteiligten eine zentrale Versorgungsinfrastruktur mit einer Energiezentrale als unterirdisches Bauwerk aufgrund der städtebaulichen Anforderungen. Hier bildet ein Elektrolyseur das Herzstück, der überschüssigen Strom aus den lokalen Photovoltaik-Anlagen der beiden Blöcke und des Hochschul-Neubaus sowie aus Erzeugungsanlagen, die von außerhalb grünen Strom über das öffentliche Stromnetz liefern, verwertet. Dem Ziel einer hohen erneuerbaren Eigenversorgung dient des Weiteren die Verwendung der beim Elektrolyseprozess anfallenden Abwärme als Nah-Heizwärme für die drei Objekte. Der Nutzungsgrad der H2-Erzeugung klettert so von rund 55 bis 60 Prozent auf bis zu 90 Prozent. Diese Infrastruktur deckt den Bedarf für Heizung und Brauchwarmwasser der Gebäude und erlaubt im Sommer über die Einbindung von Adsorptionskälte-Anlagen die Bereitstellung von Kühlenergie.

Foto: Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, der den Rahmenplan der Energietechnik im Quartier entwickelt hat.
Quelle: www.neue-weststadt.de
"Wir sehen im Wasserstoff aber nur ein indirektes Medium zur Wärmeversorgung von Gebäuden. H2 ist das Öl von morgen für die Industrie. Wir sind deshalb mit der Elektrolyse in die Innenstadt gegangen, um die Abwärme mit 50 bis 55 °C als Nahwärme zur Beheizung von Gebäuden nutzen zu können", so Univ. Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, der den Rahmenplan der Energietechnik im Quartier entwickelt hat.

Grüner Wasserstoff

Die Anlagengröße des Elektrolyseurs beträgt 1 MWel. Bei rund 4.500 Vollbenutzungsstunden und einer systemdienlichen Betriebsweise erzeugt der Elektrolyseur rund 2.800 MWh grünen Wasserstoff pro Jahr (ca. 85 t/a). Rund 600 MWh/a nutzbare Abwärme stehen dann aus dem Elektrolyseprozess für die Versorgung von Block Desiro, E und der Hochschule zur Verfügung. Für die ganzjährige Vollversorgung mit Wärme sind in der Energiezentrale zusätzlich eine Wärmepumpe (200 kWth), ein bivalentes Blockheizkraftwerk (Erdgas: 300 kWth; H2: 138 kWth) und ein Gas-Spitzenlastkessel geplant.

Die effiziente Kopplung der Sektoren Wärme, Strom, Mobilität und Industrie erfolgt durch eine physische Vernetzung der Einzelkomponenten über ein digitales Informationsnetz und Energiemanagementsystem (EMS) als „Smart Grid“. Das prioritäre Ziel des EMS besteht darin, die lokale erneuerbare Eigenversorgung bei gleichzeitiger netzdienlicher Interaktion mit der vorgelagerten öffentlichen Stromversorgung zu erhöhen. Für die technischen und rechtlichen Herausforderungen bei der dezentralen Energievermarktung (Mieterstrom) will das Forschungsprojekt gezielt neue Lösungsansätze erarbeiten und breit anwendbare Vermarktungsoptionen für den zukünftigen Energiemarkt entwickeln.

Grafik: „P2G2P“ – Power-to-Gas-to-Power: Energiefluss im klimaneutralen Stadtquartier „Neue Weststadt“.
Quelle: www.neue-weststadt.de
„P2G2P“ – Power-to-Gas-to-Power: Energiefluss im klimaneutralen Stadtquartier „Neue Weststadt“.

Modell der Sektorenkopplung

Um den grünen Wasserstoff auch Nutzungspfaden außerhalb des Quartiers zuführen zu können, werden in der „Neuen Weststadt“ eine Einspeisestation in das Erdgasnetz, eine H2-Abfüllstation sowie eine H2-Tankstelle auf dem bisherigen Gelände der Stadtwerke Esslingen errichtet. In der ersten Ausbaustufe transportiert eine H2-Leitung den Wasserstoff aus der Energiezentrale zur Gasnetz-Einspeisestation und Abfüllstation. Der Großteil des Wasserstoffs (100 bis 400 kg/d) soll über die Abfüllstation in Trailer mit Röhrenbündelspeichern geladen und mit Lkw zu Kunden im Industrie- oder ÖPNV-Sektor transportiert werden.

Neben der H2-Tankstelle entsteht ein flächendeckendes Angebot an öffentlichen und halböffentlichen Ladestationen für Elektromobile. Eine komfortable Ladeinfrastruktur im Quartier für private Fahrzeuge in den Tiefgaragen der Wohnblöcke und die Einbindung eines Car-Sharing-Anbieters sollen eine möglichst breitenwirksame Akzeptanz und hohe Nutzungsintensität fördern. Durch eine Vernetzung der Lade- und Buchungstechnik der Fahrzeuge kann ein netzdienlicher Betrieb (bevorzugte Aufladung bei Überschüssen) realisiert werden. In einer weiteren Ausbaustufe ist auch eine Rückspeisung aus den Fahrzeugen in das Gebäude- bzw. Quartiersnetz möglich. Geeignete Dienstleistungsangebote sollen die Mobilität möglichst emissionsfrei gestalten und gleichzeitig die Anzahl der erforderlichen Fahrzeuge und Stellplätze auf ein Mindestmaß reduzieren, um einen ökologischen und ökonomischen Mehrwert im Rahmen der Quartiersentwicklung zu erzielen.

Weiterführende Informationen: https://neue-weststadt.de/

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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