Erneuerbare Energien

Technologieoffenheit ist mehr als eine Floskel

Dienstag, 19.10.2021

Foto: Buderus hat die Brennwertkessel „Logano plus KB195i“ und „Logano KB195i-BZ“ jüngst für treibhausgasreduzierte flüssige Energieträger inklusive Blends mit maximal zehn Prozent FAME freigegeben.
Quelle: Buderus
Buderus hat die Brennwertkessel „Logano plus KB195i“ und „Logano KB195i-BZ“ jüngst für treibhausgasreduzierte flüssige Energieträger inklusive Blends mit maximal zehn Prozent FAME (etwa HVO, R33, GtL, PtL, BtL) freigegeben. Die im Modellversuch von IWO und BDH eingesetzte R33-Brennstoffkombination besteht zu 26 Prozent aus hydrierten Reststoffen wie Altspeisefetten, sogenannten abfallbasierten Biobrennstoffen der zweiten Generation. Ein weiterer siebenprozentiger Anteil bei R33 sind veresterte Bioöle, sogenannte FAME.

Apropos „Bestand“: Ein Viertel der 42,6 Mio. bestehenden Wohnungen in Deutschland (Quelle: BDEW, Stand 2020) wird mit Heizöl beheizt. Wie werden diese fast elf Millionen Wohnungen „klimaneutral“ bis 2045?

In Deutschland gibt es mehr als fünf Millionen Ölheizungen. Die meisten stehen in Ein- und Zweifamilienhäusern im außerstädtischen Raum. Keineswegs jedes dieser Gebäude lässt sich ohne weiteres sofort auf eine rein erneuerbare Wärmeversorgung umstellen. Dennoch können auch diese Gebäude die Klimaziele erreichen: schrittweise und unter Beibehaltung eines flüssigen Energieträgers. Das hat bereits 2019 eine Studie des ITG Instituts für Technische Gebäudeausrüstung Dresden gezeigt und geht auch aus zahlreichen Modellvorhaben hervor, die das IWO in den vergangenen Jahren initiiert und begleitet hat. Ermöglicht wird das zunächst durch Effizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle und durch Heizungsmodernisierungen mit Brennwerttechnik. Ein weiterer Schritt ist die direkte Einbindung erneuerbarer Energien in Form von Hybridheizungen, zum Beispiel durch eine Solaranlage auf dem Dach. So lässt sich der Brennstoffbedarf bereits deutlich reduzieren. Für die Restmengen könnten dann alternative Brennstoffe genutzt werden. Wir haben dieses Thema auch auf der diesjährigen ISH herausgestellt.

Zu Ihrer Verbandsarbeit: Wie gestalten sich die Berührungspunkte zwischen dem Wärmemarkt und dem Mobilitätsbereich heute aus Ihrer Sicht?

Für beide Bereiche gilt, dass wir in den kommenden Jahren eine verstärkte Elektrifizierung erleben werden. Das ist in vielen Fällen auch absolut sinnvoll. Für beide Bereiche gilt jedoch auch: Die Anwendungstechnologie selbst ist nicht die entscheidende Herausforderung, denn die Emissionen kommen aus den Energieträgern – aus dem aktuellen Strommix ebenso wie aus heutigen Kraft- und Brennstoffen. Deshalb müssen diese Energieträger CO2-neutral werden. Erneuerbaren Strom können und sollten wir daher vielseitig einsetzen. Das gleiche gilt für alternative Fuels. Hier sollten die Einsatzbereiche nicht im Vorfeld festgelegt werden. Insofern gibt es Lösungen, die in beiden Sektoren den Klimaschutz voranbringen können.

Foto: Der neue „Future Fuels Ready“-Brennwertkessel „Vitoladens 300-C“ von Viessmann kann auch mit treibhausgasreduzierten flüssigen Energieträgern betrieben werden.
Quelle: Viessmann
Der neue „Future Fuels Ready“-Brennwertkessel „Vitoladens 300-C“ von Viessmann kann auch mit treibhausgasreduzierten flüssigen Energieträgern betrieben werden.

Wo stehen die „E-Fuels“, „Bio Fuels“, „Green Fuels“ – also die alternativen flüssigen Brenn- und Kraftstoffe – im Wettbewerb der Energieträger bzw. erneuerbaren Energien?

All diese alternativen Fuels sind nicht als Konkurrenz zu einer verstärkten Elektrifizierung zu sehen, sondern als Ergänzung. Stromanwendungen, wie Wärmepumpen oder Batteriefahrzeuge, werden künftig eine zunehmend größere Rolle für den Klimaschutz spielen. Doch sie können nicht sofort und überall zum Einsatz kommen – gerade dort, wo dem technische oder finanzielle Hürden entgegenstehen, ist der Einsatz alternativer Fuels eine Lösungsmöglichkeit im Sinne des Klimaschutzes. Hinzu kommt: Flüssige Energieträger verfügen über eine besonders hohe Energiedichte. Aus diesem Grund lassen sie sich auch ausgezeichnet transportieren und speichern. Dies ist im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele ein wichtiger, derzeit noch oft vernachlässigter Aspekt: Deutschland importiert derzeit rund 70 Prozent seiner Energie. Der notwendige Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen hierzulande wird nicht dazu führen, dass Deutschland energieautark wird. Deswegen wird auch eine zunehmend klimaneutrale Gesellschaft weiter auf Energie-Importe angewiesen sein. Dafür kommen vor allem alternative flüssige Energieträger und grüner Wasserstoff in Betracht.

Wie nehmen Sie die Diskussionen rund um das Meta-Thema „Wasserstoff“ wahr?

Alternative Fuels bieten die Möglichkeit, erneuerbare Energie aus Ländern einzuführen, in denen diese deutlich leichter als hierzulande erzeugt werden kann. Das gilt nicht nur für grünen Wasserstoff, sondern auch für seine Folgeprodukte. So zeigt zum Beispiel der aktuelle „Power-to-X-Atlas“ des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, welche großen Potentiale sich erschließen lassen, wenn weltweit sonnen- bzw. windreiche Regionen genutzt werden, um alternative Kraft- und Brennstoffe zu erzeugen. Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass ein globaler Power-to-X-Markt zu einer internationalen Win-win-Situation führen würde. Alternative Kraftstoffe sind notwendig, um die Klimaziele in der Luftfahrt und im Schiffsverkehr zu erreichen. Doch wie bereits erwähnt: Ihr Einsatz sollte nicht von vornherein auf diese Bereiche beschränkt werden. Denn auch wenn zum Beispiel der Anteil batteriebetriebener Autos immer weiter steigt, wird es im Jahr 2030 voraussichtlich allein hierzulande noch einen Bestand von 35 Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor geben. Daher werden auch alternative Kraftstoffe einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten müssen. Zugleich würde der Einsatz im Straßenverkehr schneller Skalierungseffekte herbeiführen, die die Kosten für alle Einsatzbereiche schneller senken. Davon würde auch der Wärmemarkt profitieren.

Weiterführende Informationen: https://www.zukunftsheizen.de/startseite.html

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