Erneuerbare Energien

Steine im Weg

Was die Planung von preiswertem (Wärmepumpen-)Strom erschwert

Freitag, 04.03.2022

Leider geben rechtliche Vorschriften mitunter keine Planungssicherheit. Dann nicht, wenn sie den Ämtern und Gerichten breiten Spielraum zur Interpretation lassen. Zum Beispiel in der Frage, ob das realisierte Stromnetz die Bedingungen für den privilegierten Status einer Kundenanlage erfüllt. Die dient zur Eigenversorgung und kann so preiswerten Wärmepumpenstrom anbieten. Beispiel: Leuchtturmprojekt „EnStadt:ENaQ – Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg“.

Abbildung: Am Beispiel eines ehemaligen Militärgeländes zeigt das interdisziplinäre „ENaQ“ Projektkonsortium, wie mittels eines nachhaltigen Infrastrukturkonzeptes die angestrebte Energiewende in einem städtischen Quartier konkret aussehen könnte.
Quelle: EnStadt:ENaQ
Am Beispiel eines ehemaligen Militärgeländes zeigt das interdisziplinäre „ENaQ“ Projektkonsortium, wie mittels eines nachhaltigen Infrastrukturkonzeptes die angestrebte Energiewende in einem städtischen Quartier konkret aussehen könnte.

„Die Digitalisierung des Wärmemarkts heißt ja nicht, dass Sie zukünftig mit Digits heizen sollen. Für ihre Klimabehaglichkeit ist, nach wie vor, ein üblicher Kalorienträger zuständig. Die Digitalisierung will Ihnen diese Kalorien pünktlich, in ausreichender Menge und mit hoher Effizienz zur Verfügung stellen. So gesehen, klingt auch das nicht sonderlich spannend. Aber gerade, was die Effizienz angeht, unter Einbindung der Sektorenkopplung, liegt softwareseitig noch einige Arbeit vor uns.“ Diese Aussagen konnte man im Rahmen einer Veranstaltung der diesjährigen „ISH digital“ von einem Branchenvertreter aufnehmen. Gemeint ist damit vor allem, Angebote und Bedarf so intelligent auszuregeln, dass es nicht zu einem Konkurrenzneid der verschiedenen Verbraucher kommt. Wenn die Haushalte die Elektrizität von den PV-Zellen auf dem eigenen Dach im Moment nicht brauchen, wem gibt man sie?

Das öffentliche Netz soll bei Quartierslösungen nach Möglichkeit außen vor bleiben. Doch wer oder was hat im Moment Priorität? Mit Betonung auf „im Moment“ und das setzt Flexibilität in der Priorisierung voraus. Die Ladesäule für das E-Mobil? Oder besser zuerst die Wärmepumpe im Nachbarhaus, um dort den nur halbvollen thermischen Speicher zu beladen, weil der Wetterbericht für morgen einen Kälteeinbruch vorhersagt? Was nichts anderes heißt, dass Wetterprognosen systemisch integriert sein müssen. Oder sollte jetzt besser die Waschmaschine nebenan anspringen? Dieses Management vernetzter Quartiere via digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie, inklusive „Internet der Dinge“ (IoT, „Internet of Things“), ist quasi das Herz von Leuchtturmprojekten und Reallaboren, von denen aktuell mehrere landauf, landab übertragbare Grundlagen für eine erfolgsversprechende und rasche Energie- und Wärmewende erarbeiten sollen und wollen. Mehrheitlich mit öffentlichem Segen in Form von öffentlichen Geldern als Investitionszuschuss.

Was die direkte Nachbarschaft angeht, tut sich die Technik mit dem Energieaustausch nicht übermäßig schwer. Das Hemmnis für eine energetische Sanierung von Stadtquartieren, mit Einbindung von Abwärme aus Produktionsbetrieben, stellen vielfach die Bebauungspläne dar. Die trennen relativ strikt zwischen Wohnen und Gewerbe. Als Lärmschutzmaßnahme macht diese Separierung selbstverständlich Sinn. Nur erschwert oder verteuert sie die Sektorenkopplung, indem sie durch die Abschottung des einen Gebiets gegen das andere damit auch Energieerzeuger von -verbrauchern abschottet. Ab welcher Entfernung oder Leistung lohnt sich trotzdem noch ein Nahwärmenetz?

Von Nachbarn für Nachbarn

Unter anderem steht dieser Punkt auf der Frageliste, die sich die Beteiligten für das Leuchtturmprojekt „EnStadt:ENaQ“ erstellt haben. „ENaQ“ steht für „Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg“ – Energie von Nachbarn für Nachbarn. Auf dem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt „Helleheide“ des Deutschen Reichs und später der Bundeswehr errichten Unternehmen in den nächsten Jahren ein neues Stadtquartier für Oldenburg, das insbesondere der zunehmenden Nachfrage nach Wohnraum für Familien und Personen mit mittlerem bis niedrigem Einkommen Rechnung tragen soll. Der Plan sieht insgesamt 900 Wohneinheiten vor plus Gewerbe- und Büroobjekte. Die Großmaßnahme ist in das Stadtentwicklungsprogramm „Step 2025“, das für die Kommune Oldenburg Leitziele vorgibt, eingebunden. Als Unterprojekt bündelt „ENaQ“ 110 Wohnungen der in Angriff genommenen Fliegerhostbebauung zu einem Reallabor. Das hat den Auftrag, mithilfe von experimentellen Spielräumen Ansätze der systemischen Verschmelzung der Energieträger bzw. Sektoren Strom, Gas, Wärme und Kälte für besonders nachhaltige Prozess-, Lebens- und auch Finanzierungsmodelle im Bereich Energie, Verkehr und Verwaltung zu finden.

Die Ergebnisse dürfen nicht ausschließlich auf Helleheide zugeschnitten sein. Die fördernden Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie für Bildung und Forschung (BMBF) erwarten eine Übertragbarkeit des Konzepts auf ähnliche Areale. Deshalb unterstützen sie „ENaQ“ mit etwa 18 Mio. Euro aus dem Topf der übergeordneten Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ für die Laufzeit 2018 bis Dezember 2022. Von Seiten der Industrie fließen weitere 8 Mio. Euro in die Maßnahme hinein. Insgesamt rüsten rund 20 Projektpartner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie das brachliegende Militärgelände zu einem weitgehend energieautarken, zukunftsträchtigen Lebenszentrum auf.

Weiterführende Informationen: https://www.enaq-fliegerhorst.de/

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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