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Lüftung

HeizungsJournal-Expertentreff zum Thema „Wohnraumlüftung“

Führende Hersteller diskutieren

Donnerstag, 03.09.2015

Nachdem die HeizungsJournal-Gruppeninterviews zu unterschiedlichen Themen der Branche in der Vergangenheit auf positive Resonanz gestoßen sind, hat die Redaktion mit dem ersten Expertentreff „Wohnraumlüftung“ ein neues Format umgesetzt und hierfür führende Hersteller aus dem Marktsegment Kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) mit Wärmerückgewinnung eingeladen.

Über die aktuelle Entwicklung der Branche, Akzeptanz, gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die technischen Trends und Innovationen haben wir gesprochen mit:

  • Harry Haas, Bereichsleiter Vertrieb KWL bei Helios
  • Dieter Megerle, Vertriebsleiter bei Limot
  • Björn Peters, Gebietsleiter Baden-Württemberg bei LTM
  • Axel Dignas, Regionalverkaufsleiter Süd-West bei Maico
  • Uwe Schumann, Schulungs­leiter bei Pluggit
  • Klaus Lang, Product Area Director Residential Ventilation bei Systemair
  • Oliver Fiedel, Leiter Produkt­management „Comfo­systems“ bei Zehnder

Die Teilnehmer des HeizungsJournal-Expertentreffs „Wohnraumlüftung“.
Quelle: HeizungsJournal
Die Teilnehmer des HeizungsJournal-Expertentreffs „Wohnraumlüftung“ (v.l.n.r.): Björn Peters (LTM), Dieter Megerle (Limot), Axel Dignas (Maico), Jörg Gamperling (HeizungsJournal), Klaus Lang (Systemair), Harry Haas (Helios), Uwe Schumann (Pluggit), und Oliver Fiedel (Zehnder).

Diese Zahlen kennt jeder ambitionierte Heizungsbauer, jeder SHK-Fachhandwerker aus dem Effeff: 20,7 Mio. Wärmeerzeuger versorgen deutsche Wohnungen und Häuser mit Wärme. Auf den Verbrauch dieser 20,7 Mio. Wärmeerzeuger entfallen über ein Drittel des deutschen Endenergieverbrauchs und gut ein Viertel der CO2-Emissionen. Etwa 70 Prozent des Anlagenbestands entspricht nicht dem Stand der Technik. Würden diese veralteten Anlagen modernisiert, könnten zwischen 13 und 15 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs eingespart werden. Jeder weiß, der Wärmemarkt ist ein „schlafender Riese“, der leider immer noch seelenruhig vor sich hindöst und im vergangenen Jahr gar im fast komatösen Tiefschlaf war. 2015 kann nur besser werden – und in der Tat hat sich der deutsche Heizungsmarkt im ersten Quartal 2015, nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH), wieder leicht positiv entwickelt.

Wie aber steht es um das Wissen des ambitionierten SHK-Fachhandwerks in Sachen „Wohnraumlüftung“? Können die einschlägigen Marktzahlen, -daten und -fakten hier ebenfalls, wie aus der Pistole geschossen, aufgesagt werden?

Höchstwahrscheinlich sitzen diese Größen noch nicht ganz felsenfest. Klar: Im Vergleich zum Heizungsfach ist die Wohnraumlüftung ja auch noch relativ jung. Also bemühen wir wieder die Verbände und ihre Statistiken. Laut Fachverband Gebäude-Klima e.V. (FGK) wurden im Jahr 2014 49.000 zentrale Wohnraumlüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung verkauft und installiert – zum Vergleich: 2010 waren es noch 29.000. Das entspricht einer Steigerungsrate von fast 70 Prozent! Hinzu kommen laut FGK mehr als doppelt so viele dezentrale Wohnraumlüftungsgeräte, welche letztes Jahr eingebaut wurden. Wir halten fest: Die Raumlufttechnik bzw. die Wohnraumlüftung ist ein Wachstumsmarkt und kann sich auch dann positiv entwickeln, wenn „der große Bruder“ Heizungsmarkt schwächelt.

Spätestens hier muss jeder ambitionierte SHK-Fachhandwerker aufhorchen und feststellen, dass mit der Wohnraumlüftung nicht nur hier und da ein schönes Zusatzgeschäft winkt, welches man mitnehmen kann, sondern er muss erkennen, dass die Wohnraumlüftung (schon längst) ein ernstzunehmendes Geschäftsfeld ist, das mit Leben gefüllt und mit Know-how bearbeitet werden muss. Denn Relevanz und Potential hat die Wohnraumlüftung nicht erst im Passivhaus oder ab 2020 im „nearly Zero-Energy Building“ (Fast-Nullenergiegebäude), sondern gehört in das Repertoire jedes Fachbetriebs, welcher seine Kundschaft ernsthaft in Sachen Energieeffizienz und Wohnkomfort beraten will. „Energieef­fiziente Klima- und Lüftungstechnik ist nicht nur ein unverzichtbarer Baustein für eine erfolgreiche Energiewende, sie ist auch Garant für ein angenehmes und gesundes Lebens- und Arbeitsumfeld der Menschen. Das vermeintliche Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Behaglichkeit löst unsere innovative Branche buchstäblich in »Luft« auf“, schreibt der FGK. Diesen Satz kann man sich getrost ins Pflichtenheft schreiben!

Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel und aus diesem Grund sollte sie „gesund“, das heißt, hygienisch sein: Pollen, Hausstaubmilben, Sporen, Schimmelpilze, Stäube, Partikel, unangenehme Gerüche, gesundheitsschädliche Ausdünstungen und andere organische/anorganische Verbindungen haben in der Raum- und damit Atemluft nichts zu suchen – gerade angesichts zunehmender chronischer Atemwegserkrankungen oder Allergien unterschiedlichen Ursprungs, unter denen immer mehr Menschen leiden. Leider gibt es (noch) keine Kennzeichnungspflicht für belastete Atemluft in Wohn- und Aufenthaltsräumen …

KWL mit WRG: Viel mehr als nur Feuchteschutz!

Genau an dieser Stelle wollen die führenden Hersteller aus dem Marktsegment Kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) mit Wärmerückgewinnung zukünftig verstärkt ansetzen und viel mehr über das Lebensmittel Luft, die Themen Hygiene und Gesundheit sprechen. Die Lüftungstechnik sei schließlich erfunden worden, um frische Luft ins Haus zu bekommen, betont Klaus Lang, Product Area Director Residential Ventilation bei Systemair. „Wir müssen raus aus der Energieeffizienz­debatte und den Komfortaspekt mehr in den Vordergrund rücken“, fordert Harry Haas, Bereichsleiter Vertrieb KWL bei Helios, im Rahmen des Expertentreffs „Wohnraumlüftung“ des HeizungsJournal-Verlags. Ähnlich sieht das Oliver Fiedel, Leiter Produktmanagement „Comfosystems“ bei Zehnder: „Neben einem ge­sicherten, nutzerunabhängigen Luftaus­tausch, dem Schutz der Gebäudesubstanz und der Effizienzsteigerung durch Wärmerückgewinnung bietet die KWL eben vor allem Komfort.“ Es herrsche aber nach wie vor ein hoher Informationsbedarf auch unter Architekten und Planern – angesichts der Tatsache, dass nur rund 30 Prozent der Neubauten mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet werden, sei das Potential enorm. Hier wünscht sich Uwe Schumann, Schulungsleiter bei Pluggit, eine deutlich intensivere Diskussion, um die Schlüsselrolle der Wohnraum­lüftung mit Wärmerückgewinnung in der Öffentlichkeit herauszuarbeiten: „Energie- und Wärmewende sind in aller Munde, aber eine Lüftungswende kennt keiner!“ Elementar sei es deshalb, ein Gebäude als komplexes System zu verstehen und weiter über bauphysikalische Sachzusammenhänge aufzuklären.

„Die Sensibilität für das Thema nimmt zu, jedoch hat die Lüftung einfach noch nicht den hohen Stellenwert, welcher der Heizungstechnik beigemessen wird“, gibt Dieter Megerle, Vertriebsleiter bei Limot, zu bedenken. Björn Peters, Gebietsleiter Baden-Württemberg bei LTM, und Axel Dignas, Regionalverkaufsleiter Süd-West bei Maico, bewerten die Situation genauso: „Das Thema Wohnraumlüftung ist im Vergleich zur Heizung schwieriger zu kommunizieren“, so Peters. „Für den Endkunden ist Wärme interessanter als das Thema Raumluftqualität“, kritisiert Dignas.

Axel Dignas, Maico, und Dieter Megerle, Limot, sprechen beim Expertentreff über die Wohnraumlüftung.
Quelle: HeizungsJournal
Axel Dignas, Maico, und Dieter Megerle, Limot, sprechen beim Expertentreff mit fünf anderen Hersteller-Vertretern über die Wohnraumlüftung.

Fest steht jedenfalls – hier sind sich die Vertreter der Hersteller einig –, dass das Marktsegment die Nische längst verlassen hat und die Systeme zur kontrollierten Be- und Entlüftung von Wohnräumen nicht mehr nur als „notwendiges Übel“ betrachtet werden. Vielmehr spielt die Lüftungstechnik in wärmegedämmten und luftdichten Gebäuden, wie sie der Gesetzgeber in der Energieeinsparverordnung (EnEV) fordert, eine Schlüsselrolle im Hinblick auf Bautenschutz, Energieeffizienz und nicht zuletzt Behaglichkeit. So nehmen Lüftungswärmeverluste in diesen Gebäuden einen immer größeren Anteil an den gesamten Wärmeverlusten ein (ca. 60 Prozent). Moderne Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung reduzieren diese Verluste und vermeiden, dass sprichwörtlich „zum Fenster hinaus“ geheizt wird. Zudem findet in luftdichten Gebäuden kein natürlicher und kontinuierlicher Luftaustausch durch Ritzen oder Fugen mehr statt. Feuchtigkeit und Schadstoffe werden dadurch nicht mehr automatisch abgeführt. Lüftungsanlagen stellen dagegen einen ausreichenden Luftaustausch sicher und vermeiden so Feuchtigkeits-, Schimmel- und Gesundheitsprobleme.

EnEV: Gut, aber bitte konkreter!

Insofern müsste die genannte Energieeinsparverordnung – EnEV 2014, § 6 Dichtheit, Mindestluftwechsel: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist.“ – den Trend hin zur KWL eigentlich unterstützen und die Marktdurchdringung positiv beeinflussen.

Jedoch wünschen sich die Teilnehmer des HeizungsJournal-Expertentreffs hier eine Vereinfachung bzw. Konkretisierung der Gesetzeslage. „Die Energieeinsparverordnung wie auch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) sind kein Hemmschuh für die Lüftungstechnik. Aber sie sollten fordernder sein“, unterstreicht Uwe Schumann. Will heißen: Die EnEV sollte nicht nur die Sicherstellung, sondern auch den Nachweis des Mindestluftwechsels fordern, da der Begriff „Sicherstellung“ vielfach nicht eindeutig wahrgenommen wird. Außerdem sollte das EEWärmeG die Wärmerückgewinnung nicht nur als Ersatzmaßnahme behandeln, sondern als regenerative Energie anerkennen. Um die gesetz­lichen Vorgaben klarer und vor allem praxisgerecht zu gestalten, sollte das EEWärmeG ferner in das Energieeinsparungsgesetz (EnEG: Grundlage der EnEV) integriert werden.

„Das Lüftungskonzept muss verpflichtend sein“, bringt es Harry Haas auf den Punkt. Auch Klaus Lang äußert Kritik an der EnEV in heutiger Form und fordert, dass eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in das EnEV-Referenzhaus aufgenommen wird – aktuell wird hier nur mit einer Abluftanlage gerechnet. Mit Blick auf den kommenden Niedrigstenergiestandard sei dies nicht nachvollziehbar: „Das Ziel ist klar definiert. Der Weg zum Niedrigenergiehaus ab 2020 bleibt aber offen.“

Wir halten also fest: Die EnEV muss sich deutlicher für innovative Anlagentechniken – wie die Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung – aussprechen! Hier ist der Gesetzgeber gefragt, sich intensiver mit den heute marktverfügbaren Systemen und Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Ob das in Zukunft auch passiert, bleibt abzuwarten. Oliver Fiedel sieht dies jedenfalls kritisch, werde die Lüftungstechnik generell doch eher stiefmütterlich behandelt.

ErP: Achtung, Labelflut!

Denn auch beim aktuell heiß diskutierten Thema „Ökodesign“ bzw. „Energie­label“ spielt die Wohnraumlüftung nicht gerade die „erste Geige“: Müssen Hersteller von Heizkesseln, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerken, Warmwasserbereitern und Warmwasserspeichern sowie Kombiheizgeräten ihre Produkte schon ab dem 26. September 2015 labeln, so werden Wohnraumlüftungsgeräte erst ab dem 1. Januar 2016 mit Mindestanforderungen an die Energieeffizienz ausgestattet und tragen erst ab diesem Stichtag ein entsprechendes Energielabel. Von der europäischen Ökodesign-/ErP-Richtlinie waren im Bereich der Raumlufttechnik bisher nur Raumklimageräte und Ventilatoren betroffen. Seit 2013 müssen Raumklima­geräte bei einer Kühlleistung bis 12 kW in Energieeffizienzklassen A+++ bis D ein­gestuft werden, ein entsprechendes Energielabel tragen und im Kühlbetrieb mindestens die Anforderungen der Energieeffizienzklasse A erfüllen. Seit 2013 gelten Mindestanforderungen auch für Ventilatoren ab einer Leistung von 125 W.

Beispiel für ein Energielabel eines dezentralen Abluftgeräts.
Quelle: FGK
Beispiel für ein Energielabel eines dezentralen Abluftgeräts.

Beispiel für ein Energielabel eines zentralen Abluftgeräts.
Quelle: FGK
Beispiel für ein Energielabel eines zentralen Abluftgeräts.

Raumlufttechnische Zentralgeräte müssen nun ab 1. Januar 2016 Mindestan­forderungen in Bezug auf die Ventilatorstromaufnahme und die Effizienz der Wärmerückgewinnung einhalten. Wohnraumlüftungsgeräte müssen ab 1. Januar 2016 mindestens so viel Primärenergie einsparen wie sie verbrauchen und ein Energielabel tragen (A+ bis G). Geräte mit einem Nennluftvolumenstrom von bis zu 1.000 m³/h werden dabei generell als Wohnraumlüftungsgerät behandelt. Ausnahmen gibt es für kleinere Abluftgeräte mit einer Leistung von unter 30 W (z. B. Ventilatoren für die Bad- und Toilettenentlüftung nach DIN 18017-3) sowie für Geräte zwischen 250 und 1.000 m³/h, wenn sie als RLT-Geräte für den Einsatz in Nichtwohngebäuden deklariert werden. Diese Geräte müssen kein Energielabel tragen. Ab 1. Januar 2018 werden die Anforderungen weiter erhöht, dann müssen die Wohnraumlüftungsgeräte mindestens Effizienzklasse D erreichen und den Lüftungswärmebedarf des Wohngebäudes in etwa halbieren.

Das EU-Energielabel klassifiziert die betroffenen Wohnraumlüftungsgeräte mittels eines Kennwerts für den „spezi­fischen Energieverbrauch“ – SEV (s. Tab.). Dieser Wert gibt die mögliche Primärenergieeinsparung (Stromverbrauch Ventilatoren minus Heizenergieeinsparung) des Lüftungsgeräts im Vergleich zu einer Fensterlüftung gleicher Luftqualität wieder. Das heißt, je kleiner („je negativer“) dieser Wert, desto mehr Energie spart das Gerät ein. Der Kennwert SEV setzt sich aus folgenden Geräteeigenschaften zusammen:

  • Ventilatoren (Stromverbrauch und Regelung),
  • Wärmerückgewinnung (Art und Güte),
  • Regelung der Geräte (manuell, zeit- oder bedarfsgesteuert mittels Luftqualitätssensoren).

Außerdem informiert das Energielabel über den Nennluftvolumenstrom und den Schallleistungspegel des Geräts.

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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