KWK

Flüssiggas statt Erdgas

Dienstag, 04.04.2023

Stadtwerke sperren sich

Allerdings bedarf der Verbund mit dem Nachbarn auf der anderen Straßenseite im Zug der Baugenehmigung der Zustimmung des Konzessionsinhabers, zumindest was den elektrischen Strom angeht. In Stade sagten die Stadtwerke als Konzessionsinhaber leider Nein. Die Stadt hätte die Untertunnelung der Fahrbahn zugelassen, sodass sich beide Einfamilienhäuser die Wärme hätten teilen können, doch sperrte sich der Versorger gegen die gegenseitige Stromlieferung. Gegenseitig heißt: im Winter Strom aus dem BHKW des einen, im Sommer Strom aus der bestehenden PV-Anlage auf dem Dach des anderen Partners. Ausschließlich die Straße für ein Nahwärmenetz mit einer maximalen Leistung von letztlich wenigen kW zu unterbrücken, lohnte demgegenüber den Aufwand nicht.

Erste Erkenntnis aus Stade: Eine nachhaltige Wärmewende setzt die Zustimmung des Versorgers voraus.

Der Ärger währte aber nicht lange. Mehr der Zufall bescherte eine abgeschwächte, aber ebenfalls attraktive Alternative. Beim Nachbarn auf derselben Straßenseite ging die betagte Erdgastherme defekt. Was tun? Da Öl und Gas nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen, tauschte sich der Eigentümer mit Felix Kruse aus. Beide rechneten den Nahwärmeverbund aus. Da in diesem Fall keine Straße teuer untertunnelt werden musste, sprach die Kalkulation für den Anschluss an das „XRGI 6“ des Hochschuldozenten. Zudem förderte das BAFA die Ankoppelung an einen solchen Wärmeverbund bis August 2022 noch mit 35 Prozent. Nach der Bewilligung der Bezuschussung begannen in Eigenleistung die Erdarbeiten: Am Wochenende und nach Feierabend mit der Schaufel, Meter für Meter. Insgesamt waren 24 m Leitung zu verlegen.

Bauherr Felix Kruse (li.) gemeinsam mit Hauke Leidecker, Betriebsleitung bei Karl Meyer Energiesysteme, am Blockheizkraftwerk.
Quelle: Kruse
Bauherr Felix Kruse (li.) gemeinsam mit Hauke Leidecker, Betriebsleitung bei Karl Meyer Energiesysteme, am Blockheizkraftwerk.

Hohe Vorlauf-, niedrige Rücklauftemperaturen

Die staatliche Unterstützung zur Errichtung von Wärmenetzen setzt voraus, dass mindestens 75 Prozent der erzeugten Wärme aus der KWK oder erneuerbaren Energien stammen. Die Kombination BHKW plus Wärmepumpe übererfüllt die Auflage. Generell lässt der Gesetzgeber dem Erbauer ab Inbetriebnahme 36 Monate Zeit, um diese Bedingung zu erfüllen. Unabhängig von der Größe des Wärmenetzes muss ein Wirtschaftsprüfer die Ordnungsmäßigkeit bestätigen (die Kosten für den Wirtschaftsprüfer zählen jedoch nicht zu den förderfähigen Ausgaben).

Der Nahwärmeverbund läuft seit 1. Juni 2022, „bislang ohne Probleme und zur beiderseitigen Zufriedenheit“, wie Felix Kruse sagt. In den ersten Monaten fehlte allerdings noch wegen Lieferschwierigkeiten die Heizungswärmepumpe. „Trotzdem, die gesamten Fixkosten eines üblichen Spitzenlastkessels als zweite Heizung wie Grundgebühr für Gas, jährliche Regelwartung, Schornsteinfegergebühren usw. entfallen. Das spart schon mehrere hundert Euro im Jahr“, rechnet der Investor vor. Zudem läuft das BHKW durch den Anschluss des zweiten Hauses deutlich länger und mit höherer Leistung, was die Erzeugungskosten pro Kilowattstunde Wärme senkt.

Die Temperatur im Nahwärmenetz variiert, um die Wärmeverluste zu verringern. „Basis ist eine Außentemperatur geführte Regelung. Die Temperatur in der Nahwärmeleitung ist dann gerade so hoch, dass der Heizkörper-Heizkreis im Nachbarhaus gut versorgt wird. Da die dortigen Radiatoren großzügig dimensioniert und hydraulisch auch abgeglichen sind, bedarf ihr Kreis nur wenig mehr Vorlauftemperatur als die Fußbodenheizung im Verbund. Rechnerisch genügen 42 °C bei -10 °C Außentemperatur“, so der Bauherr. „In der Übergangszeit fahren wir mit etwa 30 bis 35 °C. Nur wenn der 200-l-Pufferspeicher der Frischwasserstation im Nachbarhaus beladen wird, geht die Nahwärmetemperatur für die Dauer des Beladevorgangs auf kurzzeitig 65 °C hoch“. Eine Brauchwarmwasser-Vorrangschaltung nimmt in diesen Phasen die Heizkreise des Verbundpartners vom Netz.

Nur ein Einspeisepunkt

Bei den Bauarbeiten kamen auch gleich Leerrohre für den Stromverbund in den Graben beziehungsweise das verwendete flexible und vorgedämmte Rohrsystem für die Nahwärmeversorgung „Ecoflex Quattro“ von Uponor enthält entsprechende Kanäle. In denen liegen eine 5 x 16 mm2 sowie eine 7 x 2,5 mm2 Stromleitung. Zudem noch zwei Cat7-Netzwerkkabel für eine LAN-Verbindung. Aus Sicherheits- und auch aus Abrechnungsgründen darf es indes bei einem Stromverbund nur einen Bezugs- bzw. Einspeisepunkt in die öffentliche Verkabelung geben. Das zweite Haus musste mithin vom Netz. Die lokalen Stadtwerke gaben sich mit dem Herausschrauben der Sicherungen aus dem Hausanschlusskasten zufrieden, anstatt die Leitung vor dem Haus physisch zu kappen.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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