KWK

Kurkomfort aus der Mittelplate

Erdölbegleitgas für die Kraft-Wärme-Kopplung

Freitag, 20.01.2023

Erdgas, LNG, Flüssiggas, LPG – und Erdölbegleitgas: Ein relativ unbekannter Energieträger dürfte die Ausnahme als Brennstoff für zum Beispiel Blockheizkraftwerke (BHKW) bleiben. Aber wegen der steigenden Gas- und Ölpreise gewinnt er an Attraktivität. Deutschlands größte Öllagerstätte Mittelplate bietet es bei der Förderung des fossilen Energieträgers aus 2.000 bis 3.000 m Tiefe quasi als Nebenprodukt an. Von der kleinen Bohr- und Förderinsel am südlichen Rand des schleswig-holsteinischen Wattenmeers gelangt es, nach Trennung und Aufbereitung in der Landstation Friedrichskoog, durch Rohrleitungen in das angebundene Gesundheits- und Therapiezentrum GTZ Friedrichskoog.

Mittelplate - das Erdöl, das aus dem Wattenmeer kommt.
Quelle: Genath
Mittelplate - das Erdöl, das aus dem Wattenmeer kommt.

Erdölbegleitgas ist ein flüchtiger Bestandteil des Erdöls und fällt bei der Rohölgewinnung als Nebenprodukt an. Der Energieträger entsteht bei der Förderung aus der Lagerstätte an die Erdoberfläche, von einigen hundert Bar untertage auf beinahe Atmosphärendruck übertage. Aufgrund der veränderten Druckverhältnisse entspannt sich das homogene Gemisch. Dabei teilt es sich in einen Teil Erdöl und zwölf Teile Erdölbegleitgas auf. Im Vergleich zu normalem Erdgas hat es unter anderem einen etwas höheren Energiegehalt. Erdölbegleitgas firmiert auch unter Leuchtgas und Fettgas – und in der Vergangenheit unter Stadtgas.

Früher – und anderswo auch noch heute – fackelten es die Ölgesellschaften einfach ab. Im Nationalpark Wattensee fließt das Öl-Gas-Gemisch über eine 15-Zoll-Pipeline aus Edelstahl fließt das Öl-Gas-Gemisch von der Insel zur zehn Kilometer entfernt liegenden Landstation Dieksand, wo es geringfügig aufbereitet wird. Es reicht ein Trocknungsprozess, um den Wasseranteil zu entziehen, um anschließend im BHKW des GTZ Arbeit zu verrichten. Das Therapiezentrum entnimmt über eine 850 m lange Pipeline (Durchmesser: 50 mm) den Speichern pro Tag etwa 80 m3.

Wie genau sehen die Versorgungsstrukturen mit Erdölbegleitgas aus? Die HeizungsJournal-Redaktion schaute sie sich in Friedrichskoog an.

Die Kommune liegt im Landkreis Dithmarschen und am Mündungsdelta der Elbe in die Nordsee. Das Gesundheits- und Therapiezentrum Friedrichskoog mit Meerwasser-Thermalbad bietet ein ganzheitliches Konzept für Kur, Spa und Wellness. Den Alltagsstress abstreifen. Draußen, sieben Kilometer vor der Küste Dithmarschens, steht seit Juni 1985 die Bohr- und Förderinsel Mittelplate – noch bevor das Gebiet zum Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer erklärt wurde. Auf diesem Flecken gewinnt Wintershall Dea seit Oktober 1987 aus bis zu 3.000 m Tiefe Erdöl. Jeden Tag etwa 2.500 t. Das Erdölbegleitgas als Beifang des Öls, so würden die Fischer sagen, sorgt für die Klimabehaglichkeit in der Wellness-Oase.

Deutschlands größte Öllagerstätte

Mittelplate gilt als Deutschlands größtes Ölfördergebiet. Der Betreiber Wintershall Dea hat in den 35 Jahren störungsfreier Produktion mittlerweile 40 Mio. t Öl havariefrei gewinnen können. Ursprünglich steckten 120 Mio. t Erdöl im Sandstein; der speichert folglich noch einiges. Die Förderbewilligung läuft deshalb bis Ende des Jahres 2041. Besonders erwähnenswert ist die angewandte horizontale Bohrtechnik. Die ölhaltigen Stockwerke des Dogger-Sandsteins in 2.000 bis 3.000 m Tiefe sind von einigen Quadratkilometern Ausdehnung, messen aber in der Mächtigkeit zum Teil nur einige Meter. Die extrem weit abgelenkten Horizontalbohrungen, mit denen das Öl an die Oberfläche geholt wird, zählen mit bis zu zehn Kilometern Reichweite zu den längsten Bohrungen weltweit. Sie verlaufen von der Insel kommend zunächst vertikal. Eine Navigationselektronik gibt die Richtung vor: Der Computer lenkt den Vormarsch später in die Horizontale ab. Der hydraulische Druck der Spül- und Kühlflüssigkeit treibt Turbine und Bohrmeißel an.

Sicherheit und Umweltschutz gewährleistet ein komplexes Konzept, das alle Anlagenteile durch Überwachungs- und Steuerungssysteme mehrfach kontrolliert. Untertage- und Übertagesicherheitsventile können sowohl automatisch, manuell und per Fernbedienung ausgelöst werden. Jegliche Abfallprodukte, von der Eierschale bis zu verschlissenen Bauteilen, gehen zur Wiederaufbereitung respektive Entsorgung an Land. Nichts gelangt in die Nordsee.

15 kW elektrisch und 30 kW thermisch aus dem mit Erdölbegleitgas befeuerten Blockheizkraftwerk – der Ölkessel (re.) hat ausgedient.
Quelle: Genath
15 kW elektrisch und 30 kW thermisch aus dem mit Erdölbegleitgas befeuerten Blockheizkraftwerk – der Ölkessel (re.) hat ausgedient.

Nicht aggressiv

Selbstverständlich auch kein Öl und kein Erdölbegleitgas. Das Gas hat eine etwas andere Zusammensetzung als Erdgas. „Darauf müssen wir aber technisch nicht reagieren. Die Maschinenelemente kommen damit zurecht“, betont der Technische Betriebsleiter der Karl Meyer Energiesysteme GmbH, Hauke Leidecker. Das Unternehmen hat in Wischhafen, drüben auf der anderen Seite der Elbe, seinen Hauptsitz. Karl Meyer ist KWK-Spezialist und im norddeutschen Raum Premiumpartner des BHKW-Herstellers EC Power. Die Gruppe hat einige Hundert Maschinen dieses Anbieters installiert und im Service. Sie laufen unter der Typenbezeichnung „XRGI“.

Weiterführende Informationen: https://www.ecpower.eu/de/

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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