Erneuerbare Energien

Doppelt Sonne

für vierfachen Ertrag

Freitag, 17.09.2021

PVT-Kollektoren wandeln Sonnenenergie in Strom und Wärme um. Verbunden mit einer Wärmepumpe bilden sie die Kernkomponente hocheffizienter Heizsysteme sowohl für Ein- als auch Mehrfamilienhäuser im Neubau wie im Bestand. Die Projektinitiative „IntegraTE“ will diese zukunftsweisende Technologie einer breiten Öffentlichkeit nahebringen und setzt dabei auf die Strahlkraft zahlreicher Leuchtturmprojekte.

Foto: Im niedersächsischen Harsefeld heizt und kühlt eine fünfköpfige Familie ihr neues Haus mit einer Wärmepumpe, die über ein PVT-Kollektorfeld auf dem Dach die Umgebungs- und Strahlungswärme der Sonne nutzt.
Quelle: Fraunhofer ISE
Im niedersächsischen Harsefeld heizt und kühlt eine fünfköpfige Familie ihr neues Haus bereits seit über einem Jahr mit einer Wärmepumpe, die über ein PVT-Kollektorfeld auf dem Dach die Umgebungs- und Strahlungswärme der Sonne nutzt.

2019 startete der Massivhaushersteller Viebrockhaus in Kooperation mit Nibe ein Feldtestprojekt zum Kennenlernen und Einschätzen von PVT-Wärmepumpen-Systemen. Diese Technologie gewinnt über sogenannte PVT-Kollektoren sowohl Strom als auch Wärme aus Sonnenenergie und beliefert damit eine Wärmepumpe. Die wiederum versorgt den Haushalt mit der notwendigen Energie zum Heizen und für die Warmwasserbereitung. Auch eine Kühlung des Hauses ist bei entsprechender Funktionalität des Systems in den Sommermonaten möglich.

Im niedersächsischen Harsefeld heizt und kühlt eine fünfköpfige Familie ihr neues Viebrockhaus bereits seit über einem Jahr mit einer Wärmepumpe, die über ein 15,8 m2 großes PVT-Kollektorfeld auf dem Dach die Umgebungs- und Strahlungswärme der Sonne nutzt. Aufgrund des modulierenden Betriebs der Wärmepumpe sind weder Wärme- noch Kälte-Pufferspeicher nötig, sondern nur ein Warmwasserspeicher. Ein in die Wärmepumpe integrierter E-Heizstab dient als Unterstützung für sehr kalte Wintertage.

„Wir sind sehr zufrieden mit dem innovativen Heizsystem in unserem Demonstrationshaus“, so Lars Sumfleth, Projektleiter in der Innovationsabteilung von Viebrockhaus. „Das PVT-Wärmepumpen-System braucht ein Drittel weniger Strom als eine Luft/Wasser-Wärmepumpe, weil zusätzlich zu der Umgebungswärme hier auch die Strahlungsenergie der Sonne genutzt wird. Die Familie spart rund 360 Euro im Jahr.“

Das Einfamilienhaus in Harsefeld und die Nibe Systemtechnik mit Sitz im niedersächsischen Celle sind Teil des Projektes „IntegraTE“. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte „Initiative zur Verbreitung von PVT-Solarkollektoren und Wärmepumpen im Gebäudesektor“ will den Bekanntheitsgrad dieser energieeffizienten Technologie steigern. Mit dem Fraunhofer ISE in Freiburg, dem Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart und dem Institut für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH) sind dafür seit Dezember 2019 gleich drei wissenschaftliche Partner gemeinsam am Start. Darüber hinaus unterstützen der BWP (Bundesverband Wärmepumpe), der BDH (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie) und der BSW (Bundesverband Solarwirtschaft) sowie zwölf Industriepartner und die Bielefelder Agentur Solrico das Projekt.

Ziel der für drei Jahre angelegten Initiative ist es, den Status quo der aktuell verfügbaren und eingesetzten PVT-Wärmepumpen-Systeme (PVT-WP-Systeme) zu ermitteln, diese in Bezug auf ihre Energieeffizienz, CO2-Einsparung und Wärmegestehungskosten zu bewerten und über spezielle Tools eine Vergleichbarkeit gegenüber alternativen Energieversorgungssystemen herzustellen. Darüber hinaus stehen das Monitoring und die Optimierung bestehender PVT-WP-Anlagen sowie die Konzeption und Umsetzung von Marketingmaßnahmen auf der „to-do“-Liste der Projektpartner.

Grafik: Funktionsschema der Anlage im Mehrfamilienhaus in Bochum: Der ehemalige Öltank dient als Wärmequelle für die Sole-Wärmepumpe und speichert über einen Elektro-Heizstab überschüssigen PVT-Strom.
Quelle: Projektinitiative „IntegraTE“
Funktionsschema der Anlage im Mehrfamilienhaus in Bochum: Der ehemalige Öltank übernimmt hier eine intelligente Doppelfunktion. Er dient als Wärmequelle für die Sole-Wärmepumpe, sodass auf eine Erdbohrung verzichtet werden kann, und speichert über einen Elektro-Heizstab überschüssigen PVT-Strom.

Ehemaliger Öltank als Speicher für die Wärmepumpe

PVT-WP-Systeme sind nicht nur für neue Einfamilienhäuser eine energieeffiziente und innovative Heiztechnologie. Auch in Mehrfamilienhäusern und in Bestandsbauten können PVT-WP-Systeme eingesetzt werden und die Energiebilanz der Gebäude signifikant verbessern. Dies beweist unter anderem ein Mehrfamilienhaus in Bochum aus dem Jahre 1976 – ein weiteres Leuchtturmprojekt im Rahmen von „IntegraTE“.

Hauseigentürmer Jens Wellen suchte eine ökologische Alternative zur Ölheizung. Die niedrigen Betriebskosten überzeugten den Schornsteinfegermeister von der Wärmepumpenanlage mit PVT-System auf dem Dach. Günstig wird das Heizen in dem Sechs-Parteien-Haus dadurch, dass die Wärmepumpe die Solarenergie optimal ausnutzt: Der Solarstrom aus der 20,4 m2 großen PVT-Anlage treibt direkt die Wärmepumpe an und die Solarwärme erhöht die Effizienz des Heizsystems. „Überzeugt hat mich die zukunftsweisende Heiztechnologie des PVT-Wärmepumpen-Systems, die sich sehr gut in die vorhandene Infrastruktur unseres Mehrfamilienhauses integrieren ließ“, begründet Jens Wellen seine Entscheidung. „So erreichen wir über den ehemaligen 12.500-Liter-Öltank als Speicher für die Sole-Wärmepumpe eine deutliche Effizienzverbesserung der Anlage.“

Der Umstieg von Öl auf dieses solarbetriebene Heizsystem lohnt sich aktuell mehr denn je. Denn aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gibt es Zuschüsse von 45 Prozent der Gesamtkosten, in diesem Fall wären das knapp 26.000 Euro.

Das neue Heizsystem in Bochum basiert auf dem „Duo-Hybrid“-Konzept von Giersch Enertech, welches die regenerative Wärmepumpentechnologie als Grundlast-Heizung mit einer Gas-Brennwerttherme für kalte Wintertage intelligent verknüpft. Solange die Solarwärme vom Dach mindestens 5 °C aufweist, versorgt die Wärmepumpe das Mehrfamilienhaus mit Energie für Warmwasser und Heizung. Darunter schaltet sich das Gas-Brennwertgerät ein. Damit das Zusammenspiel gut funktioniert, steuert ein programmierbarer Regler alle Komponenten. Die Umschaltung zwischen Wärmepumpe und Brennwertgerät erfolgt in Abhängigkeit der Temperaturen des Quellenspeichers sowie der Außenluft.

Foto: PVT-Kollektoren auf dem Dach der Seniorentagesstätte Johannesberg.
Quelle: St. Johannesverein
16 von 32 PVT-Kollektoren auf dem Dach der Seniorentagesstätte Johannesberg.

Klimaneutrale Wärmeversorgung für Seniorentagesstätte

Auch im Neubau der Seniorentagesstätte Johannesberg (Bayern) kommt die PVT-WP-Technologie zum Einsatz. Der St. Johannesverein entschied sich gemeinsam mit der Caritas-Sozialstation St. Stephanus für die Nutzung des Gebäudedaches zur größtmöglichen CO2-Einsparung. Statt alternativ eine Luftwärmepumpe mit einer PV-Anlage zu kombinieren, trägt das Dach heute 32 PVT-Kollektoren, die das Gebäude mit emissionsfreiem Strom versorgen und gleichzeitig der Wärmepumpe Solarwärme liefern.

Die Planer von PA-ID Process, Kleinostheim, und Faire Wärme, Hösbach, sind mit dem Betrieb des Heizsystems in der Seniorentagesstätte sehr zufrieden: So erzielte die Wärmepumpe in den ersten neun Betriebsmonaten eine durchschnittliche Arbeitszahl von 4,9 – und das trotz des erheblichen, zusätzlichen Lüftungsbedarfs aufgrund der Corona-Pandemie. Unter Normalbetrieb rechnen die Planer mit einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von über 5.

Um diese hohe Effizienz zu erreichen, stehen der Wärmepumpe drei Wärmequellen zur Verfügung, die über den Quellenspeicher als hydraulische Weiche geregelt werden: Die Abluft der meist auf 23 °C geheizten Innenräume wird der Wärmepumpe über eine Abluft-Wärmerückgewinnung permanent zugeführt. Solange die PVT-Solarwärme vom Dach Temperaturen über 0 °C liefert, wird auch diese Energie für den Betrieb der Wärmepumpe genutzt. Sinkt die Soletemperatur weiter ab, werden vier Erdwärmekörbe als Unterstützung hinzugeschaltet. Überschüssige Wärme aus den PVT-Kollektoren im Sommer wird zur Regeneration der Erdwärmekörbe genutzt. Dies geschieht aber nur bis zu einem bestimmten Grad, da das Gebäude im Sommer über die Erdkälte gekühlt wird.

„Dank der Solarenergie und der Erdwärme können wir unseren Neubau überwiegend CO2-neutral mit Strom und Wärme versorgen“, resümiert Gerhard Zang, Vorstand der Caritas-Sozialstation St. Stephanus e.V. und Betreiber der Tagesstätte Johannesberg. „Die Mehrkosten von rund 30.000 Euro für das PVT-Kollektorfeld auf dem Dach und die Erdwärmekörbe im Garten amortisieren sich durch die Stromkostenersparnis in rund zehn Jahren. Wir werden diese Technik aufgrund der guten Erfahrungen nun auch in unseren beiden neuen Großprojekten einsetzen.“

Viermal mehr Gesamtenergie als PV-Kollektor

Die effiziente Flächennutzung, das einheitliche Erscheinungsbild und die Verbesserung der Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe durch die Sonnenenergienutzung sind die wesentlichen Vorteile von PVT-Kollektoren. Über das Jahr hinweg produzieren diese etwa viermal mehr Gesamtenergie, also Wärme und Strom, als eine Photovoltaikanlage mit der gleichen Fläche.

Die Datenblätter zu den Demonstrationsprojekten finden Sie hier: https://bit.ly/3yqSUKs

Weitere Informationen zum „IntegraTE“-Projekt:

Claudia Scholl-Haaf, IGTE Universität Stuttgart, claudia.haaf@igte.uni-stuttgart.de

Dr. Korbinian Kramer, Fraunhofer ISE Freiburg, korbinian.kramer@ise.fraunhofer.de

Peter Pärisch, ISFH Hameln, paerisch@isfh.de

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