Wärme

Der Tanz der Moleküle

Interview mit Dr. Ernst-Moritz Bellingen vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V. (en2x)

Dienstag, 09.07.2024

Um die Klimaziele zu erreichen und zugleich die Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern und Rohstoffen sicherzustellen, müsse Deutschland neben der Stromwende nun auch schnell eine Molekülwende in Gang bringen.

Die Herausforderungen dafür seien jedoch immens, so Dr. Ernst-Moritz Bellingen, Leiter Wärmemarkt beim Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V. (en2x), gegenüber der HeizungsJournal-Redaktion.

Quelle: Adam Whitlock/Unsplash

Herr Bellingen, der en2x kümmert sich um die Belange allerlei Sektoren, in denen flüssige und gasförmige Brenn- und Kraftstoffe verwendet werden. Welchen Stellenwert hat denn da konkret der Sektor „Wärme“?

Die Mineralölwirtschaft arbeitet hierzulande an ihrer Transformation: weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Produkten. Umso wichtiger ist es, neben der Stromwende nun schnell auch eine Molekülwende in Gang zu setzen. Der Wärmemarkt ist dabei ein wichtiger Sektor für das Erreichen der Klimaziele. Derzeit entfallen 33,5 Prozent des Endenergieverbrauches auf Raumwärme und Warmwasser – und beides wird überwiegend molekülbasiert produziert. Die Reduzierung des Energiebedarfs, mehr Effizienz bei der Energienutzung, Hybridisierung unter Einbindung erneuerbarer Energien oder die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien sind die Schlüssel, um im Wärmesektor die Klimaziele zu erreichen. Neben einer zunehmenden Elektrifizierung können auch grüne Moleküle, also regenerative Brennstoffe, bei der Wärmewende eine Rolle spielen. Die en2x-Mitgliedsunternehmen wollen daher weiterhin mit ihren Produkten zur Wärmeversorgung der Gebäude in Deutschland beitragen.

Das Thema „Hauswärme“ erhielt mit den Diskussionen rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – im Volksmund: „Heizungsgesetz“ – zumindest medial eine große Aufmerksamkeit. Wie haben Sie vor allem das vergangene Jahr, speziell aus der Perspektive der Ölheizung bzw. Öl-Hybridheizung, wahrgenommen?

Die in den Medien und der Öffentlichkeit zum Teil sehr emotional geführte Debatte um das GEG hat gezeigt, wie herausfordernd die Transformation des Wärmemarktes ist. Geschuldet ist dies insbesondere der enormen Diversität: Unterschiede in Sachen Siedlungsstruktur und Bausubstanz treffen auf eine enorme Vielfalt individueller Ansprüche und Möglichkeiten. Hinzu kommt: Energetische Modernisierungsmaßnahmen, von denen der Heizungstausch nur ein Teil ist, können Kosten im hohen fünfstelli-gen oder sogar im sechsstelligen Bereich verursachen. Geld, über das viele Menschen gar nicht verfügen oder das sie zur Altersabsicherung vorgesehen haben. Vor diesem Hintergrund und nach langen Diskussionen ermöglicht das GEG daher nun eine breite Auswahl an Erfüllungsoptionen im Modernisierungsfall.

Die offiziellen Zahlen zum deutschen Heizungsmarkt 2023 vom BDH liegen vor: klares Plus für die konventionellen Heiztechniken. Prozentual am stärksten wuchs dabei die Öl-Brennwerttechnik. Haben Sie mit solch starken Ausschlägen gerechnet?

Es stimmt: Ölheizungen konnten besonders starke prozentuale Zuwächse verbuchen, allerdings auch ausgehend von einem eher niedrigeren Niveau. Dennoch wurden so viele Ölgeräte abgesetzt, wie seit 2009 nicht mehr. Damit sind in einem Jahr rund zwei Prozent des Ölheizungsbestandes durch neue Ölheizungen ersetzt worden. Das ist beachtlich, dürfte aber primär auf Sondereffekten beruhen, so wie das auch der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) einschätzt. Gerade die eben er-wähnte Debatte um die GEG-Novelle hat wohl für eine gesteigerte Nachfrage bei der Modernisierung von Öl- und Gasheizungen gesorgt.

Quelle: en2x
„Derzeit gibt es bundesweit rund 5,1 Millionen Ölheizungen. Rund drei Millionen der ölbeheizten Gebäude liegen abseits der Gas- und Wärmenetze. Aus technischen oder finanziellen Gründen lässt sich nicht jedes Haus mit Ölheizung ohne Weiteres auf einen anderen Energieträger umstellen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist es daher notwendig, durch effiziente und sozialverträgliche Lösungen die Treibhausgasemissionen von Gebäuden mit Ölheizung zu reduzieren“, betont Dr. Ernst-Moritz Bellingen.

Nun wird in der Branche schon seit geraumer Zeit – gerade im Kontext neu installierter Ölheizungen – vom sogenannten „lock-in“-Effekt gesprochen; frei übersetzt: ein Blockieren der Wärmewende durch jene Investitionen gerade von Eigentümern von Wohngebäuden. Wie argumentieren Sie?

Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, zudem sind die Modernisierungsansätze für die unterschiedlichen Gebäude sehr verschieden. Für das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor ist daher eine Vielfalt von Technologien erforderlich. Derzeit gibt es bundesweit rund 5,1 Millionen Ölheizungen. Die meisten sind in Ein- und Zweifamilienhäusern und stehen in ländlichen Regionen oder am Rand von Ballungsgebieten. Rund drei Millionen der ölbeheizten Gebäude liegen abseits der Gas- und Wärmenetze. Aus technischen oder finanziellen Gründen lässt sich nicht jedes Haus mit Ölheizung ohne Weiteres auf einen anderen Energieträger umstellen. Um die Klimaziele zu erreichen, ist es daher notwendig, durch effiziente und flexible Lösungen die Treibhausgasemissionen von Gebäuden mit Ölheizung zu reduzieren. Hier wäre der Einsatz von hybriden Heizsystemen, beispielsweise die Kombination einer Ölheizung mit einer Wärmepumpe eine sinnvolle Modernisierungsoption. Ebenso könnte der Einbau eines neuen Brennwertgeräts bei Einsatz von Brennstoffen mit dem erforderlichen Anteil erneuerbarer Komponenten die Vorgaben des GEG erfüllen.

Weiterführende Informationen: https://en2x.de/

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