Wärme

Warum wird die Heizung digital?

Koordination der Systeme ist essentielle Basis

Donnerstag, 08.03.2018

Alle Welt redet von der Digitalisierung. Ist nun also auch die Heizung dran? Die EEBUS Initiative zeigt, wie und wo sich die Heizung gewinnbringend vernetzen lässt, ohne dass Heizungsfachleute Netzwerktechnik studieren müssen.

Ein Heizungsthermostat.
Quelle: Delphotostock / https://de.fotolia.com/
Vielfältige Möglichkeiten: Vernetzte Heizungen können z.B. über das Internet die Wettervorhersage für die kommenden Tage abrufen und entsprechend reagieren.

Viel wird dieser Tage über die Digitalisierung diskutiert – häufig zu viel und zu aufgeregt. Wenn Experten sich darüber auslassen, das "Internet of Things" (kurz: IoT) dominiere künftig unseren Alltag und ohne Sprachsteuerungen wie "Amazon Alexa" oder "Google Home" ginge künftig im digitalen Zuhause gar nichts mehr, dann verkennen sie eines: Die Technik, mit der wir uns umgeben, ist immer nur so intelligent, wie wir sie machen.

Ein Smart Home etwa wird nicht dadurch schlau, dass man über einen definierten Sprachbefehl das Licht zum Beispiel im Badezimmer ein- und ausschalten kann. Denn eine Person, die diesen speziellen Befehl für das Bad nicht kennt, steht dann im Dunkeln. Viele Trends im IoT sind bereits gekommen und wieder gegangen, da sie schlicht unpraktisch waren.

Die Steuerung des Hauses per App aus der Ferne ist sicherlich eine nette Applikation: Im Alltag spielt sie allerdings nur selten eine Rolle – beispielsweise wenn man im Urlaub überprüfen will, ob das vielzitierte Bügeleisen aus­geschaltet ist.

Auf die Anwendung kommt es an

Warum also sollte sich die Heizungsanlage ins Internet begeben, sich digitalisieren, so der neudeutsche Ausdruck?

Wir sprechen hier nicht in erster Linie davon, dass man im Rahmen eines Smart Home-Systems die Temperatur in einzelnen Räumen nach festgelegten Programmen hoch und runter regeln lassen kann. Dafür gibt es unzählige Lösungen von preiswerten Heizungsventilen bis zu hoch integrierten Gesamtpaketen.

Die Heizungsanlage, egal ob Gas-Etagentherme, Wärmepumpe, Brennwertkessel oder Luftheizung, ob mit oder ohne großem Wärmespeicher, "werkelt" in der überwältigenden Mehrheit der installierten Anlagen allein vor sich hin. Sie wird geregelt, indem sie die Außentemperatur kennt, vielleicht noch die Raumlufttemperatur und indem sie auf die Rücklauftemperatur reagiert und so den Heizwärmebedarf in den einzelnen Räumen bedient.

Die Grafik zeigt, mit welchen Geräten der Einzelraumregler von Viessmann im Smart Home verbunden ist.
Quelle: Viessmann
Eine Anwendung der digitalen Vernetzung ist es, die Funktion des Heizgeräts direkt mit den realen Zuständen und Ventilstellungen in einzelnen Räumen und mit dem Nutzerverhalten zu verbinden. Die Heizungsregelung soll damit effizienter werden.

Hier gibt es eine ganze Reihe von Anwendungen, für die eine Vernetzung der Heizungsanlage sinnvoll ist – innerhalb des Hauses wie auch darüber hinaus. App-Bedienung oder Sprachsteuerung ist damit natürlich auch möglich, eine Notwendigkeit stellen diese Funktionen aber nicht dar. Bei der Heizung als größtem Energieverbraucher im Gebäude geht es in erster Linie um einen möglichst effizienten Einsatz von Energie. Und darüber gibt es wahrlich viel zu kommunizieren!

Alle Mann an Bord – oder nicht?

Smart Homes haben in der Regel zwei Basis-Betriebsarten: Ist jemand zuhause oder nicht? Besonders schlaue Systeme wissen automatisch, wie weit die Bewohner entfernt sind, ob sie das Haus verlassen oder sich in der Rückkehr befinden.

Diese Betriebsart zu wissen, ist für ein Heizgerät durchaus interessant. Es kann dann etwa die Vorlauftemperatur absenken und so effizienter für eine geringere Raumwärmezufuhr sorgen. Voraussetzung für diese Funktion ist, dass die Heimsteuerung eben nicht nur Heizkörper und Fußbodenheizkreise drosselt, sondern auch die Zentralheizung über die Abwesenheit informiert.

Eine weiter optimierte Heizungsregelung ist möglich, wenn die Heizung über das Internet die Wettervorhersage für die kommenden Tage kennt: Kommen mildere Temperaturen oder klirrender Dauerfrost? Vor allem mit langsam reagierenden Fußbodenheizungen lässt sich mit dieser Information die Wärmeübergabe effektiver gestalten und ebenfalls die Betriebsart des Wärmeerzeugers optimieren – damit die Wohnung weder überheizt wird noch auskühlt.

Die Heizung im Energienetzwerk des Hauses

Vor allem aber kann eine vernetzte Heizung wichtige Anforderungen der Energiewende erfüllen. Es ist heute schon klar, dass der Wandel zu regenerativen Energiequellen große Veränderungen für den Verbraucher bringt – und für die Art, wie wir unsere Gebäude beheizen.

Wenn der Wind bläst und die Sonne brennt, dann ist heute schon Strom im Überfluss verfügbar. Bei Dunkelflaute dagegen müssen zusätzliche Kraftwerke anspringen. Neben der Speicherung von Energieüberschüssen wird deshalb auch die Verteilung und Steuerung des häuslichen Verbrauchs immer wichtiger.

In sogenannten "Prosumer"-Haushalten, also Häusern, die Energie über Photovoltaik produzieren und zugleich auch Energie-Konsumenten sind, geht es beim Energiemanagement heute schon darum, möglichst viel selbst erzeugte Energie im Haus zu nutzen oder zu speichern.

Das funktioniert nur digital vernetzt: Der PV-Wechselrichter muss mit der Hausbatterie, der Wärmepumpe und etwa der E-Auto-Ladestation klären, wann welcher Verbraucher überschüssige Energie nutzen oder Stromüberschüsse in Form von Wärme oder Strom speichern kann. Dafür müssen die verschiedenen Geräte miteinander kommunizieren – in der Regel über das Datennetzwerk.

Die Grafik zeigt, wie der
Quelle: Vaillant
Der "multiMATIC 700"-Regler von Vaillant bindet zusammen mit dem Internet-Gateway "VR920" neue wie auch ältere Heizungsanlagen des Herstellers in ein übergreifendes Energienetzwerk ein. Über das Netzwerk-Gateway wird der Kontakt zu anderen EEBUS-kompatiblen Geräten im Haus hergestellt. Neben EEBUS kann der "multiMATIC 700"-Regler die Heizungsanlage auch in eine KNX-Gebäudesteuerung oder die Smart Home-Plattform "Qivicon" der Deutschen Telekom einbinden.

Sektorenkopplung: Ein Baustein der Energiewende

Energieexperten unterschieden vor allem drei große Bereiche, in denen die Gesellschaft Energie aufwendet: Wärme, Mobilität und allgemeiner Stromverbrauch. Zur Erinnerung: Bis vor kurzem waren diese Bereiche weitgehend getrennt – mal abgesehen von ein paar Elektroheizungen, die sich aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts herüberretten konnten.

Mit der Energiewende entwickelt sich der Strom, überwiegend aus Sonne und Wind, zum Leit-Sektor bzw. -Energieträger. Oder anders ausgedrückt: Ist er verfügbar, dann können alle heizen und ihre Autos laden, herrscht Flaute bei Nacht, wird es eher zäh.

Um die Energieanforderungen der verschiedenen Bereiche des Lebens zu koordinieren, wurde der Begriff der "Sektorenkopplung" geboren.

Für eine stabile Energieversorgung müssen sich klassische Stromverbraucher, (elektrische) Heizungen und künftig Elektroautos darüber austauschen, wer wann wie viel Strom verbraucht. Das wiederum klappt nur durch eine vernetzte Kommunikation, durch digitales Energiemanagement.

Die Heizung spielt dabei eine besonders wichtige Rolle: Sie beansprucht bis dato mit durchschnittlich über 60 Prozent den größten Teil des gesamten Gebäudeenergiebedarfs in Deutschland. Und sie lässt sich mit überschaubarem Aufwand flexibel nutzen, etwa über einen großen Wärmespeicher, der sich zusätzlich zu einer Gastherme etwa auch über einen elektrischen Heizstab mit kostenlosem Sonnenstrom erwärmen lässt.

Doch die Heizung trägt auch entscheidend zum Komfort und Wohlergehen bei: Die Waschmaschine oder das E-Auto können im Notfall auch mal warten. Ist die Raumlufttemperatur aber dauerhaft zu tief, dann geht es den Bewohnern ans Gefühl und an die Gesundheit. Umgekehrt kann die Erwärmung des Brauchwassers unterbrochen werden, wenn die Energie dringend anderswo benötigt wird. Was zeigt: es macht Sinn, dass sich die Geräte über Energie unterhalten.

Die Heizungsbranche vernetzt sich selbst

Das übergreifende Energiemanagement im Haus ist allerdings kein Selbstläufer. Es gibt bereits heute unzählige Smart Home-Steuerungsprotokolle, die nebeneinander existieren und nur schwerlich zusammenarbeiten. Viele Heizungshersteller bieten zwar Schnittstellen zur Gebäudeleittechnik wie dem KNX-Busstandard sowie dem einen oder anderen Funksystem an.

Doch längst ist nicht sicher, dass dann etwa die Photovoltaikanlage und weitere Hausgeräte ebenfalls mit diesem System zusammenarbeiten. Da die verschiedenen Technikbereiche im Haus von unterschiedlichen Unternehmen geplant und installiert werden, ist die Koordination der Systeme die größte Herausforderung für ein erfolgreiches Energiemanagement.

Die Heizungsbranche hat in den letzten Jahren erkannt, dass Thermen, Kessel, Wärmepumpen und alle anderen Wärmeerzeuger sich in das Energienetzwerk im Haus einbinden müssen. Und, dass dafür eine standardisierte und offene Kommunikation notwendig ist – eine gemeinsame Sprache für Energie, die alle Sektoren miteinander verbindet und zwischen ihnen übersetzt, ohne dass man sich dafür in die Hände von großen, US-amerikanisch dominierten Vernetzungssystemen begeben muss.

Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) hat sich die Heizungsbranche deshalb der EEBUS Initiative angeschlossen. Im Rahmen des Vereins haben die großen Heizungshersteller selbst dafür gesorgt, dass ihre Produkte mit Photovoltaiksystemen, Smart Homes und etwa E-Auto-Ladeeinrichtungen kommunizieren – unabhängig vom jeweiligen Hersteller und vor allem, ohne dass sich Heizungsinstallateure zu Netzwerk-Experten ausbilden lassen müssen. Möglichst "Plug and Play" muss hier die Anforderung an solche Systeme sein.

Infografik zu den Komponenten des Smart Home-Systems von Bosch.
Quelle: Bosch
Heizungsanlagen von Buderus und Junkers lassen sich über eigene Netzwerk-Gateways der Hersteller lokal und übers Internet fernsteuern. Für ein übergreifendes Energiemanagement entwickelt Bosch Thermotechnik einen EEBUS-kompatiblen Energiemanager, der in das Smart Home System von Bosch integriert wird.

Vom Smart Home zum Smart Grid

Was heute vor allem in Häusern mit Photovoltaikanlagen gilt, entwickelt sich rasant für alle Nutzer weiter. Auch die Energieversorgung über das öffentliche Netz befindet sich durch die Energiewende im Wandel. Zum einen wird mit der schrittweisen Ablösung fossiler Brennstoffe die elektrische Energie eine immer größere Rolle spielen. Hier ist oft von der "All Electric Society" die Rede.

Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass alle Geräte und Anlagen künftig nur noch elektrisch angetrieben werden. Doch die Verfügbarkeit von Strom wird mehr und mehr festlegen, wann die Energie aus allen Trägern günstiger oder teurer zu haben ist. Strom wird mittags bei windigem Wetter künftig viel billiger zur Verfügung stehen als bei Dunkelflaute an einem Winter-Nachmittag. Dann müssen neben den knappen regenerativen Energieträgern beispielsweise Gaskraftwerke im großen Stil für die Stabilisierung der Stromnetze sorgen. Das kann auch die Gaspreise beeinflussen.

Auch wenn die Szenarien der Energiewende noch nicht im Detail klar sind, kann man eines festhalten: Die Tage der Energieversorgung zu immer gleichen Tarifen und Konditionen sind gezählt. Stattdessen beeinflusst die Verfügbarkeit mehr und mehr den Preis.

Die gute Nachricht: Eine intelligente Heizung, die mit der übrigen Haustechnik, mit dem Internet und künftig mit dem Smart Grid verbunden ist, kann auf variable Preissignale reagieren und dann ihren Wärmespeicher füllen, wenn Energie möglichst günstig ist. So werden in Zukunft vor allem die Anlagen sparsam funktionieren, die ihren Energieverbrauch flexibel regeln und dafür auch mit anderen Geräten im Haus und dem Smart Grid sprechen – zum Beispiel über einen EEBUS-kompatiblen Energiemanager.

Infografik zur digitalen Heizung mit EEBus.
Quelle: EEBus
Energie-Übersetzer: Der EEBUS-Standard bietet eine gemeinsame Sprache für das vernetzte Energiemanagement – etwa zwischen Photovoltaik, E-Mobility, Hausgeräte, Smart Home und der vernetzten Heizung. Dabei ist kein bestimmter Bus- oder Netzwerkstandard vorgeschrieben. In der Praxis erfolgt die Kommunikation aber meist über das gleiche Datennetzwerk, das auch PCs, Tablets und Smartphones nutzen.

Von Josef Baumeister
Geschäftsführer EEBus Initiative e.V.
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Mittwoch, 10.04.2024

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