Wärme

Es begann mit einer Enttäuschung

„LichtAktiv“-Haus als gelungene Kombination aus Gebäudehülle und -technik

Freitag, 21.05.2021

„Mir kam die Idee, statt Gemüse unter dem Dach besser Energie auf dem Dach des Gewächshauses anbauen zu lassen und den Raum als Carport zu nutzen“, so Katharina Fey, ehedem Studentin an der TU Darmstadt und Entwerferin des „LichtAktiv“-Hauses im Hamburger Stadtteil Wihelmsburg. Im Rahmen eines Wettbewerbs hatte sie vor gut zehn Jahren das Standard-Siedlungshaus aus den 1940er-Jahren entsprechend umgezeichnet. Ihre Idee überzeugte die Jury. Das erste Wärmepumpensystem erfüllte allerdings nicht die Erwartungen. Wohl aber das zweite.

Foto: Das „LichtAktiv“-Haus, Hamburg, nach der energetischen Sanierung.
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.
Das „LichtAktiv“-Haus in Hamburg nach der energetischen Sanierung.

2010 entstand im Hamburger Stadtteil aus einem typischen Siedlerhaus der 1940er-Jahre ein CO2-neutrales Wohnhaus. Fensterhersteller Velux hatte den Altbau gekauft und für den Umbau einen studentischen Wettbewerb ausgelobt. Die Ausschreibung enthielt als Vorgabe eine weitgehende Licht- und Energieautarkie als Vision des Wohnens und Lebens im Jahr 2020. „Tatsächlich haben wir heute, im Jahr 2021, das realisierte Niveau als Standard noch nicht ganz erreicht. Mit der Wärmepumpe als aktueller Wärmeerzeuger Nummer eins für Neubauten sind wir aber auf dem richtigen Weg“, so ein Mitarbeiter aus der Begleitforschung.

Außerdem sorgt eine anspruchsvolle Tageslichtarchitektur für Wohlbefinden und Behaglichkeit. Die Begleitforschung bestätigt, dass das Energie-, Tageslicht- und Klimatisierungskonzept hohen Wohnwert mit einer effizienten Nutzung erneuerbarer Energie vereint (Solarthermie, PV, Geothermie). Im Zentrum der Wärmetechnik steht unter anderem die Wärmepumpe. Hier mussten jedoch die Protagonisten einer nachhaltigen Energieversorgung zunächst eine Enttäuschung hinnehmen: Die anfangs integrierte Luft/Wasser-Wärmepumpe erbrachte nicht die gewünschte Effizienz, sprich: Jahresarbeitszahl. 2015 musste sie deshalb einer Sole/Wasser-Wärmepumpe weichen.

Foto: Das „LichtAktiv“-Haus, Hamburg, vor der energetischen Sanierung.
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.
Das „LichtAktiv“-Haus in Hamburg vor der energetischen Sanierung.

Ursprüngliche Installation

Als Herzstück der Gebäudetechnik kombinierte ehedem eine „Solar Compleet“-Anlage Solarthermie mit einer Luft/Wasser-Wärmepumpe. Bei dem Typ handelt es sich um ein komplettes Heizungssystem einschließlich Warmwasserbereitung. Es besteht aus der Wärmepumpe mit einer elektrischen Zusatzheizung, einem Pufferspeicher, einem Warmwasser-Modul und einem thermosolaren Kollektor. Der ist zum einen an den Heizkreislauf angeschlossen. Da nun mal mit sinkender Außentemperatur der Wirkungsgrad des Systems abnimmt, fängt „Compleet“ zum anderen einen Teil der Verluste auf, indem sie bei diffusem Licht mit der reduzierten Kollektorwärme, Fläche 22,5 m2, die Sole im gemeinsamen Solekreis von Luft-Wärmeübertrager und Solarkollektor vor Eintritt in den Verdampfer vorwärmt. Im Mittel soll die Jahresarbeitszahl dadurch um etwa 25 Prozent steigen und damit auf das Niveau von Erdkollektoren kommen.

Eine weitere Besonderheit des „Solar Compleet“-Systems in Wilhelmsburg war, dass die Wärmepumpe im Heizbetrieb nicht erst in den Puffer speiste, sondern direkt in die Fußbodenheizung, um Abstrahlverluste durch den Speicher zu vermeiden. Lediglich der erzeugte Wärmeüberschuss floss in den Speicher.

Erdwärme statt Luft

Doch ging diese Rechnung nicht auf. Das Prinzip funktionierte, aber der zu hohe Stromverbrauch des eingesetzten Wärmesystems trübte die ansonsten positive Bilanz der ersten Betriebsjahre. Im Auftrag des Betreibers des „LichtAktiv“-Hauses plante deshalb Stiebel Eltron diesen Teil der Haustechnik auf eine Sole/Wasser-Wärmepumpe um. Simulationen mit dem Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig ergaben, dass damit die ursprünglich kalkulierten Verbrauchswerte nicht nur eingehalten, sondern sogar unterschritten werden könnten. Das jetzt Dienst tuende Modell „WPF 07“ ist eine Erdreich-Wärmepumpe mit einem COP von 4,85 und einer Wärmeleistung von 7,50 kW (bei B0/W35 nach EN 14511). Die Simulation sagte eine Jahresarbeitszahl von mindestens 4,4 voraus. Ebenfalls kam von Stiebel Eltron ein neuer Kombispeicher in das frühere Siedlungshaus, der im Durchlaufprinzip auch für die Warmwasserbereitung zuständig ist.

Parallel zur Nutzung für Raumheizung und Warmwasserbereitung leitet die Regelung überschüssige Sonnenenergie in die beiden 50 m tiefen Erdsonden, die so zusätzlich regeneriert werden. Über das zugehörige Internet-Service-Gateway des Herstellers sind alle Daten und Einstellungen der Anlage von Familie Oldendorf, die ehemaligen Testbewohner und heutigen Eigentümer, mit jedem Internetbrowser komfortabel und einfach aufruf- und editierbar.

Foto: Sole/Wasser-Wärmepumpe bezieht Großteil ihres Stroms aus eigener PV-Anlage.
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.
Die Sole/Wasser-Wärmepumpe bezieht den Großteil ihres Stroms aus der eigenen PV-Anlage.

Ergebnisse des Monitorings

Im Rahmen des Wohnexperiments wurden knapp drei Jahre kontinuierlich alle Daten zu Energieerzeugung und -verbrauch sowie das Außenklima und die entsprechenden Innenraumwerte quantitativ erfasst und dokumentiert. Im Einzelnen lassen sich folgende Ergebnisse festhalten.

Innenraumklima und Luftqualität: Die Raumtemperaturen betragen im Mittel 22 bis 23 °C und sorgen ganzjährig für Behaglichkeit. Außerdem gewährleistet die natürliche Querlüftung in den Sommermonaten auch bei Außentemperaturen von annähernd 40 °C noch Temperaturen von 25 bis 28 °C im Gebäudeinneren, die aufgrund der Luftbewegung als angenehm empfunden werden. Die relative Raumluftfeuchte ist insbesondere in der Heizperiode im guten Bereich. Im Sommer ist die Luft manchmal etwas zu feucht, was zu einer leichten Einschränkung der Behaglichkeit führen kann. Die Luftqualität (CO2-Gehalt) ist überwiegend gut, im Sommer besser, im Winter etwas schlechter. Zurückzuführen ist das einerseits darauf, dass die Bewohner die automatische Fensteröffnung in der Nacht abschalten. Zudem wird im Winter hin und wieder die Automatik deaktiviert, um Zugerscheinungen beispielsweise beim Fernsehen zu verhindern.

Wärmebedarf: Der Heizwärmebedarf im Gebäude ist geringer als vorausberechnet – und das, obwohl die Innenraumtemperatur im Winter durchschnittlich rund 2,5 K über den nach Norm kalkulierten Werten lag. Dieses Ergebnis zeigt, dass ein niedriger Energieverbrauch auch mit einer bedarfsgerechten natürlichen Lüftung ohne Wärmerückgewinnung erzielt werden kann.

Photovoltaik: Der regenerative Deckungsanteil am Gesamtstromverbrauch durch die PV-Anlage macht etwa zwei Drittel des Primärenergieverbrauchs aus.

Soziologische Untersuchungen

Parallel zu den physikalischen Messungen haben Soziologen der Humboldt-Universität zu Berlin die Erfahrungen der „LichtAktiv“-Haus-Bewohner untersucht. Ziel des Wissenschaftsteams war es, das Gebäude von der Nutzerperspektive her zu evaluieren und so einen Bezug zwischen wahrgenommenem Komfort und Wohlbefinden der Testfamilie und den quantitativen Messwerten herzustellen. Gleichzeitig sollten die Untersuchungen im „LichtAktiv“-Haus auch dazu dienen, mehr über die subjektive Wahrnehmung und Beurteilung von Wohnkomfort zu erfahren und ein standardisiertes Messinstrument zu dessen Erfassung zu entwickeln.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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