Erneuerbare Energien

Einsatz von Wärmepumpen in kalten Nahwärmenetzen

Wärmekonzepte für Siedlungen und Quartiere

Dienstag, 27.03.2018

Ohne einen erneuerbaren Wärmesektor können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Deshalb müssen Städte und Kommunen Akzente setzen und klimaschonende Heizsysteme verstärkt für Siedlungen und Quartiere einplanen. Wärmepumpen können bei diesen nachhaltigen Heizkonzepten eine tragende Rolle spielen.

Ob Grundwasser, Abwasser, Nahwärme, ob monovalent oder hybrid – die Vielfalt von Wärmequellen und Konzepten ermöglicht fast für jedes Großobjekt eine individuelle Lösung mit Wärmepumpentechnik. Ein weiterer Vorteil: Die Wärmepumpe kann gleichzeitig auch zum Kühlen eingesetzt werden.

Wärmepumpen sind vor allem als dezentrale Einzelanlagen bekannt: Ein Einfamilienhaus, eine Wärmequelle, eine Wärmepumpe. Weniger bekannt ist: Auch als ein Teil von Wärmenetzen zur Versorgung ganzer Siedlungen oder Quartiere können Wärmepumpenlösungen zum Einsatz kommen.

Der Einsatz von Wärmepumpen in Wärmenetzen sowie in Industrie und Gewerbeprojekten ist ein entscheidender Baustein, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung und Europäischen Union zu erreichen. Das Pariser Klimaschutzabkommen erfordert es, den Wärmesektor bis 2050 CO2-frei zu machen.

Bund, Länder und Kommunen, Stadtwerke, Gewerbetreibende und das Fachhandwerk müssen hier mit gutem Beispiel vorangehen und Akzente setzen – und können ganz nebenbei zukunftsfähige Geschäftsmodelle mit langfristigen Kundenbeziehungen etablieren. Die Wärmepumpe wird im Geschossbau, in Wärmenetzen oder im Gewerbe vielerorts schon sehr erfolgreich eingesetzt. Unterschieden wird generell zwischen klassischen Nahwärmelösungen und sogenannter kalter Nahwärme.

Vogelperspektive einer großen Baustelle.
Quelle: Pexels / https://www.pexels.com/
Ob Grundwasser, Abwasser, Nahwärme, ob monovalent oder hybrid – für fast jedes städtische oder kommunale Großobjekt findet sich eine individuelle Lösung mit Wärmepumpentechnik.

Klassische Nahwärme

Bei sogenannten klassischen Nahwärmekonzepten wird die Wärme aus einer oder mehreren Quellen gewonnen und dann an die umliegenden Gebäude verteilt. Bei der klassischen Nahwärme wird die gewonnene Wärme mittels Großwärmepumpe zentral auf das benötigte Temperaturniveau gehoben und dann mittels Übergabestationen in die Heizsysteme der Häuser eingespeist. Die Temperaturen im Nahwärmenetz sind daher entsprechend hoch.

Bei dieser Lösung steht im Gebäude selbst keine Wärmepumpe. Als Energiequelle dienen beispielsweise industrielle oder gewerbliche Abwärme (z.B. Prozesswärme, IT-Abwärme etc.) oder Umweltwärme.

Kalte Nahwärme mit Wärmepumpen

Eine Alternative ist die sogenannte kalte Nahwärme. Dabei wird die Wärme auf niedrigem Temperaturniveau in das Netz gespeist und erst im Gebäude von einer Wärmepumpe auf die benötigte Temperatur gebracht. Die Wärmepumpe ersetzt bei diesem Konzept die Übergabestation.

Vergleich von Nahwärme- und Fernwärmenetzen.
Quelle: BWP
Im Vergleich zu Fernwärme können Nahwärmenetze auf einem niedrigeren Temperaturniveau arbeiten.

So können die Systemtemperaturen des Netzes niedrig gehalten werden. Wärmeverluste lassen sich auf diese Weise minimieren und eine hohe Systemeffizienz wird sichergestellt. In einigen Städten, Regionen oder Projekten werden auf diese Weise auch Neubaugebiete mit Bestandsquartieren verknüpft. Auch dieser Ansatz bietet ein enormes Potential für Stadtentwickler und Planer.

Ein kaltes Nahwärmenetz verfügt über eine zentrale oder mehrere dezentrale Wärmequellen. Die aufgenommene Wärme wird über eine Ringleitung zu den einzelnen Verbrauchern geführt. Die Gebäude docken mittels Wärmepumpe an diese Ringleitung an und können die im Nahwärmenetz verfügbare Wärme auf ein zum Heizen erforderliches Temperaturniveau bringen.

Neben der Heizung im Winter bietet das Netz auch die Möglichkeit, die Häuser im Sommer wirtschaftlich zu kühlen. Die in den sommerlich-warmen Innenräumen aufgenommene Wärme führen die Leitungen zurück ins Erdreich und können so zum Beispiel eine Regeneration eines Erdsondenfeldes unterstützen.

Ein anderes Beispiel: Ein Netzbetreiber fördert Grundwasser mit einer Temperatur von ganzjährig etwa 10 °C und pumpt dieses durch das kalte Wärmenetz – ein ungedämmtes Rohrnetz – zu den Wärmekunden. Die Kunden nutzen das Wasser zum Betrieb ihrer dezentralen Wärmepumpen; sie entziehen Wärme und versorgen damit ihre Gebäude (z.B. Fußbodenheizung).

Das abgekühlte Wasser wird in den Netzrücklauf eingespeist und über Schluckbrunnen wieder dem Grundwasser zugeführt. Der Netzbetreiber liefert Grundwasser gegen Entgelt, der Hausbesitzer nutzt elektrischen Strom für den Betrieb seiner Wärmepumpe. Auch hier kann ein Kühlbetrieb integriert werden.

Vorteile für Investoren:

  • Verwendung von ungedämmten, in Ringen angelieferten PE-Rohren,
  • Ringleitungen dienen zusätzlich als "Erdkollektoren",
  • durch Gleichzeitigkeitsfaktor kann die Wärmequelle kleiner gewählt werden,
  • Kühlung kann zu einer weiteren Größenreduzierung der Wärmequelle führen,
  • nur geringe zusätzliche Erdarbeiten, da die Verlegung der Erdleitungen parallel zu Wasser- und Abwasserleitungen erfolgen kann,
  • Netzausbau kann in die Erschließungskosten eingerechnet werden,
  • Mehrsparten-Hauseinführung,
  • keine Abnutzung der Rohrleitungen, hohe Lebensdauer,
  • staatliche und regionale Förderungen.

Vorteile für Netzbetreiber:

  • langfristig planbare Energiekosten,
  • keine Abhängigkeit von zusätzlichen Energie- oder Wärmelieferanten,
  • enorme CO2-Einsparung,
  • Einbindung in ein intelligentes Stromnetz ("Smart Grid"),
  • emissionsfreie Wärme- und Kältelieferung,
  • Kundenbindung durch Lieferverträge,
  • gesetzliche Vorschriften (EnEV/EEWärmeG) werden erfüllt,
  • geringe Betriebs- und Verbrauchskosten.

Vorteile für Endverbraucher:

  • kein Investitionsrisiko bzw. verringerte Baukosten,
  • je nach Abrechnungsmodell keine Investition für die Wärmeerzeugung,
  • Netzbetreiber gewährleistet Betriebssicherheit,
  • gesetzliche Vorschriften (EnEV/EEWärmeG) werden erfüllt,
  • monatliche Energiekostenabrechnung (optional),
  • keine Schallemissionen,
  • Heizen und Kühlen möglich (erhöhter Wohnkomfort),
  • Fernwartung durch Netzbetreiber (optional),
  • einfache Heizkostenabrechnung und "kalkulierbare" Energiepreise,
  • Beitrag zum Umweltschutz.

Netztypen und Netzstrukturen

Wärmepumpen in kalten Nahwärmenetzen können unter Umständen mit einer größeren Jahresarbeitszahl betrieben werden, im Vergleich zu Einzelwärmepumpen, die dezentral und mit individuellen Wärmequellen bei den Verbrauchern arbeiten. In kalten Nahwärmenetzen wird zudem die Erschließung mehrerer Wärmequellen gespart. Wegen des niedrigen Temperaturniveaus sind allerdings relativ große Volumenströme im Netz erforderlich. Die Erschließung der Wärmequelle erfolgt auf Risiko des Netzbetreibers.

Während konventionelle Wärmenetze in der Regel als gerichtetes Netz betrieben werden, die Netzpumpe also üblicherweise von der Heizzentrale zu den Wärmekunden fördert, kann kalte Nahwärme auch ungerichtet arbeiten. In diesem Fall wird für einzelne Verbraucher der Vorlauf zum Rücklauf, beispielsweise weil der eine Kunde noch heizt, der andere aber schon kühlt.

Schema für dezentrale, geosolare Wärmeversorgung mit einer zentralen Wärmepumpe und dezentralen Übergabeeinheiten mit Solarthermie.
Quelle: Fraunhofer IEE/Uni Kassel ITE
Schema für dezentrale, geosolare Wärmeversorgung mit einer zentralen Wärmepumpe und dezentralen Übergabeeinheiten mit Solarthermie. Die unabgedeckten Solarkollektoren sorgen im Sommer für die Regeneration des Erdreichs.

Staatliche Förderung auch für Großprojekte

Mit der Förderung von "Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0" werden seit dem 1. Juli 2017 die Planung und der Bau von hocheffizienten und weitgehend erneuerbaren Wärmenetzsystemen ganzheitlich unterstützt.

Gegenstand der Förderung ist die Planung und Vorbereitung sowie die Entwicklung und Realisierung von "Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0". Ein "Wärmenetzsystem 4.0" im Sinne des BAFA-Förderprogrammes umfasst die Wärmequellen, Wärmenetzleitungen, Wärmespeicher, Anpassung der Wärmesenken und die erforderliche Mess-, Regelungs- und Steuerungstechnik sowie optional auch Sektorkopplungs-Anlagen.

Die Realisierung kann durch Neubau oder Transformation eines räumlich abgegrenzten Teilbereichs eines bereits bestehenden Wärmenetzes erfolgen. Wer die Anforderungen für ein "Wärmenetz 4.0" nicht erfüllen kann, für den ist auch eine Kombination verschiedener Fördertatbestände aus dem Marktanreizprogramm denkbar. Hier werden Großwärmepumpen und Wärmenetze ebenfalls gefördert.

Politische Rahmenbedingungen nicht optimal

In der vergangenen Legislaturperiode wurden wichtige Weichen für die Energiewende und den globalen Klimaschutz gestellt. Mit der neuen Bundesregierung muss die Energie- und insbesondere die Wärmewende nun endlich eine kraftvolle Dynamik entfalten, damit die langfristigen Ziele erreichbar bleiben können. Dazu bedarf es, aus Sicht des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e.V., entsprechender Impulse seitens der Politik:

  • wettbewerbsfähige Strompreise/Abschaffung der Stromsteuer,
  • Haushaltsfinanzierung der besonderen Ausgleichsregelung (EEG),
  • Abschaffung der Förderung für rein fossile Heizungsanlagen,
  • Aufstockung der Förderung für erneuerbare Wärmetechnologien,
  • Abschaffung unnötiger Auflagen und Vorgaben für die Inanspruchnahme der Förderung,
  • einheitliche Antragsverfahren,
  • Zusammenlegung von Energieeinsparrecht (EnEG/EnEV) und Erneuerbare-Energien- Wärmegesetz (EEWärmeG),
  • bundesweit einheitliche sowie praxisnahe Vorgaben des Baurechts sowie des Trinkwasser- und Lärmschutzes.

Zahlreiche Siedlungsprojekte und Quartierslösungen mit Wärmepumpen zeigen, dass der Kombination unterschiedlicher Wärmequellen (Erdwärme, Grundwasser, Abwärme) und der Einbindung weiterer Energie- und Wärmeerzeuger (KWK, PV, Solarthermie) kaum Grenzen gesetzt sind. Viele Energieversorgungsunternehmen springen schon heute auf den Zug der Nahwärme auf, denn so können sie ganze Quartiere umweltfreundlich mit Wärme versorgen.

Von Paul Waning
Vorstandsvorsitzender, Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V.

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