Wärme

Digitale Heizung + Vernetzte Systeme = Neue Aufgaben

Donnerstag, 05.04.2018

Im Interview mit dem HeizungsJournal geben Dr. Lothar Breidenbach, Geschäftsführer Technik im Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH), und Peter Kellendonk, 1. Vorsitzender der EEBUS Initiative e.V., Einblicke in den digitalisierten, vernetzten Wärme- und Energiemarkt (der Zukunft) und skizzieren, wie das installierende SHK-Fachhandwerk hier partizipieren kann.

Erklärende Grafik zum Thema
Quelle: Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH)

Die Heizung stellt den größten Energieverbraucher im Haushalt dar. Gleichzeitig schreitet die Vernetzung der Anlagen und Systeme im Haus voran. Welche Potentiale bietet die Heimvernetzung und Digitalisierung für die Heizungsindustrie?

Dr. Lothar Breidenbach (BDH):

Die Digitalisierung der Wärmeerzeuger ermöglicht die Hebung zusätzlicher Effizienzpotentiale. Der Endverbraucher spart dadurch Energie und letztendlich auch Geld. Gleichzeitig profitiert er von mehr Komfort, da sich die digitale Heizung bequem über das Smart Home-System bedienen lässt.

Darüber hinaus können Elektro-Wärmepumpen in ein Energiemanagementsystem eingebunden werden, welches weitere Komponenten wie PV-Anlage, Batteriespeicher, Ladestationen für E-Autos, Beleuchtung und andere elektrische Verbraucher einschließt. Dieses System ermöglicht die Nutzung von möglichst viel eigenproduziertem PV-Strom. Mit Blick auf künftig flexible Stromtarife erhöht sich die Wirtschaftlichkeit des Systems zusätzlich.

Dr. Lothar Breidenbach
Quelle: BDH
Dr. Lothar Breidenbach, Geschäftsführer Technik im Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie.

In der Vergangenheit wurde die Heizung – mit oder ohne Warmwasserbereitung – ja als einzelnes, abgeschlossenes System der Haustechnik betrachtet. Was ändert sich im Zeichen der Vernetzung und der Energiewende aus Ihrer Sicht für die Hersteller und das installierende Fachhandwerk?

Dr. Lothar Breidenbach (BDH):

Für den Installateur ergeben sich durch die Digitalisierung und Vernetzung der Heiztechnik neue Aufgabenstellungen. Die Hersteller unterstützen das Fachhandwerk durch "Plug&Play"-Konzepte. Diese erfordern keine tiefere Einarbeitung in Netzwerktechnik oder Smart Home-Standards.

Herr Dr. Breidenbach, wie steht die Heizungsbranche als Anführer des Sektors "Wärme" zur Vernetzung mit anderen Sektoren wie "Strom" und "Mobilität"? Welche Rolle spielt dabei der EEBUS-Standard?

Dr. Lothar Breidenbach (BDH):

Der Gebäudebereich ist der größte Energieverbrauchssektor. Durch die zunehmende Digitalisierung der Heiztechnik wird die Verknüpfung der Sektoren Wärme und Strom künftig an Bedeutung gewinnen. Ziel der Politik ist es, möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energien in den Wärmemarkt einzubringen. Der EEBUS-Standard bietet eine Lösung, die es ermöglicht, dass unterschiedliche Verbraucher und Erzeuger im Gebäude miteinander kommunizieren können.

Herr Kellendonk, welche Rolle spielen offene Standards, wie EEBUS, für die Vernetzung der Heizungstechnik und anderer Energieverbraucher im Haus?

Peter Kellendonk (EEBUS):

Die Sektorenkopplung steht ja naturgemäß dafür, dass Systeme aus verschiedenen Branchen und von unterschiedlichen Herstellern nahtlos zusammenarbeiten müssen. Das funktioniert nur mit einer gemeinsamen, standardisierten Schnittstelle, die alle diese Systeme nutzen und verstehen können – von der weißen Ware über die Heizung und Photovoltaik bis zur Ladetechnik für Elektroautos.

Wir gehen den Weg der Veröffentlichung konsequent: Unsere Arbeitsergebnisse können Sie auf www.eebus.org herunterladen; sie sind international normiert und frei für alle Hersteller nutzbar. Damit entsteht ein transparentes und für jeden offenes Kommunikationssystem. Wir nennen es die "Weltsprache für Energie im Internet of Things".

Peter Kellendonk
Quelle: EEBUS
Peter Kellendonk, 1. Vorsitzender der EEBUS Initiative.

Die EEBUS Initiative hat also das Ziel, alle relevanten Energieverbraucher und Erzeugungsanlagen im Haus miteinander zu vernetzen. Wie genau erfolgt diese Standardisierung?

Peter Kellendonk (EEBUS):

Die EEBUS Initiative ist kein reines Standardisierungsgremium. Wir sind ein Verein mit fast 70 Mitgliedern – überwiegend große Hersteller und Branchenverbände, deren Produkte Energie erzeugen, speichern oder verbrauchen.

Dabei geht es zunächst einmal nicht um Technik, sondern um Anwendungen: Warum sollte die Wärmepumpe mit der Photovoltaikanlage sprechen? Welche Informationen sind hier und dort notwendig, damit möglichst viel Energie vom eigenen Dach im Haus verbraucht wird? Wie kann die Heizung mit der E-Auto-Ladestation in der Garage abklären, wer gerade mit höchster Priorität Strom verbrauchen darf?

In den Arbeitsgruppen der EEBUS Initiative werden diese Fragen branchenübergreifend diskutiert und in Anwendungsszenarien zusammengefasst. Erst dann kommen die Informatiker ins Spiel und modellieren auf Basis der inhaltlichen Vorgaben die Technik der Schnittstelle.

Herr Dr. Breidenbach, das Forum Digitale Heizung im BDH hat sich 2017 für die Implementierung des EEBUS-Standards in die digitale Heizung ausgesprochen. Auf der IFH/Intherm 2018, Nürnberg, wird die Technik beim BDH präsentiert. Was hat Ihre Mitgliedsunternehmen und Sie an EEBUS überzeugt?

Dr. Breidenbach (BDH):

EEBUS bietet eine Schnittstelle, mit der sich die Heizungsanlage in das Energiemanagementsystem im Haus und auch in ein Smart Home-System einbinden lässt, ohne dass Heizungsfachbetriebe einen Netzwerkprofi einstellen müssen. Diese einheitliche, offene Schnitt­stelle kann von allen existierenden Bus-Systemen, wie zum Beispiel KNX oder Zigbee, genutzt werden. Zielsetzung der EEBUS Initiative ist die Interoperabilität von möglichst vielen Geräten im Gebäude als echtes "Plug&Play"-System.

Und wo steht die Heizungsbranche in Sachen Vernetzung aus Ihrer Sicht heute, im Frühjahr 2018?

Dr. Breidenbach (BDH):

Alle im BDH organisierten Hersteller bieten bereits heute internetfähige Produkte an. Zudem lassen sich viele heiztechnische Systeme digital nachrüsten.

Kellendonk (EEBUS):

Die Heizungsbranche sehe ich auf einem guten Weg in die Digitalisierung und Vernetzung – es gibt immer mehr Lösungen der Hersteller. Allerdings ist die Durchdringung auf dem Markt noch zu gering. Die Energiewende wie auch die Verkehrswende werden ohne digitale Vernetzung nicht möglich sein, denn die Vernetzung bringt Flexibilität im Verbrauch – und das wird sich künftig auch finanziell für Kunden auswirken. Die dafür notwendige Technik basiert auf EEBUS.

Die Grafik erklärt den EEBUS-Standard.
Quelle: EEBUS
Die EEBUS Initiative arbeitet an der "Weltsprache für Energie im Internet of Things".

Im Zusammenhang mit der Energiewende ist häufig von der "All-Electric Society" die Rede, da regenerativ erzeugte Energie vor allem in Form von Strom zur Verfügung steht. Der lässt sich in stationären Batterien oder Wärmespeichern recht einfach speichern. Ist Strom deshalb künftig auch in der Heizungstechnik der dominierende Energieträger?

Dr. Breidenbach (BDH):

Künftig wird die Bedeutung von Strom im Wärmemarkt an Bedeutung gewinnen. Dies belegt der stetig wachsende Absatz von elektrischen Wärmepumpen – vor allem im Neubau. Daneben werden in Zukunft aber auch weiterhin effiziente Gas- und Öl-Brennwertkessel, Holzheizkessel, dezentrale KWK-Anlagen und solarthermische Anlagen eine Rolle spielen. Einem "All-Electric"-Szenario erteilt der BDH eine klare Absage.

Kellendonk (EEBUS):

In die Strategien unserer Mitglieder wollen wir uns nicht einmischen. Unabhängig davon lohnt sich ein Blick auf Weichenstellungen der Politik, wie etwa das Thema "Demand-Side Flexibility", das auf EU-Ebene als wichtiger Baustein der Energiewende entwickelt wird. Dabei sollen Erzeugungsspitzen an sonnigen und windigen Tagen mithilfe der Vernetzung vieler flexibler Verbraucher sinnvoll genutzt werden, statt diese abzuregeln. Im Klartext: Vernetzte elektrische Warmwasserspeicher oder Elektroautos lassen sich künftig mittags oder bei viel Wind besonders günstig aufladen. Strom wird also, zur richtigen Zeit genutzt, sehr preiswert.

Die Grafik erklört
Quelle: EEBUS
"Demand-Side Flexibility" bedeutet, dass Erzeugungsspitzen mithilfe der Vernetzung vieler flexibler Verbraucher sinnvoll genutzt werden, statt diese abzuregeln. So lassen sich künftig zum Beispiel haustechnische Anlagen, wie Klimageräte, Wärmepumpen oder Beleuchtung, sowie Elektroautos mittags oder bei viel Wind besonders günstig betreiben bzw. aufladen. Die Vernetzungstechnik dazu basiert auf der EEBUS-Kommunikation.

Und zum Schluss: Wie können sich Heizungsfachbetriebe auf die Herausforderungen der Zukunft optimal einstellen?

Dr. Breidenbach (BDH):

Grundsätzlich sollte das SHK-Fachhandwerk die Digitalisierung als Chance begreifen. Um diese Technologie verstärkt in den Markt zu bringen, bedarf es des ständigen Dialogs zwischen Heizungsindustrie und Fachhandwerk. Die Hersteller bieten rund um das Thema Digitalisierung umfangreiche Schulungen und Informationen an. Auch die Weltleitmesse ISH Energy 2019 wird einen Schwerpunkt auf dieses Thema setzen. Sie sollte Pflichttermin in jedem Kalender sein.

Kellendonk (EEBUS):

Wir sagen natürlich: "Setzen Sie Heizungsanlagen ein, die sich per EEBUS mit anderen Energieverbrauchern im Haus und künftig mit dem Smart Grid vernetzen lassen. Damit sind Sie für die Zukunft gut gerüstet". Die gute Nachricht: In den meisten Fällen vernetzt sich nicht der Brenner oder die Therme selbst, sondern das zentrale Steuerungsgerät. Und das lässt sich auch nachrüsten. Wie das Ganze funktioniert, zeigen wir zusammen mit EEBUS-Mitgliedsfirmen in unserem Demonstrator, der auf der IFH/Intherm am Stand des BDH in Halle 4 zu sehen ist.

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