Erneuerbare Energien

„Die Zeit der Wärmepumpe ist da!“

Interview mit Dr. Nicholas Matten, Geschäftsführer von Stiebel Eltron

Freitag, 15.07.2022

Die Wärmepumpe hat den Durchbruch geschafft, aber ist der Aufschwung schon stabilisiert?

Das Bild zeigt ein Gebäude.
Quelle: Stiebel Eltron
Das für den Wärmepumpeneinbau erforderliche Wissen muss dem SHK-Fachhandwerk so schnell, effizient und verständlich wie möglich vermittelt werden. Im Schulungszentrum „Energy Campus“ von Stiebel Eltron im niedersächsischen Holzminden, aber auch an den anderen deutschlandweiten Standorten des Herstellers, werden regelmäßig Schulungen zum Thema „Wärmepumpe“ angeboten.

Dr. Nicholas Matten, Geschäftsführer von Stiebel Eltron, warnt im HeizungsJournal-Interview vor vorschneller Zufriedenheit und zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht: bei der Erklärung der Technologie, bei der Unterstützung des Fachhandwerks und nicht zuletzt auch beim Image der SHK-Berufe. Sicher ist für ihn jedoch, dass die Wärmepumpenhersteller die steigende Nachfrage werden bedienen können – und dass grüner Wasserstoff keine echte Heizungsalternative ist.

Herr Dr. Matten, Stiebel Eltron ist ein Pionier der Wärmepumpe und hat schon 1976 das erste System auf den Markt gebracht. Der große Durchbruch hat gleichwohl auf sich warten lassen, die Technologie führte lange Zeit ein Nischendasein. Jetzt aber geht alles ganz schnell: Die Klimaschutzbewegung und ein radikales politisches Umdenken haben die Wärmepumpe im Heizungsmarkt nach vorne gespült. Bis 2030 soll es bundesweit sechs Millionen Wärmepumpen geben. Müssen Sie sich manchmal kneifen?

Um sicherzugehen, dass das real ist? Nein, das nicht. Aber ich verstehe natürlich, worauf Sie hinauswollen: Es ist schon bemerkenswert, wie Widerstände, an denen man sich jahre-, wenn nicht jahrzehntelang abgearbeitet hat, quasi über Nacht zusammengebrochen sind. Wir haben die Wärmepumpe wieder und wieder erklärt, wir haben für ihren Erfolg gekämpft, und jetzt ist klar: Die Zeit der Wärmepumpe ist da und kann nicht mehr wegdiskutiert werden. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn diese Zeit früher begonnen hätte – denn jetzt eilt es.

Das Bild zeigt einen Mann mit Laptop.
Quelle: Stiebel Eltron
Stiebel Eltron hat ein dreistufiges Partnerprogramm mit vielfältigen Schulungsmaßnahmen und Serviceleistungen ins Leben gerufen, durch das sich Fachhandwerker zum „Wärmepumpenprofi“ qualifizieren können.

Werfen wir mal einen Blick auf die Ausgangssituation: Schon die Große Koalition hat mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) für einen spürbaren Schub Richtung Wärmepumpe gesorgt. Die Ampelparteien haben dann im Koalitionsvertrag festgelegt, dass ab 2025 jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss, was einem De-facto-Verbot neuer Öl- und Gasheizungen gleichkommt. Der Krieg in der Ukraine schließlich hat verdeutlicht, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern so schnell wie möglich beendet werden muss, weshalb das 65-Prozent-Ziel jetzt sogar schon ab 2024 gelten soll. Hat die Wärmepumpe damit freie Bahn? Ist die Technologie jetzt quasi ein Selbstläufer?

Fakt ist, dass ein klarer Bewusstseinswandel eingetreten ist – sowohl in der SHK-Branche als auch in der Politik und bei den Verbrauchern. Insofern hat die Wärmepumpe tatsächlich freie Bahn – das heißt aber nicht, dass sie ein Selbstläufer wird. Zwar wurde 2021 im Neubau erstmals die 50-Prozent-Schwelle überschritten, mehr als die Hälfte aller in neu errichteten Gebäuden installierten Heizungen waren also Wärmepumpen. Wir selbst konnten unseren Umsatz schon 2020 trotz Pandemie deutlich auf 700 Millionen Euro steigern und haben damit ein Umsatzplus von 18 Prozent erzielt – getrieben hauptsächlich durch den Absatz von Wärmepumpen. 2021 wurden diese Zahlen nochmals übertroffen und ein Ende des Aufschwungs ist nicht in Sicht, weil es jetzt auch im Bestand massive Bewegung gibt und weiter geben wird. In den nächsten Jahren müssen hier über zwölf Millionen Heizungen ausgetauscht werden und die neuen Heizsysteme werden meist Wärmepumpen sein. Dennoch machen Wärmepumpen aktuell erst rund fünf Prozent der Heizungen in Deutschland aus, Gas- und Ölheizungen zusammen hingegen rund 75 Prozent. Allein diese Zahlen zeigen: Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns – sowohl in den Köpfen als auch im Heizungskeller.

Was meinen Sie mit „noch viel Arbeit in den Köpfen“? Haben Sie Zweifel, dass der Bewusstseinswandel von Dauer sein wird?

Nein, das nicht. Ein Zurück wird es nicht mehr geben. Aber ich würde dennoch raten, die Beharrungskräfte nicht zu unterschätzen – und auch nicht die Eigenheiten des politischen Prozesses. Wir wissen beispielsweise nicht, welche Widerstände den Koalitionsvorhaben womöglich im abschließenden Gesetzgebungsverfahren begegnen – und sei es aus reiner Machttaktik. Politik ist Politik. Jede Novelle des EEG muss durch die Länderkammer und dort sind die Ampelparteien nicht mehr die einzigen Spieler. Auch die Öl- und Gaslobby ist noch immer sehr stark und weiß ihre Einflusskanäle zu nutzen. Hinzu kommen Unkenntnis und Missverständnisse. Wie oft selbst in Leitmedien das Funktionsprinzip der Wärmepumpe falsch erklärt wird, weil es einfach nicht richtig verstanden wurde – das ist schon bedauerlich. Das Ergebnis ist dann nicht selten ein Verbraucher, der unnötig verunsichert wurde.

Das Bild zeigt eine Frau und zwei Männer.
Quelle: Stiebel Eltron
Gut ausgebildete Fachkräfte sind ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor, um die Energiewende in Deutschland mit einer Abkehr von Öl und Gas umzusetzen.

Ist das ein Grundproblem der öffentlichen Wärmepumpendiskussion – dieses mangelnde Verständnis für die Technologie?

Zumindest bereitet es Vorurteilen den Boden. Denken Sie nur an das Anti-Wärmepumpen-Argument, man dürfe nicht auf „Strom only“ setzen – dabei ist die Wärmepumpe, streng genommen, gar nicht „Strom only“. Sie heizt nicht mit Strom, sondern mit thermischer Umweltenergie, die über Kältemittelverdichtung auf ein höheres Niveau gebracht wird. Und dazu nutzt sie Strom – den jede Öl- und Gasheizung übrigens auch benötigt, wenn auch in geringerem Umfang. Aber das Wärmepumpen-Funktionsprinzip in den Köpfen zu verankern, ist eine echte Herausforderung. Da haben es die Verfechter von Gasthermen leichter. Dass es warm wird, wenn man etwas verbrennt – in diesem Fall Erdgas –, das begreift man auch dann, wenn man im Physikunterricht nicht aufgepasst hat. Was aber thermische Umweltenergie ist und dass auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen so viel von dieser Energie vorhanden ist, dass man sie zum Heizen nutzen kann, das ist schon etwas schwieriger zu verstehen.

Haben aus Ihrer Sicht auch die Einwände gegen den Wärmepumpeneinbau im Bestand mit falschen Vorurteilen zu tun?

Ganz eindeutig ja. Es ist einfach ein Märchen, dass sich Bestandsgebäude nur dann mit einer Wärmepumpe beheizen lassen, wenn umfassend saniert und eine Fußbodenheizung nachgerüstet wurde. Für 80 bis 90 Prozent unseres Gebäudebestands sind Wärmepumpen genauso für einen Soforteinbau geeignet wie herkömmliche Gas- oder Ölheizungen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat schon 2018 und 2019 eine Studie zu Wärmepumpen in 15 bis 150 Jahre alten Bestandsgebäuden durchgeführt. Ergebnis: Luft/Wasser-Wärmepumpen erreichen im Durchschnitt eine Jahresarbeitszahl von 3,1. Erdwärmepumpen sogar von 4,1. Das sind derart gute Werte, dass man sich wirklich fragt, wo die Vorurteile gegenüber der Wärmepumpe im Bestand eigentlich herrühren. Sachlich begründet sind sie jedenfalls nicht.

Nun gibt es ja den SHK-Fachhandwerker, der für viele Endkunden der Fachmann ihres Vertrauens ist und solchen und ähnlichen Vorurteilen erfolgreich begegnen könnte. Inwieweit steht das SHK-Handwerk nach ihrer Einschätzung hinter der Wärmepumpe?

Viele SHK-Fachleute verstehen sich heutzutage schon als Klimaschutzhandwerker – und das völlig zurecht. Sie kennen ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung und sie wissen, dass von ihnen das Gelingen der Wärmewende abhängt. Einige Handwerksinnungen der SHK-Branche haben denn auch unmissverständlich klargemacht, dass sie in der Wärmepumpe das führende Heizsystem der Zukunft sehen. Ein Problem ist, dass es den Fachhandwerkern zum Teil an Erfahrung im Umgang mit der Wärmepumpentechnologie fehlt. Eine Gastherme kann jeder Heiztechniker im Schlaf installieren. Bei der Wärmepumpe hingegen gibt es immer noch Unsicherheiten. Manche SHK-Spezialisten haben noch nie eine Wärmepumpe eingebaut, weil die Technologie lange Zeit unterschätzt wurde und als Nischenlösung galt, mit der man sich nicht zwingend beschäftigen musste. Und nun sollen plötzlich alle wie selbstverständlich Wärmepumpen installieren, weil die Zeit der Öl- und Gaskessel immer schneller abläuft und die Nachfrage nach Wärmepumpen sprunghaft angestiegen ist. Manche Fachhandwerker fühlen sich da ein Stück weit überfordert. Das kann ich auch verstehen.

Was kann man tun, um das Fachhandwerk in dieser Situation zu unterstützen und den Mangel an Erfahrung mit Wärmepumpen schnell zu kompensieren?

Die Antwort lautet: Schulung, Schulung, Schulung. Das für den Wärmepumpeneinbau erforderliche Wissen muss dem Handwerk so schnell, effizient und verständlich wie möglich vermittelt werden. Die Innungen sind hier sehr aktiv und wir als Hersteller sind es auch. In unserem Schulungszentrum „Energy Campus“ im niedersächsischen Holzminden, aber auch an unseren übrigen deutschlandweiten Standorten bieten wir regelmäßig Schulungen zum Thema „Wärmepumpe“ an, die auch sehr stark nachgefragt werden. Und mit unserem Fachpartnerprogramm kann der Fachhandwerker binnen kurzer Zeit zum „Wärmepumpenprofi“ werden. Angefangen von der Unterstützung bei ersten Projekten über den „Wärmepumpenführerschein“ bis zur Möglichkeit, unsere Spezialisten bei der Installation vor Ort hinzuzuziehen, bieten wir ihm eine Vielzahl an Optionen zur Weiterentwicklung.

Das Bild zeigt einen Mann mit Wärmepumpe.
Quelle: Stiebel Eltron
Aus den Kinderschuhen ist die Wärmepumpentechnik längst raus. Es sei demnach ein Märchen, dass sich Bestandsgebäude nur dann mit einer Wärmepumpe beheizen ließen, wenn umfassend saniert und eine Fußbodenheizung nachgerüstet würde, so der Stiebel Eltron Geschäftsführer.

Gibt es auch auf Lösungsseite Möglichkeiten, dem Fachhandwerk Befürchtungen zu nehmen? Die Umrüstung von Gas auf eine Wärmepumpe dauert etwa doppelt so lange wie der Austausch einer Gastherme – diese Aussicht dürfte manchem schlaflose Nächte bereiten. Denn die Auftragsvolumina der SHK-Branche sind hoch, gleichzeitig fehlen zehntausende Fachkräfte. Lässt sich die Installation systemseitig beschleunigen?

Ja, solche Möglichkeiten gibt es, und auch hier setzen wir konsequent an. So haben wir zum Beispiel auf der Basis unserer Erfahrungswerte sechs vorkonfigurierte Wärmepumpensets konzipiert, die zusammen rund 80 Prozent aller Anwendungsfälle in Bestand und Neubau abdecken. Das spart eine Menge Zeit – von der System- und Komponentenauswahl über die Montagevorbereitung bis zur Installation. Durch unsere langjährige Erfahrung können wir aber auch jederzeit dort helfen, wo eine Lösung individuell konfiguriert werden muss. Darüber hinaus finden registrierte Fachhandwerker auf unserer Webseite eine „Toolbox“ mit zahlreichen praktischen Hilfsmitteln für alle Stadien des Umsetzungsprozesses vor. Alltägliche Herausforderungen, wie Planung, Produktauswahl, Systemauslegung, Installation oder Förderantrag, lassen sich damit viel einfacher und schneller bewältigen.

Nun lässt sich der besagte Fachkräftemangel durch solche Ansätze am Ende nur abmildern, nicht beseitigen. Die Lage wird hier teilweise dramatisch eingeschätzt. Kann die Wärmewende vielleicht sogar am Fachkräftemangel scheitern?

Das sehe ich nicht. Es besteht höchstens die Gefahr, dass sie verzögert wird. Im letzten Jahr wurden mit 154.000 Stück so viele Heizungswärmepumpen verbaut wie noch nie und die Quote lässt sich innerhalb der bestehenden Kapazitäten sicher noch deutlich steigern – immerhin wurden im selben Zeitraum noch über 650.000 Gaskessel eingebaut. Fallen diese komplett oder zumindest zum Großteil weg, sollte es möglich sein, auf eine Gesamtzahl von 300.000 bis 400.000 Wärmepumpen zu kommen. Bei rund 50.000 SHK-Fachbetrieben, die wir in Deutschland derzeit haben, sind das gerade mal sechs bis acht Wärmepumpen pro Betrieb und Jahr. Dennoch müssen wir natürlich weiter daran arbeiten, junge Leute für den Beruf zu gewinnen oder Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren.

Haben wir versäumt, das Image der Handwerksberufe zu pflegen? Der schwäbische „Schraubenpatriarch“ Reinhold Würth hat ja mal angemerkt, dass in Deutschland heute die Einstellung vorzuherrschen scheine, wer keinen akademischen Titel habe, sei nur ein halber Mensch. Hat er recht?

Das ist natürlich eine Zuspitzung, aber es ist nicht ganz falsch. Und diese Mentalität muss sich dringend ändern. Dass Handwerk goldenen Boden hat, gilt heute mehr denn je. Gerade im SHK-Bereich existieren fantastische Möglichkeiten für eine spannende und auch finanziell lukrative berufliche Laufbahn. Das muss auch in Politik und Medi-en viel mehr betont werden. Ein SHK-Fachhandwerker, der erfolgreich seinen eigenen Betrieb führt, kann definitiv einen höheren Lebensstandard erreichen als ein Akademiker, der sich mit mäßigen Noten durchs Examen gequält hat. Hinzu kommt, dass das SHK-Handwerk auch insgesamt anspruchsvoller und damit interessanter geworden ist. Als Klimaschutzhandwerk bietet es attraktive Möglichkeiten, sich zu verwirklichen.

Nun haben wir über den Fachkräftemangel gesprochen – aber gibt es nicht auch einen Mangel an Wärmepumpen, die verbaut werden könnten? Wer sich umhört, erfährt derzeit von monatelangen Lieferzeiten. Wird das so bleiben? Sie haben recht, im Augenblick kommen die Hersteller der explodierenden Nachfrage kaum noch hinterher. Und das darf natürlich kein Dauerzustand sein, wenn die Wärmewende so schnell wie möglich gelingen soll. Wir bei Stiebel Eltron wollen die Produktionskapazitäten am Hauptsitz in Holzminden deshalb bis 2025 noch einmal verdreifachen. Dieselbe Steigerungsrate haben wir schon von 2019 bis 2022 realisiert. Wir werden in den nächsten Jahren massiv in die Wärmepumpenfertigung investieren – deutlich mehr, als ursprünglich geplant – und mindestens rund 400 neue Arbeitsplätze schaffen. Was uns betrifft, kann ich dementsprechend mit Gewissheit sagen: Die gestiegene Nachfrage werden wir zuverlässig bedienen können, auch wenn wir augenblicklich noch mit Versorgungsengpässen bei Vormaterialien kämpfen.

Wie steht es denn aus Ihrer Sicht um konkurrierende Heiztechnologien? Wenn wir von klimafreundlichem Heizen sprechen, ist die Wärmepumpe ja nicht die einzige Option. Welche Bedeutung werden aus ihrer Sicht beispielsweise Wärmenetze bzw. Fernwärmesysteme haben?

Die Fernwärme wird vor allem in dichtbesiedelten urbanen Räumen ihre Punkte machen. Sie konkurriert aber des-halb nicht automatisch mit der Wärmepumpe. Vielmehr gibt es ja längst sehr interessante Ansätze zur Kombination beider Technologien, etwa bei den sogenannten „kalten“ Wärmenetzen, bei denen die Heizwärme faktisch erst beim Verbraucher erzeugt wird und zwar mit Hilfe von Wärmepumpen. Auch kommen dort, wo Fernwärmenetze auf Abwärme aus industrieller Produktion oder Rechenzentren zugreifen, oft Großwärmepumpen zum Einsatz, welche die thermische Energie auf ein verwertbares Level heben. Nicht zuletzt kann eine Großwärmepumpe auch ein kleines Nahwärmenetz bedienen, etwa im ländlichen Raum. Es wird deshalb in vielen Fällen ein technologisches Miteinander geben.

Das Bild zeigt Dr. Nicholas Matten
Quelle: Stiebel Eltron
„Es geht um eine radikale Abkehr von fossilen Brennstoffen – ob zur Erreichung der Klimaschutzziele oder für mehr Unabhängigkeit“, betont Dr. Nicholas Matten die aktuelle Situation.

Kann das Heizen mit grünem Wasserstoff ein Ersatz für fossiles Gas und damit eine Alternative zur Wärmepumpe sein?

Die Idee, bestehende Gasheizungen eines Tages mit grünem Wasserstoff weiterbetreiben zu können, ist aus meiner Sicht zum Scheitern verurteilt. Denn um Wasserstoff zu produzieren und in Wärme umzuwandeln, wird das Fünffache der Strommenge verbraucht, die nötig wäre, um dieselbe Wärmemenge mit einer Wärmepumpe zu erzeugen. Das heißt nicht, dass grüner Wasserstoff nicht wichtig ist: Für Kraftwerke und industrielle Anlagen, für Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr wird er im Kontext der Energiewende unverzichtbar sein. Gefragt sein wird er auch als Speichermedium, um bei verringerter Stromerzeugung durch erneuerbare Energien das Netz via Rückverstromung zu stabilisieren. Damit wird Wasserstoff sehr begehrt sein – und entsprechend teuer. Als heiztechnische Lösung aber ist er nicht geeignet und er ist schon gar nicht die soziale Lösung, nach der alle suchen.

Aber ist die Wärmepumpe nicht in Wahrheit auch nur dann wirklich „grün“ und nachhaltig, wenn ihr Betriebsstrom aus regenerativen Energiequellen stammt?

Nein. Selbst dann, wenn der Betriebsstrom zu 100 Prozent aus einem fossilen Kraftwerk käme – was er zum Glück nicht tut –, wäre die Klimabilanz einer Wärmepumpe noch immer klar besser als die einer Öl- oder Gasheizung, weil ja immer der größte Teil der Nutzenergie aus der Umwelt gewonnen wird. Bei einer Jahresarbeitszahl von 3 würde die bereitgestellte Wärme noch immer zu zwei Dritteln grüne Umweltenergie beinhalten. Aber klar, die Klimabilanz einer Wärmepumpe wird natürlich umso besser, je größer der Anteil grünen Stroms am Betriebsstrom ist. Das ist ja auch ein Vorteil der Wärmepumpe: Mit jedem Tag wird unser Strommix in Deutschland grüner und damit wird auch jede Wärmepumpe, die damit versorgt wird, Tag für Tag immer umweltfreundlicher. Im Idealfall nutzt man einfach den eigenen Strom vom Dach.

Das ist ein gutes Stichwort: Der Dresdner Photovoltaik-Anbieter Solarwatt hat jüngst eine Kooperation mit Stiebel Eltron bekanntgegeben. Was steckt dahinter?

Solarwatt ist ein befreundetes Unternehmen, das konsequent den Weg in Richtung Sektorenkopplung geht. Wenn nun der Fachhandwerker schon Photovoltaik-Anlagen von Solarwatt installiert – was liegt da näher, als ihn in die Lage zu versetzen, dem Endkunden im Zuge der Eigenverbrauchsoptimierung auch gleich den größten Verbraucher im Haus mit anzubieten, nämlich die Heizung? Stiebel Eltron hat schon immer mit dem SHK- und dem Elektro-Fachhandwerk zusammengearbeitet. Insofern fügt sich die Kooperation auch nahtlos in die Tradition unseres Unternehmens ein. Wir bieten zusammen mit Solarwatt ein technisch abgestimmtes System zur sicheren Realisierung einer kompletten Sektorenkopplung. Um die Klimaschutzziele zu erreichen und zudem auch die Abhängigkeit von Energieimporten – vor allem aus Russland – schnell zu reduzieren, müssen wir ohnehin gemeinsam alle professionellen Marktzugänge nutzen.

Schlussfrage: Müssen Millionen Wärmepumpen nicht zwangsläufig zu einem drastischen Anstieg des Strombedarfs führen?

Der Strombedarf von Wärmepumpen wird uns keine Probleme bereiten. Da letztlich alle Energiesektoren dekarbonisiert werden müssen, was zumeist eine Elektrifizierung bedeutet, wird der Strombedarf insgesamt zunehmen, das ist schon richtig. Strom mittel- bis langfristig zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, ist auch vor diesem Hintergrund alternativlos. Aber wenn wir auf Wärmepumpen setzen, wird im Wärmebereich insgesamt weniger Primärenergie benötigt – denn statt die Wärmenachfrage durch das Ausschöpfen fossiler Energiequellen zu decken, kommt der größte Teil dann ja aus der Umwelt. Und wir haben sowohl bei Wärmepumpen als auch bei E-Mobilität sehr oft die Chance, den Zeitpunkt des Energiebedarfs vom Bedarfszeitpunkt anderer Verbraucher zu entkoppeln. Sicher wird für eine Übergangsphase ein Teil der eingesparten fossilen Brennstoffe verstromt werden müssen, um eine zuverlässige Bedarfsdeckung zu gewährleisten. Das ist aber noch allemal um ein Vielfaches effizienter und umweltfreundlicher, als weiterhin Öl und Gas zum Heizen zu nutzen.

Weitere Informationen unter: www.stiebel-eltron.de

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  • Das für den Wärmepumpeneinbau erforderliche Wissen muss dem SHK-Fachhandwerk so schnell, effizient und verständlich wie möglich vermittelt werden. Im Schulungszentrum „Energy Campus“ von Stiebel Eltron im niedersächsischen Holzminden, aber auch an den anderen deutschlandweiten Standorten des Herstellers, werden regelmäßig Schulungen zum Thema „Wärmepumpe“ angeboten.
  • Stiebel Eltron hat ein dreistufiges Partnerprogramm mit vielfältigen Schulungsmaßnahmen und Serviceleistungen ins Leben gerufen, durch das sich Fachhandwerker zum „Wärmepumpenprofi“ qualifizieren können.
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  • Aus den Kinderschuhen ist die Wärmepumpentechnik längst raus. Es sei demnach ein Märchen, dass sich Bestandsgebäude nur dann mit einer Wärmepumpe beheizen ließen, wenn umfassend saniert und eine Fußbodenheizung nachgerüstet würde, so der Stiebel Eltron Geschäftsführer.
  • „Es geht um eine radikale Abkehr von fossilen Brennstoffen – ob zur Erreichung der Klimaschutzziele oder für mehr Unabhängigkeit“, betont Dr. Nicholas Matten die aktuelle Situation.
Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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