Wärme

Thema Heizung: Wo steht der Heiztechnikmarkt in zehn Jahren?

Interview mit Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland

Freitag, 09.09.2016

Bei Heizungen gibt es immer mehr Innovationen – aber immer schneller drehen sich in der Heiztechnik-Branche nicht nur das Innovations-Rad, sondern auch die Rahmenbedingungen für den Erfolg am Markt. Mit Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland, sprach das HeizungsJournal über seine Sicht auf den kommenden Heiztechnikmarkt.

Tillmann von Schroeter im Interview zum Thema Markt für Heizungen.
Quelle: Vaillant
Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland.

Zusammen mit Ihnen möchten wir einen Blick auf die Branche in zehn Jahren werfen, Herr Dr. von Schroeter. Welche Produkte und Technologien werden aus Ihrer Sicht dann den Markt für Heizungen dominieren?

Welche Heizungen erfolgreich sind, hängt auch von den Vorgaben der Politik ab. Die meiste Energie im Gebäude verbraucht die Heizung. Das weiß auch die Politik. Deswegen rechnen wir damit, dass der Einsatz erneuerbarer Energieträger gesetzlich vorgeschrieben wird. Das geben auch die Klimaziele der Bundesregierung und der EU vor. Davon werden vor allen Dingen Luft/Wasser-Wärmepumpen profitieren. Wir arbeiten hier intensiv an neuen, innovativen und effizienten Lösungen. Gerade im Baubestand können diese Neuentwicklungen dazu führen, dass auch hier die Luft/Wasser-Wärmepumpe ihren Siegeszug fortsetzen wird.

Die Solarthermie wird kaum noch weiter wachsen. Im Kampf um die geeigneten Dachflächen hat die Photovoltaik mehr Befürworter. Pelletheizungen haben unserer Ansicht nach vor allen Dingen als Ersatz für Ölkessel eine Bedeutung.

Gas-Brennwertgeräte werden in zehn Jahren noch die Nummer eins sein. Gasgeräte sind eine wichtige Brückentechnologie. Auch die Stromerzeugung in der Kraft-Wärme-Kopplung benötigt Gas. Die nächste Generation der Gas-Brennwerttechnik führen wir Ende diesen Jahres als Brennstoffzellen-Heizgerät in den Markt ein. Wir sind fest davon überzeugt, dass die dezentrale Erzeugung von Wärme und Strom aus Gas viele Probleme im Markt lösen kann. Mit dem Brennstoffzellen-Heizgerät haben wir eine überzeugende Antwort dafür. Sobald „xellPOWER“ in größeren Serien produziert wird, können wir die Herstellungskosten weiter reduzieren. Dadurch erschließen wir neue Märkte.

Eine Gas-Brennwertheizung in einem Bad.
Quelle: Vaillant
Gas-Brennwertheizungen dominieren auch in zehn Jahren noch den Markt.

Womit wir nicht rechnen, sind immer komplexere Systeme, sondern wir sehen ganz im Gegenteil immer kompaktere Geräte, die möglichst viel Funktionen in einem Gehäuse bieten. Nur so lassen sich Installationszeit und potentielle Fehlerquellen minimieren.

Wie wird denn in zehn Jahren Ihrer Ansicht nach ein typisches Mehrfamilienhaus aus den 70er-Jahren beheizt werden?

Wenn das Mehrfamilienhaus grundlegend energetisch saniert wurde, gibt es eine zentrale Heizung. Am ehesten eine Heizung mit einer Wärmepumpe. Ist es unsaniert, wird weiterhin die Gas-Etagenheizung dominieren.

Dreistufiger Vertriebsweg weiterhin erste Wahl

Kommen wir von der Technologie zum Vertrieb in zehn Jahren. Wie wird das typische Vertriebsmodell bei Heizungen für den Hersteller und den Fachhandwerker dann aussehen?

Bei Vaillant glauben wir, dass auch in zehn Jahren der klassische dreistufige Vertriebsweg mit seinen zahlreichen Vorzügen die erste Wahl ist. Eine Just-in-time-Lieferung zum Fachhandwerk oder auf die Baustelle wird immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um den Wärmeerzeuger, sondern das gesamte SHK-Sortiment. Hier ist und bleibt der Großhandel im dreistufigen Vertrieb unschlagbar. Mit teilweise drei Touren pro Tag profitieren wir von einer sehr schnellen Verfügbarkeit. Und genau das ist ausschlaggebend. Die Kunden wollen die Produkte, die sie bestellen, immer schneller haben. Da machen Immobilienbesitzer keine Ausnahme.

Im Augenblick bestellen nur drei Prozent der Hausbesitzer ihre neue Heizung online. In zehn Jahren werden das nach unseren Marktanalysen schon über zehn Prozent sein. Darauf müssen wir uns einstellen. Deswegen haben wir gemeinsam mit unseren Partnern aus dem Fachhandwerk ein Online-Vertriebsmodell aufgestellt. Das testen wir aktuell im Markt. Es gibt im Markt zwei typische Onlinekäufer. Der eine sucht den günstigsten Preis eines Heizgeräts. Hierfür gibt es bereits verschiedene Internetportale. Der andere hat unter der Woche nur wenig Zeit. Abends oder am Wochenende will er dann über das Internet schnell den Preis für eine neue Heizung wissen. Hierbei kommt es nicht unbedingt auf einen niedrigen Preis an. Dieser Onlinekäufer will vielmehr eine verlässliche und schnelle Lösung inklusive Einbau. Daran arbeiten wir mit „HeizungOnline“.

Die Startseite von
Quelle: Vaillant
In zehn Jahren werden voraussichtlich zehn Prozent aller Heizungen online gekauft.

Nun interessiert uns Ihre Meinung zu den Herausforderungen an den Fachhandwerksbetrieb in zehn Jahren. Auf welchen Partner bereitet sich Vaillant hier vor?

Die meisten Endkunden suchen sich ihren Fachhandwerker auch künftig vor Ort aus. Deswegen denken wir, dass auch in zehn Jahren der Betrieb die Nase vorn haben wird, der über ein durchdachtes Empfehlungsmarketing vor Ort bekannt ist.

Parallel wird der Beruf des Fachhandwerkers immer anspruchsvoller. Neue Technologien, informiertere Kunden und ein großer Wettbewerb um gute Mitarbeiter am Arbeitsmarkt sind dazu nur einige Stichworte. Die Fortbildung dieser Mitarbeiter wird eine entscheidende Rolle spielen.

Wie können wir dabei als Hersteller unterstützen? Durch immer schneller und einfacher installierbare Produkte. Nur so können wir immer mehr Fachhandwerker für die Installation neuer Technologien begeistern.

Doch auch dann werden sich die Fachhandwerker spezialisieren. Das zeichnet sich ja bereits heute ab. Wenn wir die rund 50.000 Fachhandwerks-Unternehmen in Deutschland sehen, bauen immer noch verhältnismäßig wenig Wärmepumpen ein. Noch weniger sind es bei Blockheizkraftwerken. Neue Technologien kommen aber immer schneller auf den Markt. Da kann es sich kaum ein Betrieb noch leisten, seine Mitarbeiter zu allen wichtigen Trainings zu schicken. Eher wird er sich auf bestimmte Trainings und Technologien konzentrieren. Für den Rest wird er sich Partner suchen.

Was können Sie als Hersteller dem Fachhandwerker dann als Lösungen anbieten?

Technologien wie Gas-Brennwert sind das Basisgeschäft im Fachhandwerk. Wir müssen dafür sorgen, dass die sich ohne großen Trainings-Aufwand planen und installieren lassen.

Wie schnell eine Technologie aber plötzlich ein ganz anderes Gewicht bekommt, zeigt mir das Beispiel unserer Tochtergesellschaften in Österreich und der Schweiz. Hier sind Luft/Wasser-Wärmepumpen zum umsatzstärksten Segment geworden. Das war vor wenigen Jahren noch unvorstellbar. Deswegen gibt es hier keinen Ausweg: Sowohl wir als auch das Fachhandwerk müssen uns ständig weiterbilden, das Ohr am Markt haben und sich neuen Entwicklungen gegenüber offen zeigen.

Der Fachhandwerker muss sich auch auf einen neuen Endkunden einstellen. Einen Endkunden, der immer ungeduldiger ist und möglichst sofort eine Antwort haben will. Früher hat es vielleicht gereicht, ein Angebot nach zwei Wochen abzugeben. Jetzt wird es am nächsten Tag erwartet. Im Internet bekommt er es sogar in wenigen Minuten. Ist das Angebot dann nicht da, ist das Risiko groß, dass der nächste Fachhandwerker angesprochen wird. Wer am schnellsten reagiert, hat häufig den Auftrag. Das gilt nicht nur für den privaten, sondern auch den gewerblichen Kunden. Dieser möchte auch mit viel mehr Informationen versorgt werden. Beispielsweise in der Wohnungswirtschaft, wo es auf schnelle Reaktion ankommt, wenn die Heizung ausfällt. Ist die Reparatur beauftragt, möchte der Kunde wissen, wann der Monteur vor Ort ist, wie es mit der Reparatur gerade steht und sobald sie abgeschlossen ist, was defekt war…, ähnlich wie bei der Paketverfolgung. Genau das wird auch in unserem Markt immer wichtiger.

Digitalisierung der Heizung wird sich beschleunigen

Bildschirm mit einer geöffneten Anwendung.
Quelle: Vaillant
Die Digitalisierung der Alltagsarbeit wird zu einem beherrschenden Thema im Markt für Heizungen.

Wie sehen Sie in diesem Umfeld die Relevanz der Digitalisierung?

In der Digitalisierung sehen wir drei grundlegende Themen:

Erstens: Für den Endkunden wird eine Vernetzung in seinem Haus viel selbstverständlicher.

Zweitens: Wie bieten wir für vernetzte Heiztechnik noch bessere Dienstleistungen wie zum Beispiel eine Wärmegarantie?

Und drittens: Durch eine immer digitalisiertere Welt werden wir noch besser zusammenarbeiten.

Das beste Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Handel. Das läuft schon fast ausschließlich digital. Unser Trainingsangebot können wir dagegen noch weiter digitalisieren. Wenn es sich nicht um die Arbeit am Gerät handelt, können wir unseren Partnern hier noch viel mehr online anbieten. Das lässt sich dann auf Wunsch jederzeit abrufen, wenn gerade Zeit für ein Training ist. Oft wird dem Fachhandwerk ja ein gewisses Beharrungsvermögen nachgesagt. Wir können davon nichts feststellen. Im Gegenteil: Viele unserer Fachhandwerkspartner sind aufgeschlossen und auf Innovationen ausgerichtet. Durch den Generationswechsel wird sich das noch weiter beschleunigen. Auch hierzu ein gutes Beispiel: Über unsere neue App zur Erfassung von VEP-Punkten (VEP = Vaillant Exzellenz Partner) werden in manchen Regionen schon rund 70 Prozent aller Produkte per Smartphone-Scan erfasst.

Wie bewerten Sie das Eindringen neuer Technologien wie beispielsweise der VRF-Technik in den Heiztechnik-Markt? Hier werden gleichzeitig Heiz- und Kühlaufgaben abgedeckt. Ist das eine Herausforderung, der sich die Unternehmen stellen müssen?

Ich als gebürtiger Karlsruher sage klar ja. In meiner Heimatregion gab es letztes Jahr zwölf heiße Tage. In meiner Kindheit gab es fünf bis sieben Tage und mittelfristige Prognosen gehen von über 30 heißen Tagen aus. Wie in südlichen Ländern, wird Kühlung selbstverständlich, wenn die Menschen nachts nicht mehr komfortabel schlafen können. Aus unserer Sicht ist die Wärmepumpe dann wieder Schlüsseltechnologie. Sie liefert nicht nur die Wärme, sondern kühlt auch aktiv oder passiv. Ohne Lüfter und über die Fläche wie zum Beispiel das Fußbodensystem. Dieser Komfort lässt sich schnell und einfach umsetzen – vor allen Dingen im Neubau.

Im Baubestand lösen Split-Klimageräte das besser. Deswegen nehmen wir in Deutschland künftig wieder Klimageräte in unser Produktprogramm auf.

Findet aus Ihrer Sicht denn beim SHK-Fachhandwerk ein Umdenken in Bezug auf den Einsatz von Kältemitteln statt?

Bei vielen Betrieben in jedem Fall. Für die kleineren Unternehmen müssen wir Dienstleistungen anbieten, wenn sie Klimageräte installieren und keinen Sachkundenachweis erwerben wollen. Wir sehen, dass sich Fachhandwerker in den letzten Jahren immer mehr strategische Partner suchen. Beispielsweise bei Blockheizkraftwerken. Einer vermarktet und installiert sie. Ein Partner übernimmt die Inbetriebnahme und Wartung. Das sind Erfolgsmodelle.

Kontinuität und Augenmaß der Politik entscheidend

Die Politik bietet der Branche derzeit viele Steilvorlagen für eine Erhöhung der Austauschquote. Was wünschen Sie sich von der politischen Seite in den kommenden zehn Jahren?

Vor allen Dingen Kontinuität und ein klares Bekenntnis zur dezentralen Stromerzeugung mit Gas als Brücken-Technologie. Auch die Verhältnismäßigkeit von Verordnungen ist wichtig – siehe Baden-Württemberg. Wenn die Vorgaben und Anforderungen zum Heizungswechsel extrem hoch sind, lassen die Leute ihren alten Heizkessel solange laufen, wie es geht. Umweltschonende Heizungen werden dann noch später eingebaut. Das ist kontraproduktiv für alle Beteiligten.

Welchen Herausforderungen wird sich Vaillant in zehn Jahren stellen müssen?

Unverzichtbar sind unsere sehr guten Partnerschaften mit dem Fachhandwerk, die wir weiter ausbauen wollen. Dafür – und das ist die Herausforderung – müssen wir uns quasi jeden Tag neu erfinden. Mit neuen Dienstleistungen und Produkten. Die größte gesellschaftliche Herausforderung ist es, die Austauschquote völlig veralteter Heiztechnik zu steigern. Nur so können wir die CO2-Emissionen weiter senken. Völlig unklar ist aus unserer Sicht, wie unsere Partner auf der Versorgerseite in zehn Jahren aussehen und welche Rolle sie spielen.

Die Digitalisierung wird in jedem Fall zur unverzichtbaren Basis aller Geschäfte. Wie derzeit mit „HeizungOnline“ entwickeln sich hier völlig neue Wege auch im Vertrieb. Spannend ist auch eine Effizienzgarantie. Vielleicht können in Zukunft unsere Handwerkspartner ihren Endkunden versprechen, dass ihre Heizung immer effizient arbeitet – auch bei einer Wärmepumpe. Dabei sind wir als Hersteller gefragt: indem wir dem Handwerk und dem Endkunden ein überzeugendes Monitoring unserer Technik bieten.

Weitere Informationen unter:

www.vaillant.de www.heizungonline.vaillant.de

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