Wärme

Natürliches Heizungswasser als Nachhaltigkeitsziel

Mittwoch, 24.06.2020

Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltschutzziele gewinnen als gesellschaftliche Themen massiv an Bedeutung.

Sie beeinflussen immer stärker auch das Image des SHK-Handwerks und des TGA-Planers. Mit der Kombination der neuen VDI 2035 Blatt 1 E und des "ALARP"-Prinzips ("as low as reasonably practicable – so niedrig wie vernünftigerweise praktikabel") reduziert der Heizungsbauer Investitionskosten und vermeidet Abfälle im Bereich der Heizungswasseraufbereitung: Eine "Grüne Agenda", die viele Kunden überzeugt.

Klima- und Umweltschutzziele beherrschen seit geraumer Zeit bereits die Themen vieler Tagungen ebenso wie die Schlagzeilen der lokalen wie der internationalen Presse. Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass Kunden (Planer, Installateure, Endkunden) mittelfristig jedes Unternehmen an seinen Nachhaltigkeitszielen messen werden. Der eine oder andere Anbieter ist versucht, dabei die Faktenlage zu ignorieren. Heizungsbauer sollten sich auf solche "Mogelpackungen" nicht einlassen. Die Forderung der Klima-Aktivistin Greta Thunberg ("Hört den Wissenschaftlern zu!") muss auch im SHK-Handwerk gelten.

Am Beispiel der Heizungswasseraufbereitung lässt sich der Stand von wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Normenvorgaben klar beschreiben – und aufzeigen, woran die praktische Umsetzung leider noch zu oft scheitert. Um es deutlich zu machen: Bei der Herstellung von Heizungsbefüllwasser können Unternehmen den Einsatz von die Umwelt belastenden bzw. giftigen Stoffen begrenzen. Kurz: Sie können Abfälle vermeiden.

In einer ganzen Reihe von Fachaufsätzen – beispielhaft sei der Beitrag "Inhibitoren im Heizungswasser – sinnvoll oder überflüssig?" (vgl. SBZ 06-2017) genannt –wird regelmäßig festgestellt, dass sich Experten auf eine zentrale Aussage einigen können: Die Qualität des Heizungswassers ist für den dauerhaften, effizienten und problemlosen Betrieb von Heizanlagen entscheidend und auch für die Gewährleistung der Hersteller wichtig. Diese Erkenntnis wird auch in dem im März 2019 erschienenen Entwurf der neuen VDI 2035 Blatt 1 bestätigt. Der Weißdruck der im Oktober 2019 verabschiedeten neuen VDI 2035 sollte im Frühjahr 2020 publiziert werden; er führt die aktuell bestehenden Blätter 1 und 2 (also die bisher getrennt behandelten Themen "Steinbildung" und "wasserseitige Korrosion") zu einem einzigen Blatt zusammen ("Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen – Steinbildung und wasserseitige Korrosion").

Die Neufassung berücksichtigt nunmehr "Steinbildung" und "wasserseitige Korrosion" in einem einzigen Blatt auf 43 Seiten in deutscher Sprache, wohingegen die beiden Vorgängerblätter jeweils auf 66 Seiten in deutscher und englischer Sprache erschienen sind. Da die Schweizer mit ihrer SWKI-Richtlinie BT 102-01 und die Österreicher mit ihrer ÖNORM H 5195 1/2 eigene Richtlinien erstellt haben, ist die Reduzierung um etwa ein Drittel Papiervolumen durchaus erwähnenswert.

Es stellt sich natürlich die Frage, was die Zusammenführung der aktuellen Blätter 1 und 2 konkret an Änderungen mit sich bringt. Was hat der Heizungsbauer künftig zu beachten?

Vermeiden der Steinbildung: VDI 2035 alt/VDI 2035 neu

Davon ausgehend, dass die neuen Tabellen "Richtwerte für das Füll- und Ergänzungswasser sowie das Heizwasser" des Entwurfs keine wesentlichen Änderungen mehr erfahren, kann in Bezug auf die Gesamthärte [in °dH] und das spezifische Anlagenvolumen [in l/kW Heizleistung] der Unterschied mit einer einfachen Grafik dargestellt werden. Anmerkung: Es gibt "Experten", die die Parameter des Füllwassers zur falschen Zeit, am falschen Wasser und mit falschen Messgeräten messen.

Das Diagramm zeigt die erlaubte Kalkmenge für eine Heizungsanlage laut neuer und  alter VDI 2035.
Quelle: BWT
Gegenüberstellung der neuen und der alten VDI 2035.

Übrigens: Die Schweizer SWKI-Richtlinie BT 102-01 hat das Problem der unterschiedlichen Härtevorgaben ganz einfach gelöst: Das Füll- und Ergänzungswasser muss auf <100 µS/cm entsalzt werden. In der neuen VDI 2035 steht unter Punkt 8.3 "Wasseraufbereitung", dass die Enthärtung und Entsalzung bevorzugte Verfahren der Wasseraufbereitung sind. Die in der 2005er-VDI als wasserseitige Maßnahmen genannten Verfahren "Härtestabilisierung" bzw. "Härteausfällung" gibt es nicht mehr (siehe Punkt 4 der alten VDI und Punkt 8.3 der neuen VDI – "Die Zugabe dieser Zusatzstoffe ist somit überflüssig"). Es ist dies eine erwähnenswerte, ökologische Aufforderung: Vermeidung von überflüssigem Abfall!

Das ist im oben erwähnten Fachbeitrag leider noch nicht berücksichtigt, werden doch unter der Zwischenüberschrift "Maßnahmen unter der Lupe" die wasserseitigen Maßnahmen zur Vermeidung von Steinbildung mit überholten Behauptungen zum Thema Korrosion verknüpft. Im Fazit des Beitrags werden zudem Teile der alten VDI 2035 Teil 1 (Steinbildung) herangezogen. Das ist nicht als Vorwurf zu verstehen, sondern beschreibt das Schicksal so mancher älterer Fachbeiträge, das man sich als Leser immer wieder vor Augen halten sollte ("Das Internet vergisst nichts!").

Heute ist hingegen klar: Wird ein Füllwasser enthärtet oder entsalzt, benötigt man keine Zusatzstoffe; sie sind also nicht sinnvoll, verursachen nur Kosten und belasten die Umwelt unnötig.

Korrosionsschutz im Heizwasser: VDI 2035 alt/VDI 2035 neu

Der allgemeine Grundsatz, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Schäden bei fachgerechter Planung und Inbetriebnahme in korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen gering ist, hat sich nicht geändert (Punkt 4 der alten und neuen VDI-Richtlinie).

Wenn jetzt Experten feststellen, dass der Wert für Sauerstoff (0,02 mg/l bzw. 0,1 mg/l bei salzarmer Fahrweise) nicht mehr in der Tabelle 1 vorgegeben ist, sollte der Text in der Richtlinie gelesen werden:

"Für die wasserseitige Korrosion ist überdies der Sauerstoffgehalt von entscheidender Bedeutung. Erfahrungsgemäß ist die Wahrscheinlichkeit für Korrosionsschäden gering, wenn der Sauerstoffgehalt im bestimmungsgemäßen Betrieb den Wert von 0,10 mg Sauerstoff je Liter Wasser nicht überschreitet. Bei korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen stellen sich im laufenden Betrieb erfahrungsgemäß sogar Werte unter 0,02 mg/l ein."

Die Tabelle zeigt die Richtwerte für Füll- und Ergänzungswasser in Heizungsanlagen.
Quelle: BWT
Die neue VDI 2035 Blatt 1 (Entwurf 2019 – Tabelle 1, S. 13).

In der Bewertung, dass Sauerstoffeintrag im System zu vermeiden ist, hat sich also nichts geändert. Wird der Tipp "Führen Sie die Nagelprobe vor" aus dem genannten Fachaufsatz beim Kundengespräch in der Praxis als "kostenloses Tool" eingesetzt und der Fachhandwerker erklärt seinem Kunden: "Das, was Sie hier sehen, geschieht auch in der Heizung", kann die Sinnhaftigkeit dieses Tools ganz einfach aus der Norm abgelesen werden:

Lessons learned: Das Kunststoffröhrchen ist kein (!) korrosionstechnisch geschlossenes System und verfügt somit immer über Sauerstoff für die Korrosionsprozesse.

Das konnte in der VDI 2035 Blatt 2 (2009) unter Punkt 8.3.2 "Inbetriebnahme" ("Der Zusatz von Chemikalien ist als Korrosionsschutz in der Regel nur bei korrosionstechnisch offenen Anlagen erforderlich") und im Punkt 8.4.3 "Korrosionsinhibitoren" ("…nur bei ständigem, durch andere Maßnahmen nicht vermeidbarem Sauerstoffeintrag notwendig") bereits nachgelesen werden. Letztendlich wurde das unter Punkt 8.4 "Wasserbehandlung" noch deutlicher formuliert: "Eine Wasserbehandlung durch Zugabe von Chemikalien soll auf Ausnahmen beschränkt sein." Diese Aussage wird im Entwurf der neuen VDI 2035 wortwörtlich übernommen und um den Hinweis "...in denen trotz Ausschöpfung aller technischen Maßnahmen…" ergänzt (Punkt 8.4.1 neue VDI 2035 Blatt 1).

Die neue VDI 2035 definiert unter Punkt 8.4.4 "Korrosionsinhibitoren", dass Anlagen mit ständigem, durch andere Maßnahmen nicht vermeidbarem Sauerstoffeintrag (korrosionstechnisch offene Anlage) nicht (!) in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

Lessons learned: Wer als Heizungsbauer solche Zusatzmittel einsetzt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass ein Endkunde aus der Zugabe schließen kann, dass der Heizungsbauer eine "korrosionstechnisch nicht geschlossene" Anlage erstellt/gebaut hat.

Viel wichtiger: In der neuen VDI 2035 gibt es unter Punkt 7 "Richtwerte und Empfehlungen" zum Beispiel für das Heizwasser klare zu messende und zu dokumentierende Parameter. Zu messen und zu dokumentieren sind Aussehen (Farbe zeigt Korrosion an), elektrische Leitfähigkeit, pH-Wert und eventuell Härte. Eine gelblich-bräunliche Färbung deutet auf eine mögliche Eisenkonzentration hin. Deshalb hat dann eine Bestimmung des Eisengehaltes zu erfolgen. Liegt der Wert über 0,5 mg/l (wie in der Schweiz), sind eine gezielte Ursachensuche und Ursachenbeseitigung erforderlich. Ursachen können beispielsweise Mängel in der Druckhaltung, hohe Nachspeisemengen, diffusionsoffene Bauteile, unbeabsichtigter Eintrag von Wasser-Frostschutzmittel-Gemischen, nicht abgesperrte automatische Entlüfter sein. Die neue Norm stellt auch klar, dass pH-Werte im Rahmen der nächsten Wartung bzw. frühestens jedoch nach zehn Wochen Heizbetrieb im Heizwasser zu messen und zu dokumentieren sind.

VDI 2035 neu: beispielhafte Mängel-Liste

Die neue VDI 2035 Blatt 1 hat eine für Praktiker erstellte Tabelle 2 neu aufgenommen, mit Beispielen für Mängel, deren Ursachen und mögliche Abhilfemaßnahmen. Im Anhang I folgen sehr gut beschriebene Hinweise zur Messung von elektrischer Leitfähigkeit und pH-Wert – hier findet sich auch die Forderung, dass Messgeräte mittels Zwei-Punkt-Messung (pH 7/10) zu kalibrieren sind. So müsste also jedem Fachmann klar sein, dass der pH-Wert im Heizwasser (nicht im Füllwasser) nach frühestens zehn Wochen mit einem richtigen Messgerät zu prüfen und zu dokumentieren ist.

Die früher gern erzählten Tipps, warum von Anfang an beim Befüllen eine pH-Korrektur oder der Einsatz von Inhibitoren notwendig seien, können somit endgültig als überholt gelten. Das wunderbare Bild, wo der Heizungsbauer dem Kunden seine Kompetenz per Analysenprotokoll einer Heizungswasserbehandlung nachweist, wäre vor diesem Hintergrund schnell als überflüssig, ja sogar als nicht sinnvoll erkennbar.

Lessons learned: Die nicht von der Norm geforderten Zusatzstoffe bringen nicht-normenkonforme Ergebnisse.

Auch beim Thema "Eisen" ist kurzes Nachdenken hilfreich: Würde der Heizungsbauer mit aktuellem Wissensstand auf dem "Systemcheck-Report" einen Eisengehalt (ppm = mg/l) mit einem empfohlenen Ergebnis "maximal 125 ppm bei Behandlung mit X100" lesen, stellt sich doch die Frage: Wie bewertet er die geforderten 0,5 ppm Eisen aus der Norm?

Häufig wird erst durch den Einsatz von Zusatzstoffen das Eisen (ist als Magnetit schwarz und lagert sich ab) in Schwebe gebracht. So lassen sich dann die häufig auftretenden hohen Eisengehalte und das farbige Aussehen erklären. Die vom Hersteller vorgebrachte Argumentation, dass nach Zugabe des "Vollschutzproduktes" die gewollte Reinigungs- und Lösewirkung im Heizkreislauf einsetzt und diese dann zu der deutlichen Erhöhung der Schlamm- und Schwebstoffbelastung führt, ist in keinem Kapitel der Norm beschrieben.

Wie könnte der Heizungsbauer wirklich begründen, dass durch seine – nicht in der Norm geforderte – Zugabe von Zusatzstoffen der Eisengehalt 250-fach höher sein darf? Möchte der Heizungsbauer seinem Kunden oder auch der jungen Generation ("Fridays for Future") erklären, warum er die Umwelt bei einem Systeminhalt von 1.000 Litern Heizungswasser

  • mit 10 kg "X300"-Reiniger (im Ratgeber steht zu lesen: "Laut VDI 2035 müssen Sie eine neu installierte Heizungsanlage…"),
  • dann einem 2- bis 3-fachen Wasserwechsel, um das System frei zu spülen,
  • mit 10 kg "X100"-Inhibitor ("Der Inhibitor gewährleistet langfristig den Schutz gegen Kalkablagerungen und Korrosion…"),
  • und mit überflüssigen Kosten belastet?

Alle diese Zusatzstoffe werden beim Ablassen in die Umwelt abgegeben. Wer einmal das Sicherheitsdatenblatt angefordert und gelesen hat,

  • "X3002 = 10 bis 20% Triethanolamin x 10 kg = 1 bis 2 kg,
  • 1 bis 3% Benzotriazol x 10 kg = 100 bis 300 g,

wird erschrecken. Denn das schreibt "Wikipedia" zur Umweltrelevanz:

"Benzotriazol ist relativ gut wasserlöslich und schwer abbaubar. Es wird daher in Kläranlagen nur zu einem kleinen Anteil eliminiert und gelangt in großen Mengen in Flüsse und Seen. In europäischen Flüssen werden typischerweise Konzentrationen im drei- bis vierstelligen Nanogramm-pro-Liter-Bereich gemessen."

Im Rhein an der niederländischen Grenze werden, je nach Jahreszeit, Benzotriazol-Werte zwischen 700 und 1.500 ng/l gemessen. Die gemeinnützige Organisation VSR-Gewässerschutz e.V. fordert einen Grenzwert von 100 ng/l. Das bedarf keiner weiteren Diskussion.

Eine Kläranlage.
Quelle: BWT
Benzotriazol ist relativ gut wasserlöslich und schwer abbaubar. Es wird daher in Kläranlagen nur zu einem kleinen Anteil eliminiert und gelangt in großen Mengen in Flüsse und Seen.

Warum geben wir so etwas in die Umwelt, wenn es überflüssig ist?

"Du kommst hier nicht rein!"

Eine Vermeidung wäre gelebter Umweltschutz. So werden zum Beispiel mit 300 g dieser überflüssigen Chemikalie etwa 3 Millionen Liter Rheinwasser auf den Grenzwert 100 ng/l gebracht (300 g = 300.000 mg = 300.000.000 µg = 300.000.000.000 ng). Noch viel wichtiger zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit von Menschen wäre eine Bewertung des Einsatzes von Triethanolamin. Mit dem überflüssigen Einsatz von "X300" (1 Liter auf 100 Liter Heizungswasser verbleibt nicht dauerhaft in der Anlage) werden also nach einer Woche durch "Zusatzarbeit" diese vermeidbaren Stoffe aus dem System in die Umwelt gespült. So werden der Umwelt bei der Behandlung von 1 m³ (1.000 l) Heizungswasser

  • 1 bis 2 kg Triethanolamin (1.000 bis 2.000 g bzw. 1.000.000 bis 2.000.000 mg) und
  • 100 bis 300 g Benzotriazol

überflüssigerweise zugeführt. Nach dem Spülvorgang sollen dann

  • 1 Liter "X100" auf 100 Liter Heizungswasser

zum Schutz gegen Kalkablagerungen (Frage: Warum wird enthärtet bzw. entsalzt?) und gegen Korrosion zugegeben werden (man lese bitte in der neuen VDI 2035 Blatt 1 E den Punkt 8.4.4 "Korrosionsinhibitoren").

Auszug Sicherheitsdatenblatt 16/Jul/17

Borat: 1–5 % x 10 kg = 100–500 g

Molybdat: 1–5 % x 10 kg = 100–500 g

Natriumnitrat: 1–3 % x 10 kg = 100–300 g

Triethanolamin: 1–10 % x 10 kg = 100–1.000 g

Im Heizungswasser befindet sich nun eine definitiv in der VDI 2035 Blatt 1 nicht notwendige Chemikalienmischung. Wird Triethanolamin (Voraussetzung: reines, sauberes Produkt) als einzige Chemikalie betrachtet, so ist das nicht besonders gefährlich. Gefährlich ist das, was daraus entstehen kann: Denn wird ein Amin mit nitrosierenden Agenzien (wie z.B. Nitrit, das aus Nitrat gebildet wird; s. VDI 2035 Blatt 1 E, Punkt 6.4.9.2, "Biofilme und mikrobiell beeinflusste Korrosion MIC" bzw. "Abbau von Inhibitoren") zusammengebracht, können sich Nitrosamine bilden. Dies sind Stoffe, die im Verdacht stehen, Leber, Nieren und Erbgut zu schädigen und die zu den krebserregenden Stoffen zählen. Das Hauptziel der Kosmetik- wie auch der Kühlschmierstoffindustrie gilt seit Jahren auch für alle Industrieanwendungen: "Nitrosaminbildung so gering wie technisch erreichbar". Besser wäre doch: Einsatz vermeiden!

In der Kosmetikindustrie gibt es mittlerweile eine Initiative mit dem Slogan "Du kommst hier nicht rein!" Naturkosmetik hat dies garantiert und zertifiziert keine bedenklichen Inhaltsstoffe. Jeder kann das im Internet unter der Suchanfrage "Du kommst hier nicht rein: Triethanolamin – naturalbeauty.de" nachlesen.

In Kühlschmierstoffen ist der Einsatz schon lange durch die technische Richtlinie Gefahrenstoffe TRGS 611 geregelt. In der neuen VDI 2035 Blatt 1 E kann unter 8.4.3 "Alkalisierung" folgende Anmerkung nachgelesen werden: "Kommen Amine zum Einsatz, so ist aufgrund der Gefahr der Bildung von N-Nitrosaminen die TRGS 615 (Verwendungsbeschränkungen für Korrosionsschutzmittel, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können) zu beachten."

Mehr als eindeutig: Zugabe von Stoffen nur für Ausnahmen

Wenn die VDI 2035 Blatt 1 E fünfmal eine Wasserbehandlung durch Zugabe von Stoffen nur für Ausnahmen zulässt und sogar schreibt, dass Anlagen, die einer solchen Behandlung bedürfen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, ist das bemerkenswert. Die Abkehr von Chrom(VI)-Verbindungen oder Hydrazin als Korrosionsschutzmittel hat auch lange gedauert, aber letztendlich haben die verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte von 0,005 mg/m³ bzw. 0,013 mg/m³ für Hydrazin sehr schnell für ein allgemeines Vermeiden dieser Produkte gesorgt. Neben der Gefahr durch die Kombination von Nitrat und Triethanolamin, dass sich in sauerstoffarmem Wasser und unter Temperatureinwirkung ein krebserzeugendes Produkt bilden kann, sollten die Angaben des Sicherheitsdatenblattes einmal aus Gesundheitsgründen intensiver angeschaut und bewertet werden.

Eine Angabe (TWA in ng/m³) gibt die Konzentration eines chemischen Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz in einem Referenzzeitraum von acht Stunden an. "STEL"-Werte sind Angaben für 15 Minuten (engl.: "short-term exposure limit"). Informieren sich "Anwendungsexperten" (diese sind gesetzlich gefordert) in der Tabelle 8.1 des Sicherheitsdatenblatts, fällt Folgendes auf:

  • Für Borat-Verbindungen gibt es nur in Spanien einen TWA-Wert (Anm.: diese Mitarbeiter sind wohl empfindlicher als der Rest Europas).
  • Für Molybdat-Verbindungen gibt es in mehreren Ländern TWA-Werte von 0,5 bis 10 mg/m³.
  • Bei Triethanolamin gelten Werte von 0,5 bis 5 mg/m³.

Um diese TWA-Werte einzuhalten, hat der Inverkehrbringer nach Sicherheitsdatenblatt Folgendes einzuhalten: "Stelle ausreichende Belüftung zur Verfügung einschließlich angemessener örtlicher Extraktion, damit die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte gewährleistet ist." Sicherlich versteht jeder, was damit gemeint ist: Die persönliche Schutzausrüstung Korbbrille (EN 166), Schutzhandschuhe (EN 374), langärmelige Arbeitskleidung und Atemschutz (gewöhnlich nicht erforderlich) – bei unzureichender Belüftung "Atemschutzgerät" – anlegen. Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Das lässt sich i.d.R. beim Befüllen eines Heizsystems beim notwendigen Entlüften in einem Raum schwer machen.

Aber: Wer solche nach Norm überflüssigen Mittel einsetzt, liest sicher nicht die VDI 2035. Warum kann dann davon ausgegangen werden, dass ein Sicherheitsdatenblatt (müsste bei jeder Lieferung beigelegt sein) angefordert und auch gelesen wird?

Fakt ist: Nach Sicherheitsdatenblatt werden beim Ablassen von 1 m³ Heizwasser etwa 400 bis 2.300 g nicht sinnvolle, sondern überflüssige und eventuell gesundheitsschädigende Stoffe in die Umwelt gegeben.

Lessons learned: Würden Heizungsbauer allein in 1.000 oder gar 10.000 Anlagen keine Zusatzstoffe mehr einsetzen – wie in der Norm gefordert –, würden Tonnen an Chemikalien nicht in die Umwelt gelangen. Ein Vermeidungsziel, das Geld spart sowie die Mitarbeiter/Verbraucher und nicht zuletzt die Umwelt schützt.

Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch und Umkehrosmose.
Quelle: BWT
Die Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch bzw. Umkehrosmose zeigt: Durch den Einsatz des aufwendigeren Osmose-Verfahrens lassen sich mit einem praktikablen Befüllmanagement die etwas längeren Befüllzeiten einer interessanten Kosteneinsparung und einer wesentlichen Abfallvermeidung für die Umwelt gegenüberstellen.

Das "ALARP"-Prinzip

"ALARP" ist ein englisches Akronym und bedeutet "as low as reasonably practicable" (= "so niedrig wie vernünftigerweise praktikabel"). Es handelt sich um ein Prinzip der Risikoreduzierung, das zum Beispiel im Risikomanagement Anwendung findet. Das "ALARP"-Prinzip besagt, dass Risiken auf ein Maß reduziert werden sollen, das den höchsten Grad an Sicherheit garantiert, der vernünftigerweise praktikabel ist (Begrenzung der maximalen Schadenserwartung). Dies bedeutet zum Beispiel, dass bei der Produktentwicklung Maßnahmen für identifizierte Produktrisiken nur dann implementiert werden müssen, wenn sie auch vernünftigerweise praktikabel sind (finanziell und/oder technisch mit vertretbarem Aufwand realisierbar).

Wird der Punkt 8.3 "Wasseraufbereitung" der neuen VDI 2035 Blatt 1 unter dem "ALARP"-Prinzip bewertet, ergeben sich gewichtige Vorteile hinsichtlich Betriebssicherheit, Umweltschutz (Vermeidung von Abfällen) und Kostenersparnissen.

Die Schweizer SWKI-Richtlinie BT 102-01 unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch ihre klareren Vorgaben. Im Vergleich zur neuen VDI 2035 wird eindeutig festgelegt: "Das Füll- und Ergänzungswasser muss entsalzt werden." [<100 µS/cm] Im Heizwasser ist hingegen eine praxisgerechte Leitfähigkeit <200 µS/cm erlaubt. Mit der Begrenzung des gesamten organischen Kohlenstoffes auf 30 mg/l und der Vorgabe, keine organischen Substanzen einzusetzen, wird sogar erklärt, warum:

"Organische Stoffe zeigen oft ungünstige Nebenwirkungen, wie Beeinträchtigungen von Dichtungswerkstoffen, oder begünstigen die mikrobiologische Aktivität des Wassers. Erhöhte Werte weisen auf Wasserinhaltsstoffe hin, welche die Betriebssicherheit der Anlage stören können. TOC-Messungen sind auch geeignet »Kühlmittel – also Frostschutz-/Solarflüssigkeit« anzuzeigen. Die Betriebstemperaturen werden immer tiefer – die Gefahr der mikrobiologischen Belastung ist zunehmend."

In der neuen VDI 2035 Blatt 1 E wird das auf vielen Seiten als MIC (mikrobiell beeinflusste Korrosion) usw. beschrieben, aber die Maßnahmen und mögliche Kontrollen sind nicht so eindeutig dargestellt.

In der Schweiz entfällt somit der in Tabelle 1 zu entnehmende Aufwand von heizleistungsabhängigen und anlagenvolumenabhängigen Anforderungswerten und des neu eingeführten Interpolierens (siehe Anhang E). Eine wirkliche Vereinfachung! Korrosionschemisch werden Sulfate und Nitrate, aber auch Chlorid herausgenommen. So ist das ganze Kapitel und alle Anmerkungen zur mikrobiell beeinflussten Korrosion Kapitel 6.4.9.2 auch erledigt.

Die neue VDI 2035 Blatt 1 lässt das ebenfalls zu, beschreibt und versucht durch "Festlegung" von Richtwerten oder Einsatzvorgaben (für Anlagen mit Aluminium ist Vollenthärtung nicht empfohlen, siehe Abschnitt 6.4.4) eine klare Vorgabe wie die SWKI-Richtlinie der Schweiz zu vermeiden.

"ALARP" und das "ReinHeizgebot"

Gemäß "ALARP"-Prinzip betrachten wir nun aus Betriebssicherheitsgründen das von BWT entwickelte "ReinHeizgebot", also salzarmes Wasser (10 bis 100 µS/cm) ohne Zusatzstoffe.

Unter Punkt 8.3 der VDI 2035 werden die bevorzugten Verfahren der Wasseraufbereitung beschrieben (Enthärtung und Entsalzung). Bei der Entsalzung werden Ionenaustausch- oder Membranverfahren (z.B. die Umkehrosmose) eingesetzt. Der bevorzugte Anwendungsbereich der Entsalzung ist die Aufbereitung des Füll- und Ergänzungswassers für Heizwasserkreisläufe mit Aluminiumkomponenten. Das Membranverfahren wird als "verfahrenstechnisch aufwendiger" beschrieben.

Befüllwerkzeuge für Heizungswasser.
Quelle: BWT
Die von BWT entwickelten Befüllwerkzeuge auf Basis der Umkehrosmose- Technologie.

Gemäß "ALARP"-Prinzip gilt es, beide Verfahren hinsichtlich der Prämisse "vernünftig, praktikabel und finanziell und/oder technisch mit vertretbarem Aufwand realisierbar" gegenüberzustellen.

Nehmen wir als Beispiel ein System mit 1.000 Litern Inhalt an; als Rohwasserqualität wählen wir eine Wasserhärte von 20 °dH mit einer Leitfähigkeit von etwa 600 µS/cm.

Lessons learned: Die Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch bzw. Umkehrosmose zeigt: Durch den Einsatz des aufwendigeren Osmose-Verfahrens lassen sich mit einem praktikablen Befüllmanagement die etwas längeren Befüllzeiten einer interessanten Kosteneinsparung und einer wesentlichen Abfallvermeidung für die Umwelt gegenüberstellen.

Wird im Nachspeisesystem noch auf Haltbarkeit von Harzen und auf den Verzicht von Indikatoren geachtet, wird die Umwelt weiter entlastet (Warum überflüssige "Farbstoffe" zum Farbumschlag einbringen, wenn ein Blick auf den notwendigen Wasserzähler ausreicht? Die Nachfüllmenge zeigt die Dichtheit des Systems). Übrigens haben diese Farbstoffe keine Lebensmittelqualität.

Vergleich zweier Verfahren zur Entsalzung von Heizungswasser.
Quelle: BWT

Fazit

Es gibt eine umweltfreundliche Heizungswasseraufbereitung; sie wird in der neuen VDI 2035 Blatt 1 E vorgegeben. Das Vermeiden von überflüssigen Stoffen im Heizwasser ist ein leicht umsetzbarer Beitrag zum Umweltschutz – und sollte zum Nachhaltigkeitsziel jedes modernen Heizungsbauers werden.

Wenn möglichst viele Heizungsbauer die guten Vorgaben der VDI 2035 umsetzen, werden der Umwelt große Mengen an Chemikalien, Ionenaustauschermassen und Farbstoffen sichtbar und messbar erspart.

Mitarbeiter und Verbraucher sowie die Umwelt durch Reduktion überflüssiger Chemikalien und Betriebsmittel schützen und dabei auch noch Geld sparen: eine bemerkenswert attraktive Kombination!

Von Willibald Schodorf
Leiter Technische Geschäfte, BWT Wassertechnik GmbH
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Dienstag, 16.04.2024

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