Erneuerbare Energien

Lanze für die Erdwärme?

Kalte Wärmenetze, Quartiere und stillgelegte Bohrlöcher von Interesse

Freitag, 26.01.2024

Der Deutsche Bundestag wird sich demnächst mit der Geothermie als Umweltenergie für Wärmepumpen beschäftigen müssen.

Quelle: Gabriel Jimenez/Unsplash

In einem Antrag mit dem Titel „Potenziale der Geothermie nutzen – Hürden abbauen, Risiken minimieren, Stromsektor entlasten“ richten sich die Abgeordneten von CDU und CSU an das Parlament mit dem Ersuchen, von der Bundesregierung unter anderem zu verlangen, bei den Vorgaben für die kommunale Wärmeplanung die oberflächennahe Geothermie regelmäßig zu berücksichtigen. Ferner solle die Regierung beim Ausbau von kalten Wärmenetzen und Quartierslösungen einen wirksamen Anreiz schaffen, dass im Bestand geothermische Lösungen gegenüber Luftwärmepumpen bevorzugt eingesetzt werden.

Der Bundestag möge das Anliegen unterstützen und die Bundesregierung konkret auffordern (Auszug), „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel

  1. die Nutzung der oberflächennahen Geothermie zu fördern;

  2. bei den Vorgaben für die kommunale Wärmeplanung die oberflächennahe Geothermie regelmäßig zu berück-sichtigen, auch beim Ausbau von kalten Wärmenetzen und Quartierslösungen;

  3. einen wirksamen Anreiz zu schaffen, dass im Bestand geothermische Lösungen gegenüber Luftwärmepumpen bevorzugt eingesetzt werden;

  4. darauf hinzuwirken, dass die Genehmigungsverfahren für oberflächennahe Geothermie in den Bundesländern vereinfacht und schneller bearbeitet werden. Sie sollen möglichst in einer Genehmigungsbehörde gebündelt wer-den. Es sollte geprüft werden, ob zu diesem Zweck verbindliche Verfahrensfristen eingeführt werden;

  5. darauf hinzuwirken, dass die Genehmigungsbehörden personell besser ausgestattet werden und digitale Genehmigungsverfahren zum Standard werden;

  6. mit einer Datenkampagne vorhandene Untergrunddaten aufzubereiten und eine bundesweit einheitliche Datenbank offen und digital bereitzustellen. Die Ergebnisse sollten in die Informationsangebote für die kommunale Wärmeplanung einbezogen werden;

  7. den Grundsatz, dass die Nutzung der Geothermie im überragenden öffentlichen Interesse liegt, zu verankern;

  8. in einem Geothermie-Erschließungsgesetz alle erforderlichen Novellierungsverfahren zu bündeln;

  9. bei der Tiefengeothermie durch geeignete Instrumente das finanzielle Risiko im Falle einer Nichtfündigkeit zu reduzieren, zum Beispiel durch die Beteiligung an Bohrungen oder die Stärkung von Konsortien, sowie mit Hilfe von Versicherungslösungen unter gleichzeitiger Beibehaltung des Verursacherprinzips zu regeln, dass im Schadensfall eine vollständige, unverzügliche Entschädigung nach dem Neuwertverfahren transparent sichergestellt wird;

  10. die Förderung der Tiefengeothermie aus Effizienzgründen auf Wärmenutzung zu konzentrieren, insbesondere in Verbindung mit Wärmenetzen;

  11. den Rechtsrahmen für Genehmigungsverfahren von Projekten der Tiefengeothermie unter Berücksichtigung des aktuellen Kenntnisstands der Wissenschaft und Technik weiterzuentwickeln. Dazu gehört beispielsweise, eine 3-D-Seismik einer Bohrung vorzuschalten und in der Praxis bewährte Ampel-Systeme zur Vermeidung stärkerer Seismizität zwingend einzuhalten;

  12. die Forschung und Entwicklung der Technologie weiter gezielt zu fördern;

  13. auf eine bessere Abstimmung zwischen den Bundesländern hinzuwirken, insbesondere im Hinblick auf den zu definierenden Stand der Wissenschaft und Technik und der sich daraus ableitenden Genehmigungsprozesse;

  14. dafür Sorge zu tragen, dass Tiefengeothermie nur außerhalb von Wasserschutzgebieten I und II zulässig ist und in Wasserschutzgebieten III ein Rahmen geschaffen wird, der das Bohren für Geothermie ermöglicht und bei dem gleichzeitig der Trinkwasserschutz gewährleistet wird“.

Die Begründung für den Antrag

Geothermie sei eine ganzjährig zur Verfügung stehende erneuerbare, nichtvolatile inländische Energiequelle mit einem beträchtlichen Potential. Sie könne im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden. Sie ermögliche es, den Wärmeertrag auf das bis zu 30-Fache des Stromeinsatzes zu hebeln. Allein die tiefe Geothermie sei in der Lage, schätzungsweise 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfes abzudecken. „Die Geothermie ist ein idealer Partner für eine klimaneutrale, leitungsgebundene Wärmeversorgung (Nah- bzw. Fernwärme), die im Rahmen der Dekarbonisierung von älteren Bestandsgebäuden eine zentrale Rolle spielen wird. Bei Bestandsgebäuden, die regelmäßig einen erhöhten Energiebedarf gegenüber Neubauten haben, haben geothermische Lösungen den Vorteil, dass sie im Vergleich zu Luftwärmepumpen auch an kalten Tagen überwiegend mit Hebeln des Stromeinsatzes arbeiten und deshalb besonders in dem Zeitraum, in dem ohnehin besonders viel elektrische Energie benötigt wird, zur Einsparung von Strom beitragen“, so die Vorlage.

„Die Geothermie ist ein idealer Partner für eine klimaneutrale, leitungsgebundene Wärmeversorgung (Nah- bzw. Fernwärme), die im Rahmen der Dekarbonisierung von älteren Bestandsgebäuden eine zentrale Rolle spielen wird“, heißt es in einer aktuellen Vorlage von CDU und CSU im Bundestag. Sie könne im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden – bei sach-und fachgerechter Planung sowie seriösem Bau und Betrieb der Anlagen selbstverständlich.
Quelle: Stadt Staufen
„Die Geothermie ist ein idealer Partner für eine klimaneutrale, leitungsgebundene Wärmeversorgung (Nah- bzw. Fernwärme), die im Rahmen der Dekarbonisierung von älteren Bestandsgebäuden eine zentrale Rolle spielen wird“, heißt es in einer aktuellen Vorlage von CDU und CSU im Bundestag. Sie könne im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden – bei sach-und fachgerechter Planung sowie seriösem Bau und Betrieb der Anlagen selbstverständlich.

„Die oberflächennahe Geothermie (bis 400 m Tiefe) arbeitet in der Regel mit erdgekoppelten Wärmepumpen und hat mit bundesweit bereits installierten fast 470.000 Anlagen ihre Leistungsfähigkeit eindrucksvoll bewiesen. Sie findet daher große Akzeptanz bei Bauherren und auch der Bevölkerung insgesamt.“ Die Tiefengeothermie (ab 400 m Tiefe) beschränke sich dagegen bisher auf einzelne Projekte. Die bisherigen Erfahrungen mit der Tiefengeothermie in Deutschland fielen unterschiedlich aus. Etliche Projekte, zum Beispiel im Münchener oder im norddeutschen Raum, seien erfolgreich, andere Projekte, insbesondere im Oberrheingraben, hätten sich als technisch-geologisch problembehaftet erwiesen. Diese technisch-geologischen Probleme seien mittlerweile jedoch analysiert und beherrschbar.

Erst Erdöl, dann Erdwärme?

Dass des Weiteren die Förder- und Produktionsgesellschaften von Erdgas und Erdöl darüber nachdenken, stillgelegte, 1.000 bis 4.000 m tiefe Bohrlöcher dort, wo es sich anbietet, geothermisch zu nutzen, konnte man etwa in HeizungsJournal-Ausgabe 10-2022 (Okt.) nachlesen – https://tga.li/QRJi

Möglichkeiten und Hemmnisse kamen denn auch im November vergangenen Jahres im Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag zur Sprache. Das Abgeordnetenhaus hatte seinerzeit die Regierung aufgefordert, sich mit dieser nachhaltigen Energiequelle zu befassen und ihm das Ergebnis mitzuteilen. Anfang November 2022 legte das Klimaschutzministerium dem Parlament den Bericht vor. Darin steht, dass „das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Nutzung der Geothermie zur Wärmeversorgung mit verschiedenen Maßnahmen weiter voranbringen“ werde – eine Möglichkeit liege hierbei in der geothermischen Anschlussnutzung von Bohrlöchern.

Der Bundestag kommt in seiner Stellungnahme zu den Informationen des BMWK zu dem Schluss: „Soweit eine Anschlussnutzung technisch und geologisch möglich sowie energiewirtschaftlich sinnvoll ist, sollten nicht länger verwendete Bohrlöcher einer geothermischen Anschlussnutzung zugeführt werden können. Um eine Anschlussnutzung umsetzen zu können, kommt es unter anderem entscheidend darauf an, dass die Betroffenen vor Ort frühzeitig Kenntnis von der bevorstehenden Beendigung der Förderung von Gas und Öl haben und die geothermische Anschlussnutzung einer Bohrung gezielt prüfen können.

Begrüßt wird, dass das Geothermieforum Niedersachsen diese Themen bereits aufgreift und eine Plattform für den Informationsaustausch zwischen den interessierten Unternehmen schafft.“ (Quelle: Drucksache Bundestag 20/4202) Die Parlamentarier hatten in der Bundestags-Drucksache 19/30899 die Bundesregierung aufgefordert, unter anderem gemeinsam mit den betroffenen Ländern zu untersuchen, „ob und gegebenenfalls welche Hemmnisse für die geothermische Anschlussnutzung von Bohrlöchern in Deutschland bestehen und wie diesen Hemmnissen begegnet werden kann. Dabei sind sowohl der gesetzliche Anpassungsbedarf im Energie- oder Bergrecht, insbesondere im Hinblick auf Informationspflichten, als auch sonstige strukturelle Hemmnisse zu prüfen“. Zu den „strukturellen Hemmnissen“ gehören, laut Mitteilung der Regierung, Zuständigkeitsfragen.

Einige Unschärfen

Das BMWK ist federführend für das Bergrecht zuständig, das die Rahmenbedingungen für die Gewinnung heimischer Rohstoffe setzt. Das BMWK prüft zurzeit, wie der bergrechtliche Rahmen so angepasst werden kann, dass die Genehmigung von Geothermievorhaben klarer geregelt wird. Nach dem jetzigen Recht gibt es Unschärfen, welche Anlagen der oberflächennahen Geothermie unter Bergrecht fallen und welche nicht. Im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen und für diese Legislaturperiode geplanten Modernisierung des Bergrechts soll eine Klarstellung erfolgen.

Eine Möglichkeit für Geothermie liegt in der entsprechenden Anschlussnutzung von Bohrlöchern. Im Bild: Rühler Feld in Niedersachsen.
Quelle: Genath
Eine Möglichkeit für Geothermie liegt in der entsprechenden Anschlussnutzung von Bohrlöchern. Im Bild: Rühler Feld in Niedersachsen.

Genehmigung und Aufsicht über bergrechtliche Vorhaben obliegen nach der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung den Ländern. Der Bund setzt den Rechtsrahmen, den die Länder als eigene Angelegenheit ausführen. Voraussetzung einer Nachnutzung bestehender Bohrlöcher ist natürlich ihre grundsätzliche Eignung, ferner dass sie zur Verfügung stehen und noch nicht verfüllt sind. Außerdem müssen geeignete Wärmeabnehmer in der Nähe vorhanden beziehungsweise ihre Ansiedlung möglich sowie Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Projektes gegeben sein.

Das Geothermieforum Niedersachsen, das eine Kooperation des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) ist und das vom niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung unterstützt wird, führt eine Liste von Bohrungen, die für eine geothermische Nachnutzung in Frage kommen könnten und stellt sie auf einer Plattform für interessierte Unternehmen zur Verfügung.

BMWK fördert Projekte

Dieser Service stieß bisher jedoch auf wenig Resonanz. Die Meldung in das System erfolgt auf freiwilliger Basis. In seiner Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung schlug der Bundestag deshalb vor: „Es sollte geprüft wer-den, wie künftig – anders als die bisherige freiwillige Angabe – eine Verpflichtung zur Meldung von Bohrlöchern geschaffen werden kann, die sich möglicherweise zur Nachnutzung anbieten. Die Länder könnten entsprechende Festlegungen in den Zulassungen der bergrechtlichen Betriebspläne treffen, insbesondere wenn für eine Meldepflicht eine Rechtsgrundlage geschaffen würde.

Dabei könnten diese Festlegungen auf bestimmte Gebiete beschränkt werden. Denkbar wäre, dass die Geologischen Dienste Gebiete bestimmen, die sich besonders für Geothermie eignen […]. Qualifizierte Geodaten ermöglichen eine Abschätzung der geologischen Situation und bilden die Grundlage für eine fachlich kompetente Machbarkeitsanalyse zur Nutzung des Untergrundes für die mitteltiefe und tiefe Geothermie.“

Die geowissenschaftliche Datengrundlage sei unerlässlich für eine ingenieurtechnische und unternehmenswirtschaftliche Planung. Das BMWK fördert dazu seit dem 3. Quartal 2022 zwei Forschungsvorhaben zur bundesweit einheitlichen Datenbereitstellung, ergänzt durch ein Explorationsprogramm mit dem Ziel, die erfolgversprechendsten Standorte für geothermische Wärmegewinnung zu identifizieren und dort Demonstrationsprojekte zu starten.

Wärmeabnehmer ansiedeln

Die Einschätzung des konkreten Nachnutzungspotentials einer Bohrung kann in der Regel erst durch einen potentiellen Nachnutzer beziehungsweise in Abstimmung mit ihm erfolgen. So entscheidet etwa auch die Länge der kommunalen oder privaten Nahwärmetrasse zu den Verbrauchern über die Wirtschaftlichkeit des Anschlusses. Es fehlt auch an der Akquise möglicher Unternehmen oder am Aufbau ähnlicher Betreibermodelle im Städte- und Gemeindebereich, wie es sie beim Betrieb von Wind- und Solarparks im Stromsektor bereits gibt. Das Geothermieforum Niedersachsen hat eine Checkliste erstellt, die als Orientierung für einen privatrechtlichen Vertrag zur Bohrungsübergabe dient.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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