27. OTTI-Symposium Solarthermie in schwierigem Marktumfeld

Solarthermie öffnet sich thematisch

Freitag, 18.08.2017

"Die ganze Welt baut Photovoltaik – nur ein kleiner unbeugsamer Stamm hat sich der Solarthermie verschrieben" – so oder so ähnlich muss abends beim Bier der Asterix-Spruch gefallen sein, hinter den starken Mauern von Kloster Banz. Mit etwas Selbstironie berichtete dies am Ende der Tagung deren fachlicher Leiter, Dr. Andreas Hauer vom Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung e.V. (ZAE Bayern).

Vom 10. bis 12. Mai 2017 hatten sich 230 Teilnehmer in dem hoch über dem Maintal gelegenen Kloster bei Bad Staffelstein zum 27. OTTI-Symposium Solarthermie versammelt. Dies waren mit zehn Teilnehmern geringfügig weniger als im vergangenen Jahr, geschuldet vielleicht der Tatsache, dass große Systemanbieter mangelten. Immerhin aber konnten neue Teilnehmerkreise durch Stadtwerke und EVU erschlossen werden.

Kloster bei Bad Staffelstein von außen.
Quelle: Martin Frey
Das 27. OTTI-Symposium Solarthermie fand das letzte Mal unter der Flagge des Ostbayerischen Technologie-Transfer-Institutes (OTTI) statt.

Die durch die Insolvenz des Veranstalters, des Ostbayerischen Technologie-Transfer-Institutes (OTTI), ausgelöste Unsicherheit über den Erhalt der renommierten Konferenzreihe konnte durch die Sponsoren, allen voran die Solar Promotion GmbH aus Pforzheim, die auch die Intersolar Europe veranstaltet, für dieses Mal aufgefangen werden.

Immerhin scheint auch die Zukunft der Reihe halbwegs gesichert: Man erwartet, dass vom 13. bis 15. Juni 2018 das nächste Symposium stattfinden kann. "Der Beirat hat ein starkes Commitment abgegeben und bereitet das nächste Symposium vor", konnte der Noch-Geschäftsführer des OTTI, Bernd Porzelius, erleichtert verkünden.

Markus Elsässer, Geschäftsführer der Solar Promotion GmbH, bestätigte im Gespräch mit dem HeizungsJournal, man hoffe, dass die Veranstaltung auch weiterhin stattfinden könne. Ob dann er der Veranstalter sei, könne er zum momentanen Zeitpunkt aber nicht sagen.

Markt und Politik

Größtenteils schlechte Marktzahlen hatten Dr. Lothar Breidenbach vom Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) und Jörg Mayer, Geschäftsführer des BSW – Bundesverband Solarwirtschaft e.V., mit ins Kloster gebracht: "Wir sehen noch keine Marktbelebung, obwohl die Fördersituation so gut wie noch nie ist", erklärte Breidenbach. Von den thermischen Kollektoren seien im vergangenen Jahr nur etwas mehr als 740.000 m² abgesetzt worden. Dies bedeute acht Prozent weniger als noch im Jahr zuvor.

Für Jörg Mayer steht fest, dass die Gründe nicht nur in dem Boom der Photovoltaik und in dem relativ niedrigen Ölpreis liegen können: "Im Markt ist die Stimmung negativ und es fehlen Handwerker, die die Solarthermie umsetzen", bilanzierte er. Sein Verband setze auf ein ganzes Bündel an Aktivitäten, die auf eine Belebung des Marktes zielen.

So fordere man von der Bundesregierung eine CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe und eine Vereinheitlichung des "Förderdschungels für Solarthermie" in Deutschland. Mayer kritisierte außerdem, dass Wärmepumpen in Neubauten gefördert würden, Solarthermieanlagen hingegen nicht. Immerhin registriere man einen leicht anziehenden Absatz von Pufferspeichern, was man mit einer Kampagne und einer Website befördern wolle.

Herausforderungen

Ein wichtiger Punkt, um die Solarthermie wettbewerbsfähiger zu machen, ist sicher die Kostenreduktion der Komponenten. Diesem Thema hatten sich Dr.-Ing. Wolfgang Kramer vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE aus Freiburg und Dr.-Ing. Stephan Fischer von der Universität Stuttgart ITW/TZS in einem Tandemvortrag gewidmet. Wolfgang Kramer machte unter anderem in der Reduktion des Produktportfolios und der Vereinfachung der Produkte zwei wichtige Lösungsansätze aus. Dies habe bereits in anderen Branchen mehr als 20 Prozent Kostensenkungspotentiale gebracht.

Sein Co-Referent Stephan Fischer berichtete von einem noch laufenden Forschungsprojekt, welches die Kostenreduktion verschiedener Solarthermie-Komponenten untersucht. "Derzeit läuft beispielsweise eine Untersuchung der Montageanleitungen, bei denen auch Verbesserungspotentiale zu erkennen sind", nannte Fischer ein Beispiel von vielen. Zur weiteren Vertiefung veranstalten die Forscher sogenannte "Standardisierungs-Workshops", von denen im Juni 2017 der erste in Stuttgart stattfinden sollte.

Ein Modul des
Quelle: Martin Frey
Der letzte OTTI-Innovationspreis ging an die Consolar Solare Energiesysteme GmbH. Überzeugt hatte ihr modular erweiterbares "Varical"-Pufferspeichersystem. Ein Modul ist so schmal, dass es durch gängige Haustüren passt und sich dann im Keller zu größeren Einheiten zusammenstellen lässt.

Ausbau um den Faktor zehn bis 2050

Dr.-Ing. Harald Drück vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart stellte die Solarwärmestrategie 2020+ der Deutschen Solarthermie-Technologieplattform (DSTTP) vor. Diese sei im vergangenen Jahr erarbeitet worden und basiere auf einer Potentialstudie des Fraunhofer ISE aus Freiburg, nach der bis zum Jahr 2050 ein Solarthermie-Potential allein bei Einzelgebäuden von 60 GW, bei Wärmenetzen zwischen 25 und 45 GW sowie in Gewerbe und Industrie zwischen 42 und 54 GW bestehe.

"Dies ist ein Faktor zehn gegenüber heute. Das heißt: da ist noch jede Menge Potential", stärkte Drück dem Fachpublikum den Rücken. Er erwarte, dass sich die Solarthermie weiter positiv entwickle, da man in einzelnen Segmenten mit Wärmegestehungskosten von 3,5 bis 4 Cent pro Kilowattstunde bereits günstiger sei als Erdgas. Gefordert seien nun die Forschung und die Industrie. Die DSTTP-Forschungsstrategie gibt für verschiedene Marktsegmente Ziele vor, außerdem seien Kostenreduktionen durch standardisierte Montageverfahren wichtige Ansätze.

Solarthermie in der Anwendung

Ein Ansatz bei den Anwendungsbeiträgen war der Einsatz der Solarthermie für die Wärmeversorgung in der Wohnungswirtschaft. Axel Popp, Geschäftsführer der deematrix Energiesysteme GmbH aus Fürstenwalde, berichtete am Beispiel der solaren Quartiersmodernisierung in der Siedlung Märkische Scholle in Berlin über die Einsatzmöglichkeiten von "eTanks".

Axel Popp bei seinem Vortrag auf dem OTTI-Symposium.
Quelle: Martin Frey
Die Einsatzmöglichkeiten von "eTanks" präsentierte Axel Popp, Geschäftsführer der deematrix Energiesysteme GmbH aus Fürstenwalde.

Sie böten eine Kombination zwischen Wärmespeicherung und Erdwärmenutzung. Bei einer thermischen Trennung in dem nach unten offenen Speicher sei sogar eine Kühlung für den Sommer möglich. Man habe inzwischen über 100 Projekte mit diesen Speichern realisiert. Andere Redner wie Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld stellten Geschäftsmodelle wie die Wärmeflatrate für Mieter oder Hausbesitzer vor.

Solare Fernwärmenutzung

Noch ein Vorzeigeprojekt, hier aber für die solare Fernwärmenutzung, ist in der Kreisstadt Senftenberg in der Niederlausitz entstanden. Dort haben die Stadtwerke in diesem Jahr mit 8.300 m² Bruttokollektorfläche die größte Solarthermieanlage Deutschlands und zugleich die größte Vakuumröhrenanlage weltweit installiert.

Dr. Rolf Meißner, Geschäftsführer der Ritter XL Solar GmbH in Dettenhausen, die dafür 1.680 Hochleis-tungskollektoren lieferte, berichtete, dass 4 GWh Jahresertrag in das städtische Fernwärmenetz eingespeist und damit vier Prozent des Jahreswärmebedarfs der Stadt gedeckt werden. "Die Anlage ist verblüffend einfach konstruiert und läuft planmäßig", so Dr. Meißner. Da man für die Förderung zu früh gewesen sei, denke man vor Ort bereits über eine zweite Anlage nach.

Dr. Rolf Meißner bei seinem Vortrag auf dem OTTI-Symposium.
Quelle: Martin Frey
Das aktuelle Projekt einer solaren Fernwärmenutzung in der Kreisstadt Senftenberg in der Niederlausitz stellte Dr. Rolf Meißner, Geschäftsführer der Ritter XL Solar GmbH in Dettenhausen, vor.

Autoindustrie mit solarer Prozesswärme

Ein weiteres wichtiges Feld der Anwendungen bietet die solare Prozesswärme. Hierzu nahmen sich Forscher aus Kassel die Automobilindustrie mit ihrer vielfältigen Zulieferkette vor. "Es zeigte sich, dass die meisten Prozesse im passenden Bereich zwischen 40 und 150 °C liegen", berichtete Dr.-Ing. Bastian Schmitt, Leiter für Prozesswärme am Institut für Thermische Energietechnik der Univer­sität Kassel.

Mithilfe einer App wurden die Teilnehmer zu ihren Einschätzungen zu Einsatzfeldern in der Automobilindustrie befragt. Dieses interaktive Element trug sehr unterhaltsam zu dem ohnehin kurzweiligen Vortrag bei. Als eines der Ziele des laufenden Projektes will man wieder einen Leitfaden entwickeln, um innovative Projekte in diesem Bereich auszulösen. Im vergangenen Jahr wurde ein solcher Leitfaden bereits für die Nahrungsmittel-Industrie vorgestellt.

Renaissance der PVT-Kollektoren

Die PVT-Kollektoren, welche Solarthermie mit Photovoltaik verbinden, erleben gerade eine kleine Renaissance, war zudem auf dem Symposium zu erfahren. Dr. Daniel Zenhäusern vom Institut für Solartechnik SPF an der Hochschule für Technik Rapperswil zeigte eine Übersichtsstudie, aus der unter anderem hervorgeht, dass es derzeit 53 Hersteller dieser Technologie gibt. Klassische Anwendungen seien unverglaste Kollektoren, die beispielsweise zur Regeneration von Erdsonden oder zur Beladung von Eisspeichern genutzt werden.

Eine Ertragsbewertung der PVT-Kollektoren hatte Dipl.-Phys. Markus Pröll vom ZAE Bayern erstellt. Er hob hervor, "dass der energetische Mehrertrag der Gesamteffizienz eines PVT-Kollektors gegenüber einem reinen PV-Modul in der Regel deutlich und einfach vermittelbar ist". Hierzu müsse man den Mehrwert des gewonnenen PV-Stroms gegenüber solarthermischen Kollektoren herausstellen.

Kombination von PVT und Wärmepumpen

Dass PVT-Kollektoren "als alleinige Wärmequelle für eine Wärmepumpe eine vielversprechende Alternative zu Außenluftverdampfern und Erdsonden darstellen" können, zeigte Dr.-Ing. Ulrich Leibfried, technischer Geschäftsführer der Consolar Solare Energiesysteme GmbH aus Lörrach. Er gab einen Bericht über das "SOLINK"-Projekt und warb um weitere Mitglieder für das damit verbundene Konsortium, da diese von den gewonnenen Erkenntnissen nur profitieren könnten.

Für Anwender, die PVT-Kollektoren quellenseitig in Wärmepumpensysteme einbinden, erarbeitete Christian Schmidt vom Fraunhofer ISE aus Freiburg eine neue Hilfestellung: Bislang konnten nämlich die thermischen und elektrischen Effekte auf die Systemeffizienz durch Kondensation, Verdampfung, Vereisung oder Abtauen von Wasser auf der Oberfläche der PVT-Kollektoren nicht abgebildet und bewertet werden. Hierfür will sein Projekt eine anwendbare Lösung bieten, die dann in die Planungssoftware "Polysun" integriert werden soll.

Luftkollektoren als wirtschaftliche Anwendung

Eine weitere Art von Kollektoren, die eher selten im Rampenlicht steht, sind die Luftkollektoren. "Dank der Förderung von BAFA und KfW haben wir schon einige schöne Projekte realisieren können", betonte Dipl.-Ing. Rudolf Ettl, Leiter der SolarLuft-Technik bei der Grammer Solar GmbH aus Amberg. So habe man in den vergangenen beiden Jahren acht Projekte mit einer Kollektorfläche von über 1.600 m² realisiert. Ein Einsatzfeld sei beispielsweise die Belüftungstrocknung von Biomasse. Bei Kosten von 500 €/m² seien Amortisationszeiten von fünf Jahren durchaus realistisch.

Der letzte Innovationspreis in der OTTI-Geschichte ging an Consolar für ihr modular erweiterbares "Varical"-Pufferspeichersystem. Dessen Module passen durch gängige Haustüren und lassen sich dann im Keller zu Einheiten zwischen 2,7 und 11 m3 zusammenstellen.

Blickrichtung hin zu mehr Visionen

"Wir merken, dass sich die Solarthermie thematisch öffnet", zog der fachliche Leiter, Dr. Andreas Hauer vom ZAE Bayern, eine positive Bilanz der Tagung. Hierzu zählten beispielsweise der Beitrag der Solarthermie zur Sektorenkopplung, aber auch neue Geschäftsmodelle wie die Wärmeflatrate für den Mieter oder Hausbesitzer.

Dr. Andreas Hauer bei seinem Vortrag auf dem OTTI-Symposium.
Quelle: Martin Frey
Mögliche Beiträge der Solarthermie zur Sektorenkopplung etwa sind für den fachlichen Leiter, Dr. Andreas Hauer vom ZAE Bayern, ein Zeichen dafür, "dass sich die Solarthermie thematisch öffnet."

Man müsse künftig eben deutlich visionärer werden, mahnte Dr. Hauer seine Branche: "Der Kunde will sich um nichts kümmern. Daher sollten wir immer von der Vision eines Geschäftsmodelles ausgehen." Anders als Asterix und seine Getreuen aber wolle man sich eben nicht verschanzen, sondern auch künftig alle Tore weit geöffnet halten, damit neue Verbündete mit an Bord kommen können.

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