Elektrische versus thermische Solarenergienutzung

Ist die Gleichwertigkeit von Photovoltaik und Solarthermie nachweisbar?

Eine Wärmeversorgung mit Gas-Brennwertkessel und Solarthermie stellte bisher im Neubau die häufigste Versorgungslösung dar. Ein alternativer Einsatz von Photovoltaik-Komponenten (PV) zur Wärmeerzeugung wird durch die aktuellen rechtlichen Vorgaben weitgehend ausgeschlossen. Aus energetischer und ökologischer Sicht kann jedoch für beide Nutzungsarten von Solarenergie unter bestimmten Voraussetzungen eine Gleichwertigkeit nachgewiesen werden, die in den zukünftigen rechtlichen Vorgaben entsprechend berücksichtigt werden sollte.

Im Gebäudebereich spielte bisher die elektrische Sonnenenergienutzung zur Wärmeerzeugung im Vergleich zur aktiven thermischen Sonnenenergienutzung eine untergeordnete Rolle. Der Einsatz von PV-Anlagen wird im Gebäudebereich zunehmend an Bedeutung gewinnen, was auf die Vorzüge von PV-gegenüber Solarthermieanlagen zurückzuführen ist:

Den angeführten Vorteilen der Photovoltaik steht gegenwärtig ein wesentlicher Nachteil gegenüber: Die flächenspezifischen Erträge sind deutlich geringer als bei gut arbeitenden Solarthermieanlagen.

Rechtliche Vorgaben: Aktuell und zukünftig

Bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs im Sinne der Energieeinsparverordnung (EnEV) und der darauf aufbauenden Regelungen der KfW-Förderprogramme wird Strom aus erneuerbaren Energien nur teilweise angerechnet. Die Höhe der anrechenbaren PV-Strommenge richtet sich nach dem Strombedarf der Nutzung. Im Sinne der EnEV werden für Wohngebäude nur Energieaufwendungen für Raumheizung, Lüftung, Kühlung und Trinkwassererwärmung bilanziert. Der Strombedarf für die Beleuchtung oder weitere Nutzeranwendungen (Haushaltsstrom) wird nicht bilanziert. Erfolgt keine strombasierte Wärmeerzeugung, ist die Höhe des anrechenbaren PV-Stroms damit nur auf den Hilfsenergiebedarf begrenzt.

Im Gegensatz zu Regelungen der EnEV wird die elektrische Nutzung von solarer Strahlungsenergie nicht als Erfüllungsmöglichkeit im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) ausgewiesen. Die thermische Nutzung von solarer Strahlungsenergie stellt darin aber eine direkte Erfüllungsmöglichkeit dar.

Mit dem geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG) sollte das Energieeinsparrecht für Gebäude strukturell neu konzipiert und vereinheitlicht werden. Der Referentenentwurf zum GEG vom 23. Januar 2017 enthält gegenüber der aktuellen EnEV abweichende Regelungen hinsichtlich der Anrechenbarkeit von PV-Strom.

Die geänderte Systematik würde für Wohngebäude einen anrechenbaren Sockelbetrag, der an die Nennleistung der PV-Anlage gekoppelt ist, einführen. Gleichzeitig könnten bei Anlagen ohne Stromspeicher und mit einer Anlagengröße von 0,01 kW!SUB(p)SUB! je m² Gebäudenutzfläche 70 Prozent des tatsächlichen Strombedarfs nach EnEV angerechnet werden. In der Summe dürfte jedoch der Primärenergiebedarf durch die Anrechnung des PV-Stroms um nicht mehr als 20 Prozent gegenüber der Variante ohne PV-Strom reduziert werden.

Neben den Anforderungen an Primärenergiebedarf und baulichen Wärmeschutz sollte das GEG Anforderungen an die anteilige Nutzung erneuerbarer Energien stellen. Anders als im aktuell gültigen EEWärmeG wird Strom aus erneuerbaren Energien als Erfüllungsoption im Referentenentwurf zum GEG ausgewiesen.

Gleichwertigkeit von Photovoltaik und Solarthermie?

Aus energetischer und ökologischer Sicht kann für beide Nutzungsarten von Solarenergie unter bestimmten Voraussetzungen eine Gleichwertigkeit nachgewiesen werden. Im Rahmen eines am ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden erarbeiteten Gutachtens1 wurde die Gleichwertigkeit einer Gebäudeversorgung durch Gas-Brennwertkessel + Photovoltaik mit der Versorgungslösung Gas-Brennwertkessel + Solarthermie bezüglich unterschiedlicher Kennwerte untersucht und die erforderlichen Größen der PV-Anlagen anhand von ausgewählten Beispielen ermittelt. Für die beiden Nutzungsarten von Solarenergie ist die Gleichwertigkeit hinsichtlich Endenergie, Primärenergie oder CO!SUB(2)SUB!-Emissionen denkbar.

Bei der primärenergetischen Betrachtung wird der Primärenergiebedarf der beiden Lösungen bilanziert. Die Gleichwertigkeit wird hier für vier Fälle überprüft:

Die Gleichwertigkeit hinsichtlich der CO!SUB(2)SUB!-Emissionen wird analog der primärenergetischen Gleichwertigkeit untersucht.

Ausgewählte Ergebnisse für die Vergleichsvariante mit solarer Trinkwassererwärmung

Als Vergleichsfall wird eine Gas-Brennwertvariante mit solarer Trinkwassererwärmung (TWE) in einem Einfamilienhaus-Neubau (EFH) mit einer Wohnfläche von rund 150 m² und einem gegenüber der üblichen Bauausführung verbesserten baulichen Wärmeschutz betrachtet. In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Energiebedarfsberechnung der Vergleichsvariante ausgewiesen. Diese bilden die Grundlage zur Berechnung der erforderlichen Leistungen (oder Flächen) der PV-Anlage in Abhängigkeit von der untersuchten Gleichwertigkeit.

Endenergetische Gleichwertigkeit

Um die erforderliche Größe der PV-Anlage zum Erreichen der endenergetischen Gleichwertigkeit mit einer Solarthermieanlage zu bestimmen, wird der Endenergiebedarf für beide Varianten gegenüberstellt:

und die Höhe der durch die Solarthermieanlage im Vergleich zu der Variante ohne Solarthermie substituierten Endenergie berechnet.

Für die endenergetische Gleichheit beider Lösungen im EFH-Neubau ist eine PV-Anlage mit einer Nennleistung von 3,3 kW!SUB(p)SUB! erforderlich (siehe Tabelle 2).

Gleichzeitig würde für das System mit einem Gas-Brennwertkessel (Gas-BW) und einer PV-Anlage ein erneuerbarer Anteil am gesamten Primärenergiebedarf in Höhe von 25 Prozent resultieren.

Primärenergetische Gleichwertigkeit – vollständige Anrechnung

Abweichend zu den aktuellen Bilanzierungsvorgaben der EnEV kann die primärenergetische Gleichwertigkeit des Systems mit einer PV- und einer Solarthermieanlage bestimmt werden, indem die gesamte erzeugte elektrische Energie bilanziert und mit einem Primärenergiefaktor f!SUB(p)SUB!=1,8 gutgeschrieben wird. In diesem Fall wäre die primär-energetische Gleichwertigkeit beider Lösungen mit einer PV-Anlage mit einer Nennleistung von 1,7 kW!SUB(p)SUB! möglich (siehe Tabelle 3).

Gleichzeitig könnte ein erneuerbarer Anteil von 15,9 Prozent erreicht werden.

Primärenergetische Gleichwertigkeit – Systematik EnEV 2014

Unter Berücksichtigung der aktuellen Bilanzierungsvorgaben der EnEV 2014 kann für das System Gas-Brennwertkessel in Verbindung mit einer PV-Anlage keine Gleichwertigkeit hinsichtlich der Primärenergie mit dem System Gas-Brennwertkessel in Verbindung mit einer Solarthermieanlage nachgewiesen werden. Grund dafür ist die Begrenzung der Anrechenbarkeit des erneuerbar erzeugten Stroms auf den bilanzierten Strombedarf der Nutzung. Damit kann für die Variante Gas-BW + PV-Anlage maximal nur der Hilfsenergiebedarf angerechnet werden. Unabhängig von der Größe der PV-Anlage würde die Variante einen auf die Nutzfläche bezogenen Primärenergiebedarf von mindestens 64,1 kWh/m²a ausweisen. Der Primärenergiebedarf der Vergleichsvariante liegt dagegen bei 57,0 kWh/m²a. Die Differenz zwischen den beiden Lösungen kann durch die Wahl einer größeren PV-Fläche nicht ausgeglichen werden.

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Primärenergetische Gleichwertigkeit – Ansatz DIN V 18599:2016

In der Neuausgabe der DIN V 18599-9 ("Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 9: End- und Primärenergiebedarf von stromproduzierenden Anlagen") vom Oktober 2016 ist ein Berechnungsansatz zur Bestimmung der im Gebäude selbst genutzten PV-Energie enthalten. Die Energiebilanzierung der innerhalb des Gebäudes genutzten Energiemengen einer PV-Anlage greift auf den gesamten Elektroenergiebedarf des Gebäudes zurück. Dieser wird aus den für die Versorgung des Gebäudes bilanzierten EnEV-relevanten Mengen sowie dem Energiebedarf für weitere Anwendungen der Nutzer (wie Haushaltsgeräte, Medientechnik) ermittelt.

Unter Berücksichtigung des Berechnungsansatzes würde sich für die Variante Gas-BW + PV-Anlage eine primärenergetische Gleichwertigkeit mit dem System Gas-BW + sol. TWE bei einer PV-Nennleistung in Höhe von 2,0 kW!SUB(p)SUB! ergeben (siehe Tabelle 4). Gleichzeitig könnte ein erneuerbarer Anteil von 17,5 Prozent erreicht werden.

Primärenergetische Gleichwertigkeit – Systematik des Referentenentwurfs zum GEG

Zum Erreichen der primärenergetischen Gleichwertigkeit beider Lösungen im EFH-Neubau – unter Berücksichtigung der Anrechnungssystematik entsprechend des Referentenentwurfs zum GEG – ist eine PV-Anlage mit einer Nennleistung von 7,9 kW!SUB(p)SUB! erforderlich (siehe Tabelle 5).

Bei dieser Auslegung würde für das System mit einem Gas-BW und einer PV-Anlage ein erneuerbarer Anteil am gesamten Primärenergiebedarf in Höhe von 43 Prozent folgen.

Diskussion der Ergebnisse

Abhängig von der untersuchten Gleichwertigkeit, dem gewählten Ansatz zur Anrechnung des PV-Stroms sowie dem Vergleichsfall werden unterschiedliche erforderliche PV-Leistungen ermittelt. Dabei wird in Tabelle 6 die erforderliche PV-Nennleistung, bezogen auf 1 m² zu substituierender Solarkollektorfläche jeweils zur:

für die denkbaren Arten der Gleichwertigkeit des Systems "Gas-Brennwertkessel + indirekt beheizter Speicher + PV-Anlage" in einem Einfamilienhaus ausgewiesen.

Nach der Auswertung der Ergebnisse wird die primärenergetische Gleichwertigkeit nach dem Ansatz der DIN V 18599:2016, der eine Berücksichtigung des PV-Anteils am Haushaltstromverbrauch vorsieht, als sinnvoller Maßstab zur Bewertung beider Systeme zur Nutzung von Solarenergie von den Autoren der eingangs erwähnten Studie vorgeschlagen.

Wird für die Mindestgröße der PV-Anlage diese Art der Gleichwertigkeit gewählt, so kann sichergestellt werden, dass die primärenergetische Gleichwertigkeit der PV-Anlage und der Solarthermieanlage erreicht oder die Differenz der Primärenergiebedarfswerte nach diesem Ansatz auf das rechnerische Minimum reduziert wird. Gleichzeitig wäre eine Übererfüllung der Anforderungen möglich, wenn die Anlagen aus wirtschaftlichkeitsrelevanten Gründen größer als die Mindestanforderungen wären. Dadurch würde der Anteil regenerativ erzeugter und ins Netz eingespeister Elektroenergie steigen.

Fazit: Technologieoffenheit durch geänderte rechtliche Vorgaben möglich

Sollte zukünftig der erzeugte PV-Strom nach dem Ansatz der DIN V 18599:2016 oder vergleichbar bewertet und bei der EnEV-Nachweisführung entsprechend berücksichtigt werden, würde dies die EnEV-Erfüllungsmöglichkeiten von den nicht strombasierten Heizsystemen steigern und damit zur Technologieoffenheit im Gebäudebereich beitragen.

Die Brennwertlösung in Verbindung mit einer PV-Anlage könnte sowohl in einem Einfamilien- als auch in einem Mehrfamilienhaus die EnEV-Anforderungen bei einer gegenüber der typischen Bauausführung verbesserten baulichen Ausführung und einer entsprechenden Größe der PV-Anlage einhalten.

Im Hinblick auf den Klimaschutzplan 2050 hätte die Anerkennung der primärenergetischen Gleichwertigkeit von PV-Anlage und Solarthermieanlage möglicherweise eine Erhöhung der regenerativ erzeugten Elektroenergie im Gebäudebereich zur Folge.

1 Dr.-Ing. B. Winiewska, Prof. Dr.-Ing. B. Oschatz: Gleichwertigkeit einer Gebäudeversorgung durch Gas-Brennwertkessel + Photovoltaik mit der Versorgungslösung Gas-Brennwertkessel + Solarthermie, im Auftrag von ASUE, vom Januar 2017.

Donnerstag, 17.01.2019