Erneuerbare Energien

Sinnvoll – aber nicht unkritisch

Einsatz von Wärmepumpen für die Gebäudebeheizung

Freitag, 10.12.2021

Knapp 55 Prozent der in Deutschland verwendeten Endenergie fließt in den Wärmesektor. Weit über die Hälfte (59 Prozent) hiervon wird für Raumwärme und Brauchwassererwärmung auf einem Temperaturniveau meist deutlich unter 70 °C benötigt [1]. Allerdings werden derzeit nur etwa 14 Prozent davon durch erneuerbare Energien und damit CO2-frei bereitgestellt [2]. Damit ist man im Gebäudesektor von der nun schon für 2045 angestrebten Klimaneutralität [3] noch weit entfernt. Wer vom CO2-neutralen Gebäude spricht, muss zunächst Bilanzierungsgrenzen und Bilanzzeiträume darlegen, um aufzuzeigen, wovon geredet wird. Die Aussage, dass sich Gebäude schon heute problemlos mittels Wärmepumpe und selbst erzeugtem Solarstrom klimaneutral versorgen lassen, ist nur sehr eingeschränkt richtig. Hier spielt die Bilanzierung eine entscheidende Rolle. Ziel des folgenden Beitrages ist es, Transparenz und Objektivität in die Beurteilung von Wärmepumpensystemen für die Gebäudebeheizung zu bringen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf eine technisch-physikalische Beurteilung der Problematik gelegt und nicht auf die Erfüllung von Energie-Standards, Normen und Verordnungen.

Quelle: Casey Horner/Unsplash

Sowohl die Last der Verbraucher als auch die Leistung vieler regenerativer Energiequellen, zum Beispiel Sonne und Wind, unterliegen einer starken Fluktuation. Dies gilt sowohl jahres- als auch tageszeitlich. Kurzzeitige Leistungs- bzw. Lastschwankungen können relativ einfach mit Hilfe von Energiespeichern (hierzu zählt auch die thermische Speichermasse von Gebäuden) und Lastverschiebungen (z. B. Sektorenkopplung) ausgeglichen werden. Schwieriger ist es, saisonale Unterschiede auszugleichen.

Auch wenn es technisch einfacher ist, Sonnenenergie in Wärme als in Kälte umzuwandeln, ist es vor diesem Hintergrund heute viel einfacher, Sonnenenergie in Australien zur Kühlung von Gebäuden einzusetzen, als in Finnland zur Beheizung.

Die größte Herausforderung der Energiewende besteht nicht darin, über das Jahr gemittelt genügend regenerative Energie zu erzeugen. Sie besteht darin, sicherzustellen, dass das Angebot an Energie die Energie-Anforderungen der Nutzer zu jeder Jahres- und Tageszeit deckt und dass der Anteil an regenerativer Energie hierbei möglichst groß ist. Genau dies wird aber bei der Beurteilung eines CO2-neutralen Gebäudebetriebs in der Regel nicht gemacht. Hier wird meist mittels Jahresbilanz lediglich ermittelt, ob die erzeugte Energiemenge (in der Regel von einer PV-Anlage) den Energieverbrauch des Gebäudes decken kann. Die technischen Probleme des Leistungs-/Lastausgleichs speziell über einen langen saisonalen Zeitraum bleiben hierbei meist völlig unberücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund spielen speicherbare Energieträger neben Energiespeichern eine ganz entscheidende Rolle bei der Energiewende.

Grafik: Effizienzvergleich: elektrische Wärmepumpe und Power-to-Gas/Gas-Brennwerttechnik.
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.
Effizienzvergleich: elektrische Wärmepumpe und Power-to-Gas/Gas-Brennwerttechnik [8].

Sorgfalt beim System-Vergleich

Der Einsatz von Wärmepumpen (WP) zur Gebäudebeheizung wird derzeit stark gefördert und von vielen als die große Lösung angesehen. Sicherlich können Wärmepumpen, die zunehmend mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden, schon heute einen immensen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende beitragen. So ist 1 kWh thermische Energie, die von einem WP-System mit einer Leistungszahl von 4 bereitgestellt wird, nach dem derzeitigen Strom-Mix von 402 g CO2 / kWhStrom lediglich mit etwa 100 g CO2 / kWhWärme belastet. Bei fortschreitender regenerativer Stromerzeugung wird sich dieser Wert weiter absenken. Zum Vergleich: Eine Öl- oder Gasheizung würde bestenfalls 266 bzw. 201 g CO2 / kWhWärme emittieren. Dennoch ist hier Vorsicht und Sorgfalt geboten.

Die Effizienz, sprich: Leistungszahl oder COP (coefficient of performance), einer WP hängt ganz entscheidend vom Temperaturhub zwischen Wärmequelle (Umweltwärme) und Wärmesenke (Vorlauftemperatur des Heizungssystems) ab. Je niedriger dieser Temperaturhub, das heißt, je niedriger die Vorlauftemperatur des Heizungssystems oder je höher die Temperatur der Wärmequelle, desto größer ist die Effizienz der WP. Nach einer Faustformel steigt der COP eines WP-Systems um drei Prozent, wenn zum Beispiel die Vorlauftemperatur um lediglich 1 °C abgesenkt wird. Da für die Beheizung von Gebäuden – im Gegensatz zur industriellen Wärme – grundsätzlich keine hohen Temperaturen benötigt werden, ist der Einsatz von WP hier bestens geeignet. Daher sollte bei allen Gebäude-Heizungssystemen ein viel größeres Augenmerk auf die Absenkung des Vorlauf-Temperaturniveaus gelegt werden, damit WP, gegebenenfalls auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, effizient eingesetzt werden können.

Hier besteht auch bei Bestandsgebäuden oft ein erhebliches Verbesserungspotential – meist ohne hohe Investitionskosten. So kann durch eine Deaktivierung der Nachtabsenkung die Vorlauftemperatur oft erheblich abgesenkt werden. Sicherlich steigen hierdurch die Wärmeverluste des Gebäudes leicht an. Bei der in Deutschland üblichen Bauweise und Gebäudenutzung werden diese zusätzlichen Wärmeverluste durch die Effizienzsteigerung des WP-Systems aber um ein Vielfaches kompensiert.

Wärmepumpen nutzen meist kostenlose Umweltwärme, um diese mit Hilfe von wertvollem Strom auf ein höheres nutzbares Temperaturniveau anzuheben. Da die regenerative Stromerzeugung einer starken Fluktuation unterliegt, ist es sehr hilfreich, wenn WP je nach Stromangebot zu- und abgeschaltet werden können („Smart Grid Ready“). Somit kann über weite Bereiche des Jahres die Nachfrage von Strom auf das Angebot abgestimmt werden (netzdienlicher Betrieb). Hierdurch wechselnde Heizleistungen können im Stundenbereich, gegebenenfalls auch im Tagesbereich, leicht durch aktive und passive thermische Speicher im Gebäude abgefangen werden.

Problematisch wird die Sache erst, wenn es über längere Zeiträume (mehrere Tage oder auch Wochen) sehr kalt wird. Beispielhaft sei hier die erste Februarhälfte im vergangenen Winter (2020/2021), speziell aber auch der Januar und Februar im Winter 2012 erwähnt. In so einem Fall benötigen die WP nämlich sehr viel Strom, da die Gebäude einen hohen Wärmebedarf haben, während die Speicher leer sind und die Effizienz der WP aufgrund des hohen Temperaturhubs (speziell bei Luft/Wasser-WP) besonders schlecht ist.

Vorsicht bei direkt elektrischer Gebäudebeheizung

Dieses Problem verschärft sich bei den am häufigsten eingesetzten Luft/Wasser-WP (ca. 60 bis 70 Prozent Anteil am Wärmepumpenmarkt [4]) noch weiter. Hier wird nämlich in den meisten Fällen eine kleine WP mit einer leistungsstarken elektrischen Zusatzheizung „für kalte Tage“ kombiniert. Das Argument der Hersteller dieser „monoenergetisch bivalenten Wärmepumpensysteme“, der Elektroheizstab würde mit etwa fünf Prozent nur unwesentlich zur Energieverbrauchs-Deckung beitragen, mag bei richtiger Auslegung und Installation in einigen Fällen zutreffen. Solange solche Systeme in nicht allzu großer Stückzahl im Einsatz sind, kann dies für den Einzelnen auch eine wirtschaftliche Variante sein. Werden solche „monoenergetisch bivalenten Wärmepumpensysteme“ aber zum Standard – was sich derzeit durchaus abzeichnet – wird bald an kalten Wintertagen der Großteil unserer Gebäude direkt elektrisch beheizt. Hiermit wird eine immense Spitzenlastanforderung an unsere Stromversorgung gestellt. Wenn jetzt noch auf einen vermehrten Einsatz der Elektromobilität gesetzt wird, werden die Stromleitungen glühen und die Stromversorgung zusammenbrechen. Dies gilt sicher nicht für den überwiegenden Zeitraum des Jahres, aber eben für sehr kalte Winterperioden, wie sie alle paar Jahre vorkommen. Ein darauf ausgelegter Netz- und Kraftwerksausbau wäre sehr teuer.

Da erscheint es doch günstiger, bei der Sanierung von Bestandsanlagen den Öl- oder Gaskessel durch eine WP und eine Solaranlage zu ergänzen. Wenn dann mal nicht genug Sonne oder regenerativer Strom vorhanden ist, kann sinnvoller auf Öl oder Gas zur Lastabdeckung zurückgegriffen werden, anstatt in Spitzenlastzeiten mit Strom zu heizen, der dann in der Regel auch keinen regenerativen Quellen entstammt. In einem nächsten Schritt können dann die konventionellen Wärmeerzeuger von den fossilen Energieträgern Heizöl und Erdgas auf regenerative Energieträger wie Holz, Biogas oder auch gasförmige oder flüssige E-Fuels umgestellt werden.

Aber auch bei Neubauten dürfen die Lastspitzen, die durch „monoenergetische bivalente Wärmepumpensysteme“ im Versorgungsnetz entstehen, nicht unterschätzt werden. Daher sollte eine strikte Leistungsbegrenzung beim Strombezug eingeführt und die Installation von bivalenten Wärmeerzeugern, die auf leicht speicherbare Energieträger zurückgreifen können, forciert werden. Diese Energieträger sollten zunehmend regenerativer Art sein.

Die direkt elektrische Gebäudebeheizung darf lediglich mit regenerativem Stromüberschuss geschehen. Insofern müssten die Netzbetreiber bei allen Elektroheizungen einen Lastabwurf vornehmen können. Allerdings besteht dann immer noch die Gefahr, dass die Menschen im Notfall ihr Haus bzw. ihre Wohnung mit dem Elektroherd oder Haarföhn beheizen. Dieses Verhalten, das aus anderen Ländern bekannt ist, führt im Zweifelsfall sehr schnell zum Strom-Blackout.

Sind E-Fuels eine Alternative?

Derzeit wird viel über mittels PV- und Wind-Strom hergestellten Wasserstoff und daraus gewonnene synthetische Gase bzw. Flüssig-Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, spekuliert und geschrieben. Diese Energieträger haben folgende Vorteile:

▪ Gegenüber Strom eine sehr gute Speicherbarkeit.

▪ Die bestehenden Technologien von Heizkesseln und BHKW benötigen nur einen relativ geringen Anpassungsaufwand.

▪ Es lassen sich einfach hohe Temperaturen erreichen.

E-Fuels haben aber auch einen Nachteil. Sie sind derzeit noch sehr teuer. Mehrere Studien [5,6,7] gehen aber davon aus, dass die Preise für E-Fuels bis zum Jahr 2030 auf 0,1 bis 0,2 € / kWh sinken könnten (ohne Steuern). Da dies immer noch ein Vielfaches über dem, zumindest für Großabnehmer, gewohnten Preisniveau von Heizöl bzw. Erdgas liegt, ist eine einfache Substitution wirtschaftlich nur schwer möglich.

Darauf weist auch der Bundesverband Wärmepumpe e.V. (vgl. Grafik) hin. Hiernach würde der Einsatz dieser synthetischen Energieträger in Brennwertkesseln wegen Wirkungsgradverlusten über die einzelnen Umwandlungsketten einen um den Faktor fünf bis sieben höheren Ausbau an PV- und Windkraftleistung erfordern, als bei direkter Nutzung des Stroms in Wärmepumpen.

Bei dieser Betrachtung werden aber die Aspekte der Spitzenlastabdeckung während kalter Winterperioden bzw. der Energiespeicherung über längere Zeiträume nicht bewertet. Wie [9] darlegt, bewegen sich die Kosten für die Speicherung einer kWh Strom derzeit zwischen 0,1 € / kWhStrom (Kurzzeitspeicherung max. 1 Tag) und 35 € / kWhStrom (saisonale Speicherung). Speziell bei der Langzeitspeicherung liegen sie damit erheblich höher als die Kosten für synthetische Kraftstoffe.

Fazit

Die Frage sollte also nicht auf ein „Entweder Wärmepumpe oder E-Fuels bzw. Biomasse“ hinauslaufen, sondern darauf fokussieren, was wann und wo sinnvoll bzw. vorteilhaft eingesetzt werden kann!

Im Niedertemperaturbereich der Gebäudebeheizung muss der Einsatz von WP-Systemen schnell an Verbreitung gewinnen. Zur Spitzenbedarfsdeckung in kalten Winterperioden darf aber keinesfalls eine direkt elektrische Zusatzheizung zum Einsatz kommen. Stattdessen sollte ein zusätzlicher Wärmeerzeuger eingesetzt werden, der auf leicht speicherbare Energieträger zurückgreift. Diese Energieträger müssen dann auch zunehmend regenerativer Art sein.

Die höheren Investitionen für solche bivalenten Heizungssysteme vor Ort lassen sich durch erhebliche Einsparungen im Bereich der sicheren Versorgungsinfrastruktur mehr als kompensieren und damit auch rechtfertigen.

Durch die Corona-Pandemie sollten wir alle gelernt haben, dass auch heute noch unvorhergesehene Dinge eintreten können, auf die wir nur schlecht vorbereitet sind. Dies gilt auch für die Energiewende. Hier sind Eigenverantwortung und eine sinnvolle Diversifizierung gefragt. Es ist immer riskant, alles auf eine Karte zu setzen!

Literatur

[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiedaten Deutschland: Gesamtausgabe, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/energiedaten-gesamtausgabe.html, Oktober 2019.

[2] Umweltbundesamt, Erneuerbare Energien in Deutschland, Daten zur Entwicklung im Jahr 2018, Publikation als PDF: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/erneuerbare-energien-in-deutschland-2019, März 2019.

[3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Klimaschutzprogramm Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, Publikation als PDF: https://www.bmu.de/gesetz/entwurf-eines-ersten-gesetzes-zur-aenderung-des-bundes-klimaschutzgesetzes, Mai 2021.

[4] Bundesverband Wärmepumpe e.V., Absatzzahlen für Wärmepumpensysteme in Deutschland 2014 bis 2020, https://www.erneuerbareenergien.de/waermepumpenmarkt-in-deutschland-waechst-um-40-prozent, 22. April 2021.

[5] Süddeutsche Zeitung, CO2-freie Kraftstoffe, Publikation als PDF: https://www.sueddeutsche.de/auto/synthetische-kraftstoffe-benzin-elektroauto-1.4454765, 27. Mai 2019.

[6] ADAC, Synthetische Kraftstoffe – Energieträger der Zukunft? Publikation als PDF: https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/alternative-antriebe/synthetische-kraftstoffe, 19. November 2019.

[7] Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V., Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung für den Klimaschutz, Publikation als PDF: https://www.bkwk.de/wp-content/uploads/2018/04/BKWK_Chance_fuer_Wirtschaft_ und-Umwelt_Broschuere_A4_web.pdf, Mai 2020.

[8] Bundesverband Wärmepumpe e.V., Heizsysteme der Zukunft.

[9] Alexander G. Floß, Michael Schaub, The sizing of energy storages for Zero Energy Buildings, Proceedings of the 4th International Conference On Building Energy & Environment – COBEE 2018, Melbourne, Australia, ISBN: 978-0-646-98213-7, Page 180 – 186, Feb. 2018.

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