Erneuerbare Energien

Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet

Donnerstag, 01.10.2020

Politik, Verbände und Vereine bewerten den Beschluss des Bundeskabinetts.

Die Bundesregierung hat im Juni 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet und den Nationalen Wasserstoffrat berufen. Mit Wasserstoff soll die Energiewende eine weitere Säule erhalten – neben den erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.

Wassertropfen an einer Glasscheibe.
Quelle: Brett Hondow / https://pixabay.com/de/
Mit Wasserstoff soll die Energiewende eine weitere Säule erhalten – neben den erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.

"Wasserstoff ist ein wesentliches Element der Sektorenkopplung. In den Bereichen, in denen Strom aus erneuerbaren Energien nicht direkt eingesetzt werden kann, öffnen grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte (Power-to-X) neue Dekarbonisierungspfade", konstatierte die Bundesregierung in der am 10. Juni 2020 verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie. "Wasserstoff ist ein Energiespeicher, der angebotsorientiert und flexibel erneuerbare Energien speichern und einen Beitrag zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage leisten kann. Das macht Wasserstoff zu einem wichtigen Baustein der Energiewende."

So soll die Energiewende mit Wasserstoff (H2) eine weitere Säule erhalten – neben erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz. Ziel sei es zudem, Deutschland zum weltweit führenden Ausrüster für moderne Wasserstofftechnologien zu machen. Sie könnten sich zu einem zentralen Geschäftsfeld der deutschen Exportwirtschaft entwickeln. Insgesamt neun Milliarden Euro sollen den Energieträger marktfähig machen. Im Fokus der Förderung steht dabei grundsätzlich grüner Wasserstoff, also Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde. Aus Sicht der Bundesregierung ist nur dieser auf Dauer nachhaltig. Im Einzelnen sind sieben Milliarden Euro für die Förderung von Wasserstofftechnologien hierzulande und zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften im Kontext von Wasserstoff vorgesehen. Anwendungen sollen etwa in der Stahl- und in der Chemieindustrie, im Wärmebereich, aber auch im Verkehrsbereich stattfinden.

Als erster Schritt für den Markthochlauf sei eine starke und nachhaltige inländische Wasserstoffproduktion und Wasserstoffverwendung (ein Heimatmarkt) unverzichtbar. Ein starker Heimatmarkt schaffe auch eine wichtige Signalwirkung für den Einsatz von Wasserstofftechnologien im Ausland. Die Anreize für den Markthochlauf in Deutschland und insbesondere für den Aufbau und Betrieb von Elektrolyseuren sollen dabei so gestaltet werden, dass diese auch mit der Energiewende übereinstimmen. Zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie wird eine flexible und ergebnisorientierte Governance-Struktur ins Leben gerufen. Dazu gehören die Einrichtung eines Nationalen Wasserstoffrates, ein ressortübergreifender Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff und ein Innovationsbeauftragter für grünen Wasserstoff.

Politiker loben Nationale Wasserstoffstrategie

"Mit der Wasserstoffstrategie stellen wir die Weichen dafür, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer Eins in der Welt wird", unterstrich Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie (BMWi). "Die Zeit für Wasserstoff und die dafür nötigen Technologien ist reif. Wir müssen daher jetzt die Potentiale für Wertschöpfung, Beschäftigung und den Klimaschutz erschließen und nutzen. Denn Wasserstoff wird ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende sein. Er wird als Energieträger der Zukunft sowohl in Deutschland als auch weltweit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dabei wird Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen, wie wir es vor 20 Jahren bereits mit der Förderung der erneuerbaren Energien getan haben."

"Die Nationale Wasserstoffstrategie wird Deutschland doppelten Schub verleihen – für den Klimaschutz und für die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft nach der Corona-Krise", betonte Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). "Grüner Wasserstoff bietet uns die Chance, Klimaschutz in den Bereichen voranzubringen, wo wir bisher noch keine Lösungen hatten, zum Beispiel in der Stahlindustrie oder im Flugverkehr. Das funktioniert, weil die Strategie vor allem auf die Förderung von »grünem Wasserstoff« ausgerichtet ist. Dafür habe ich mich stark gemacht, denn gut fürs Klima ist auf Dauer nur Wasserstoff aus 100 Prozent erneuer-baren Energien. Klar ist damit auch: Wer Ja sagt zu Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu Windenergie. Für grünen Wasserstoff brauchen wir zusätzlichen grünen Strom. Deswegen müssen und werden wir die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen. Grüner Wasserstoff bietet die Chance, Klimaschutz mit nachhaltiger Industrie zu verbinden, also zukunftsfeste und krisenfeste Jobs zu schaffen."

Porträt von Svenja Schulze.
Quelle: BMU/Thomas Trutschel
Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.

"Wir brauchen Wasserstoff auch im Verkehrsbereich", stellte Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), klar. "Mit unserer Wasserstoffstrategie geben wir den Unternehmen jetzt einen klaren Rahmen vor und machen Investitionsentscheidungen planbar. Mein Ministerium beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit der Wasserstofftechnologie und hat über 700 Millionen Euro vor allem in die Forschung und Entwicklung investiert. Jetzt brauchen wir wirtschaftliche Projekte auf dem Markt. Wasserstoff muss für die Men-schen erlebbar werden. Genau an dieser Stelle setzt die Strategie jetzt an und nimmt die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick – Technologie, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Anwendung in Fahrzeugen. Mit den HyLand-Projekten sind wir bereits dabei, in einzelnen Regionen die Wasserstofftechnologie von der Erzeugung bis zur Nutzung vor Ort aufzubauen. Das muss im nächsten Schritt jetzt bundesweit geschehen. Zusätzlich werden wir ein Wasserstoff-Anwendungs- und Technologie-Zentrum für die Zulieferindustrie sowie eine eigene Brennstoffzellproduktion in Deutschland unterstützen und aufbauen. Das bietet eine Zukunftsperspektive für die deutsche Fahrzeugindustrie und sichert viele Arbeitsplätze."

"Zu einem Innovationsland gehört auch, ambitionierte Ziele für eine international wettbewerbsfähige Wasserstoffwirtschaft zu formulieren. Das ist uns mit der Nationalen Wasserstoffstrategie gelungen", erklärte Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF). "Die langen Verhandlungen haben zu einem guten Ergebnis geführt. Grüner Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. Wir wollen bei dieser Zukunftstechnologie vorne in der Welt dabei sein. Je früher und beherzter wir einsteigen, desto größer ist unsere Chance, dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu einem neuen Jobmotor in Deutschland wird. Mit der Verabschiedung der Strategie fällt nun der Startschuss für eine ebenso ambitionierte Umsetzung. Wir brauchen eine nachhaltige Energieversorgung aus erneuerbaren Energien, wenn wir bis 2050 klimaneutral sein wollen."

"Der Klimawandel ist längst die Überlebensfrage der gesamten Menschheit", ergänzte Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). "Mit der Wasserstoffstrategie machen wir einen Quantensprung hin zu kohlendioxidneutralen Kraftstoffen und damit zu einer globalen Energiewende. Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte wie Methanol können das saubere Öl von morgen werden. Vor allem Länder in Nordafrika sind geeignete Produktionsstandorte, da hier die Sonne nahezu unbegrenzt scheint. Gemeinsam mit Marokko entwickeln wir jetzt die erste industrielle Anlage für grünen Wasserstoff in Afrika. Damit schaffen wir dort Arbeitsplätze für die vielen jungen Menschen, stärken die Technologieführerschaft in Deutschland und helfen, die internationalen Klimaziele wirksam zu erreichen."

BDH erkennt starkes Signal für den Klimaschutz

Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) bewertete die Nationale Wasserstoffstrategie positiv. Sie schaffe einen geeigneten Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff. "Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie setzt die Bundesregierung ein starkes Signal für die Erreichung der ambitionierten Klimaziele 2030", kommentierte Uwe Glock, Präsident des BDH. "Damit tragen klimaneutrale Energieträger, wie der Wasserstoff, künftig ebenso zur Dekarbonisierung des Wärmemarktes bei, wie die beschleunigte Modernisierung des veralteten Anlagenbestandes." In Bezug auf die Allokation der knappen Ressource Wasserstoff sprach sich der BDH für einen marktwirtschaftlichen und technologieoffenen Ansatz aus. Folgerichtig würde die Nationale Wasserstoffstrategie denn auch die Nutzung von Wasserstoff im Wärmemarkt beinhalten. "Immerhin entfällt rund ein Drittel des deutschen Endenergieverbrauchs alleine auf die Heizung und die Warmwasserbereitung", erklärte Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des BDH. "Unsere Industrie bereitet sich bereits heute technologisch auf die Nutzung von Wasserstoff in hocheffizienten Heizungssystemen vor und begrüßt daher im Sinne der Planungssicherheit die Einbeziehung des Wärmemarktes in die Nationale Wasserstoffstrategie."

Porträt von Andreas Lücke.
Quelle: BDH
Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie.

Zukunft Erdgas sieht aktuellen Plan als zu kurz gegriffen

"Die Wasserstoffstrategie markiert einen Wendepunkt der deutschen Energiepolitik. Sie zeigt, dass sich die Bundesregierung von der Utopie der Vollelektrifizierung verabschiedet und stattdessen einen realistischen Zukunftsweg einschlägt“, bekräftigte Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas.

Porträt von Dr. Timm Kehler.
Quelle: Zukunft Erdgas
Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas.

"Wasserstoff bietet Wirtschaftszweigen, die sich nur schwer elektrifizieren lassen, bezahlbaren Klimaschutz. Aber auch im Wärmesektor wird der Energieträger den Klimaschutz voranbringen. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass die Bundesregierung den Blick auch auf diesen wichtigen Markt lenkt. So soll künftig der Einsatz von wasserstofffähigen Heizgeräten unterstützt werden. Auch die Förderung der Brennstoffzellenheizung, eine Schlüsseltechnologie der Energiewende, soll ausgebaut werden. Damit erhalten die rund 20 Millionen Gaskunden in Deutschland eine Perspektive, selbst an der Energiewende mitzuwirken." Mit der Gasinfrastruktur sei bereits das Fundament für eine erfolgreiche Wasserstoffzukunft gelegt, betonte Kehler. "Richtig umgesetzt, kann die Strategie Deutschland zum europäischen Wasserstoff-Drehkreuz machen." Bei der Erzeugung von Wasserstoff greift der Plan für Kehler jedoch zu kurz. "Hier fokussiert sich die Politik ausschließlich auf grünen Wasserstoff. Nur durch einen technologieoffenen Ansatz lassen sich die großen Mengen Wasserstoff, die wir zukünftig benötigen werden, zum besten Preis erzeugen."

DWV und DVGW fordern Anpassung des Ordnungsrahmens

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) bewerteten die Nationale Wasserstoffstrategie als wichtiges Signal für die Zukunft der Gasbranche. Das vorhandene Erdgasnetz biete die optimale Infrastruktur, um Wasserstoff in den Wärmemarkt zu bringen. Dort könne schon jetzt mit der Umstellung auf wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenheizungen ein wichtiger Beitrag zur Senkung der Kohlendioxid-Emissionen erfolgen. Dazu tragen aber auch bestehende Technologien wie Brennwertheizungen bei, die ohne Umrüstung mit Wasserstoff-Anteilen betrieben werden können. Aktuell würden bereits Feldtests mit Geräten durchgeführt, denen im Labor eine 20- bis 30-prozentige Verträglichkeit mit Wasserstoff attestiert wurde. Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des DWV, hielt für einen marktwirtschaftlichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft neben der Förderung eine stärkere Fokussierung auf die zeitnahe Ausgestaltung geeigneter regulatorischer Rahmenbedingungen für erforderlich.

Porträt von Werner Diwald.
Quelle: DWV
Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbandes.

Beispielsweise seien im konventionellen Verkehrssektor grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte im Vergleich zu anderen Optionen der Treibhausgasemissionen bereits heute wettbewerbsfähig. "Es fehlt jedoch an der geeigneten Regulierung."

"Wir stehen bereit, die sehr guten strategischen Ansätze zum Markthochlauf von Wasserstoff jetzt zügig umzusetzen“, unterstrich auch Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW.

Porträt von DVGW.
Quelle: DVGW
Prof. Dr. Gerald Linke Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches.

Doch der Strategie müssten nun technische Umsetzungsmaßnahmen sowie Anpassungen des Ordnungsrahmens folgen. Die Bundesregierung habe bislang kaum regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt. "In der Strategie finden sich nur wenige Maßnahmen, um nachhaltig Märkte für Wasserstoff zu schaffen. Die geplanten Förderinstrumente und Umlagebefreiungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind hier nur der erste richtige und notwendige Schritt", so Linke. "Blauer und türkiser Wasserstoff dürfen bei der Marktentwicklung nicht unter den Tisch fallen, um auf die industriell benötigten Mengen zu kommen. Insbesondere aber im Wärmemarkt sehen wir einen der größten Wachstumssektoren für Wasserstoff, dessen Attraktivität jedoch nur noch besser auszugestalten ist, indem die schrittweise Erhöhung der Wasserstoffanteile aktiver gefördert wird."

NOW sieht einen industriepolitischen Durchbruch

"Für den Industrie- und Technologiestandort Deutschland, der seit vielen Jahren im Bereich Wasserstoff zur Weltspitze gehört, ist die Wasserstoffstrategie der lang erwartete Durchbruch. Sie setzt den Rahmen für die breite Anwendung von Wasserstofftechnologien und stellt die für einen Markthochlauf notwendigen Fördermittel zur Verfügung", resümierte Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). Für ihn mindestens so wichtig wie die Fördermittel seien die regulatorischen Maßnahmen, die in der Strategie adressiert sind. "Damit der Schwung durch die Verabschiedung der Strategie nicht verpufft, sollten die angekündigte Befreiung des Elektrolysestroms von der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und die ambitionierte Umsetzung der RED II (Renewable Energy Directive) jetzt schnell und überzeugend kommen", so Knobelsdorff. "Nur so erhalten die Unternehmen die nötige Investitionssicherheit."

Porträt von Kurt-Christoph von Knobelsdorff.
Quelle: NOW
Kurt-Christoph von Knobelsdorff Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie.

Von Robert Donnerbauer
Redaktion, Heizungs-Journal Verlags-GmbH
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