Erneuerbare Energien

„Mission Wärmepumpe“

„Zukunftswerkstatt“ von Testo brachte viele Erkenntnisse

Freitag, 15.03.2024

Mit der „Mission Wärmepumpe“ startete das auf Messtechnik spezialisierte Unternehmen Testo am 9. und 10. November 2023 seine „Zukunftswerkstatt“.

Martin Hellebrand vom regionalen Energieversorger badenova und Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin wiesen mit ihren Beiträgen auf das Ziel des Pariser Klimaabkommens hin.
Quelle: Hellebrand; Quaschning
Martin Hellebrand vom regionalen Energieversorger badenova und Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin wiesen mit ihren Beiträgen auf das Ziel des Pariser Klimaabkommens hin.

Teilnehmer waren Vertreter von Heizungs- und Wärmepumpen-Herstellern sowie vom SHK-Fachhandwerk. Mit 100 geladenen Gästen war die Veranstaltung sehr gut besucht. Am Ende stimmten alle überein, für die Herausforderungen Wärmewende und Wärmepumpe die richtigen Impulse mitgenommen zu haben.

Treffender hätte das Testo-Marketingteam um Fachbereichsleiter Manuel Mormin-Vasen den Zeitpunkt für seine Veranstaltung zur „Mission Wärmepumpe“ in Titisee-Neustadt nicht wählen können. Denn zeitgleich veröffentlichte das Forschungszentrum Jülich (FZJ) am 10. November 2023 die neue Studie „Energieperspektiven 2030“. Die FZJ-Experten halten es mit ihrem Realitätsabgleich weiterhin für möglich, Deutschland bis 2045 treibhausgas-neutral aufzustellen. Dafür müssen aber in den folgenden sieben Jahren vielfältige Maßnahmen in allen Bereichen umgesetzt werden. Für das Gelingen der Wärmewende spielen, nach Meinung der Forscher, neben dem Fernwärmeausbau vor allem Wärmepumpen die wichtigste Rolle.

Und noch ein anderes Branchenevent machte parallel zur Testo „Zukunftswerkstatt“ klare Ansagen an die Politik: Beim 21. Forum Wärmepumpe (8./9. November 2023) des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e.V. in Berlin forderten Branchenvertreter einvernehmlich eine schnelle Klärung der künftigen Heizungsförderung und die Absenkung staatlicher Abgaben auf den Strompreis. „Die Menschen brauchen nach Monaten der Heizungsdebatte Orientierung durch klare politische Entscheidungen – Entscheidungen gegen das Warten und für den Klimaschutz“, so die unmissverständlichen Forderungen von Paul Waning, Ehrenvorsitzender des BWP.

Ziel des Pariser Klimaabkommens und was dies ab dem Jahr 2023 an Wärmepumpeninstallationen allein für Deutschland bedeutet.
Quelle: Hellebrand; Quaschning
Ziel des Pariser Klimaabkommens und was dies ab dem Jahr 2023 an Wärmepumpeninstallationen allein für Deutschland bedeutet.

Der rote Faden

Die vorgenannten Punkte zogen sich dann auch wie ein roter Faden durch die beiden Veranstaltungstage der „Zukunftswerkstatt“. Ergänzend dazu ging es um die Kernfragen:

  • Schaffen wir 500.000 Wärmepumpen pro Jahr?
  • Macht es überhaupt Sinn?
  • Wie kann es gelingen?

Die Keynote der Veranstaltung sorgte zunächst für Fakten. Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin malte aus, was die Welt erwartet, wenn Ankündigungen gewählter Politiker weiter im Konjunktiv verpackt bleiben und nicht sofort Taten folgen. Gleichwohl beeindruckte er das Publikum, wie einfach doch komplexe Zusammenhänge erklärbar sind.

„Vor 22.000 Jahren herrschte eine Eiszeit und Berlin lag damals unter einer 200 Meter hohen Eisschicht“, so das „Big Picture“ von Prof. Quaschning, der neben seiner Lehrtätigkeit an der HTW Berlin einen sehenswerten „YouTu-be“-Kanal mit über 70.000 Followern betreibt. „Dann sorgte eine natürliche Klimaerwärmung dafür, dass etwa 9.000 v. Chr. die jetzige Warmzeit einsetzte und die Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 1900 um 4 °C anstieg. Seither hat die Menschheit im Eiltempo dafür gesorgt, nochmals 1,2 °C draufzupacken und wenn es ungebremst weitergeht, kommen bis Ende dieses Jahrhunderts weitere 2,5 °C dazu. Wir hätten dann in zwei Jahrhunderten das Gleiche bewirkt, wie die Natur in 22.000 Jahren!“

Wie groß der Einfluss des Energiepreises für die Entscheidung „Gas oder Wärmepumpe?“ ist, verdeutlichte Dr. Marek Miara mit dieser Grafik: Am 31. Juli 2022 lagen die jährlichen Einsparungen einer Wärmepumpe zur Gasheizung noch bei 3.360 Euro. Am Tag der Veranstaltung bei Testo waren es gerade einmal 15 Euro. Darum muss Wärmepumpenstrom schnellstens wettbewerbsfähig werden, wozu die Digitalisierung, flexible Tarife, smarte Systeme und vor allem die Senkung staatlicher Abgaben und Gebühren beitragen können.
Quelle: Miara
Wie groß der Einfluss des Energiepreises für die Entscheidung „Gas oder Wärmepumpe?“ ist, verdeutlichte Dr. Marek Miara mit dieser Grafik: Am 31. Juli 2022 lagen die jährlichen Einsparungen einer Wärmepumpe zur Gasheizung noch bei 3.360 Euro. Am Tag der Veranstaltung bei Testo waren es gerade einmal 15 Euro. Darum muss Wärmepumpenstrom schnellstens wettbewerbsfähig werden, wozu die Digitalisierung, flexible Tarife, smarte Systeme und vor allem die Senkung staatlicher Abgaben und Gebühren beitragen können.

Folgen der Klimakrise

Die drohenden Folgen dieses ungebremsten Anstiegs der globalen Durchschnittstemperaturen lieferte Prof. Quaschning gleich mit:

  • überflutete Inseln, Küstenregionen und Metropolen,
  • unbewohnbare Zonen durch ganzjährig lebensgefährliche Hitze,
  • 2 bis 3 Mrd. Menschen auf der Suche nach neuen Lebensräumen,
  • ein Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung.

Sein Appell: „Unsere Generation und jedes Land müssen sofort alles Machbare unternehmen, um die Beschlüsse des Pariser Klimaabkommens umzusetzen. Sonst wird es mit der Begrenzung des weiteren Temperaturanstiegs auf 1,5 °C und unseren Klimazielen eng!“

Ausweg Wärmewende

Dass die Menschheit fähig für unvorhersehbare Veränderungen ist, hat sie häufig bewiesen. Aus dieser Zuversicht schöpften dann auch alle Redner ihre Hoffnungen. Sie lieferten zahlreiche Möglichkeiten, die in Deutschland bereits heute technisch umsetzbar sind und auch angegangen, im Tempo aber deutlich erhöht werden müssen. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern, der Ausbau einer CO2-neutralen Stromerzeugung und Energieversorgung, klimaneutrale Umstellungen in den Bereichen Industrie und Verkehr, Sektorkopplung, Speichertechnologien, Effizienzmaßnahmen – für den Gebäudesektor alles zusammengefasst unter dem Begriff „Wärmewende“.

Sie war das bestimmende Thema beider Tage der „Zukunftswerkstatt“. Und seit Monaten beherrscht sie die politische Debatte, sorgt mit dem beschlossenen GEG-Kompromiss („Heizungsgesetz“), kommunalen Wärmeplanungen sowie einer noch unklaren Förderkulisse (Stichwort: BEG) für mehr Verunsicherung als Klarheit in der Industrie, bei Herstellern, im Handwerk und bei Betreibern von Heizungsanlagen. „Was wir im Handwerk jetzt dringend brauchen, sind zuverlässige Rahmenbedingungen, um unsere Kunden bei der Wärmewende auch mitnehmen zu können und zu überzeugen“, erklärte Bernd Simon für den Fachverband SHK Baden-Württemberg. Die Wärmewende sei mit dem SHK- und Elektro-Handwerk auch mit den vorgegebenen Zahlen bis 2030 möglich, brauche jetzt aber weitere Unterstützung.

Die Podiumsdiskussion, moderiert von Marcel von Zons („SHK-Info“), verfolgten Hunderte Teilnehmer per Livestream mit.
Quelle: Testo
Die Podiumsdiskussion, moderiert von Marcel von Zons („SHK-Info“), verfolgten Hunderte Teilnehmer per Livestream mit.

Wärmewende heißt Wärmepumpe

Für das SHK- und Elektro-Fachhandwerk bedeutet es also, sich quantitativ und auch qualitativ ganz auf die Wärme-pumpe auszurichten. Denn wenngleich 2023 wegen des politischen Schlingerkurses beim GEG nochmals ein „Superjahr“ für Gas und sogar Öl werden wird: Die Wärmewende ist nur zu schaffen mit den sich noch in der Planungsphase befindlichen Wärmenetzen für zentrale Lösungen und mit Wärmepumpen für alle anderen dezentralen Be-reiche. Weder Wasserstoff noch Biomasse oder andere Alternativen machen wirklich Sinn, was Prof. Quaschning belegen konnte. Vor allem der Gebäudebestand muss jetzt schnell angepackt werden.

Martin Eggstein vom Umweltministerium Baden-Württemberg sprach diesem Bereich mit einer dringend notwendigen Verdoppelung der Sanierungsrate eine entscheidende Rolle zu. Im Ländle sieht man sich in Sachen „Wärmewende“ übrigens als politischen Vorreiter. Denn kommunale Wärmeplanungen finden hier seit 2020 statt und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz greift sogar schon seit 2010 – auch im Bestand. Günther Schlachter vom Hersteller Viessmann sprach in diesem Kontext gar von einer Jahrhundertaufgabe, weil rund 85 Prozent der Gebäude in Deutschland renovierungsbedürftig seien. Dabei ist alles angerichtet: Stand heute ist das Handwerk darauf vorbereitet, viele Wärmepumpen zu installieren. Für nahezu jeden Bedarf gibt es Geräte und sie lassen sich nachweisbar in älteren Ein- und Mehrfamilienhäusern mit guten Jahresarbeitszahlen ab einem Wert 3 betreiben.

„Das geht in vielen Fällen sogar mit den vorhandenen Heizkörpern“, wie Dr. Marek Miara vom Fraunhofer ISE in Freiburg gleich mehrfach betonte. Seit 20 Jahren arbeitet er mit seinem Wärmepumpenteam in der Forschung und kann heute auf ein in Deutschland wohl einmaliges Praxiswissen durch unzählige Messungen zurückgreifen. Beim Kältemittel sieht er Propan (R290) als wichtigste Zukunftslösung, für das inzwischen ein umfangreiches Angebot an Luft/Wasser-Wärmepumpen verfügbar ist.

Aussichten mit Hoffnung

Es waren erkenntnisreiche zwei Tage bei Testo im Schwarzwald. Fasst man zusammen, dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir ab dem kommenden Jahr 500.000 Wärmepumpen denn schaffen werden. Die Antwort lautet: Wir haben gar keine andere Wahl! Und auch die eingangs gestellte Sinnfrage ist mit einem schnellen „Ja“ beantwortet, wenn wir es nicht nur mit den Klimazielen ernst meinen, sondern die sonst drohenden Negativszenarien verhindern wollen.

Wie es gelingen kann, darauf antwortete Testo-Vorstand Peter Kräuter vorausahnend bereits bei seiner Begrüßungsrede zur „Mission Wärmepumpe“: „Ob Politik, Handwerk, Hersteller, Versorger oder unser Unternehmen als Netzwerkpartner, wir werden es alle nur gemeinsam schaffen, CO2-Emissionen zu senken und ein Klima der Zukunft zu gestalten!“ Und sein Vorstandskollege Eckhard Kloth sieht im systemübergreifenden Austausch und der Integration verfügbarer Daten und den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz noch große Potentiale für eine effizientere Installation und den intelligenten Betrieb von Wärmepumpen.

Die Aufzeichnung der Live-Diskussion „500.000 Wärmepumpen jährlich: Schaffen wir das?“ im Rahmen der Testo „Zukunftswerkstatt“ ist verfügbar unter: www.testo.com/de-DE/livestream

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