Zur Nachahmung empfohlen!

Nahwärme aus Biomasse – Ertrag mit Contracting

Wenn die Energiekosten und die Emissionen eines Schulkomplexes älteren (Dämm-)Datums erheblich gesenkt werden sollen, geht eigentlich wenig an einer Biomasseheizung vorbei. Wenn die zudem als Ein-Kessel-Anlage die einzelnen Gebäude zentral mit Nahwärme versorgt, statt wie zuvor dezentral aus mehreren Kesseln, kommt das den weiteren Betriebskosten zugute. Wenn die Sanierung dann noch ein Contracting-Partner übernimmt, muss der Schulträger nicht einmal die Investitionskosten bereitstellen – wie im folgenden „Best Practice“-Beispiel gezeigt wird.

„Eine Nahwärmeversorgung für die drei Turnhallen und die zwei Schulgebäude auf dem Schulhügel sollte es sein, doch hatten wir den Energieträger zunächst einmal offen gehalten und in der Ausschreibung hinsichtlich dieses Punkts keine Vorgaben getroffen. In die Matrix setzten wir jedoch eine CO!SUB(2)SUB!-Einsparung um 50 Prozent ein sowie eine Reduzierung der Betriebskosten um 50 Prozent, bezogen auf die vorhandenen und in die Jahre gekommenen Erdgaskessel. Eine Voruntersuchung sagte uns, dass das möglich sein müsste.“ Michael Kleber, Baudezernent der Stadt Hilchenbach im Kreis Siegen-Wittgenstein im südlichen Sauerland, erklärt, wie es zu der Holzhackschnitzelanlage für die Nahwärmeversorgung des Schulkomplexes kam, nämlich als Gewinner einer europaweiten, technologieoffenen Ausschreibung zur Lieferung von Wärme. Die Vorplanung stammt von G-Tec Ingenieure GmbH, Siegen. Das Contracting-Angebot der SWK Energie GmbH, eine 100-prozentige Tochter der SWK Stadtwerke Krefeld AG, hatte sich gegen 13 weitere Einreichungen durchgesetzt. Anfang 2019 ging die Neuinstallation in Betrieb.

Vorreiter im Landkreis

Das Thema Klimaschutz steht bei der Kommune bereits seit vielen Jahren auf der Tagesordnung. Sie war vor rund zehn Jahren in ihrem Landkreis Vorreiter in Sachen Solarnutzung, als sie ein Solarpotentialkataster erstellen ließ, dass den Betrieben und Bürgern überschlägig die Eignung/Nichteignung einer PV- oder Solarthermieanlage auf dem eigenen Dach ausweist. Nach diesem Muster animieren heute sämtliche elf Gemeinden im Landkreis Siegen-Wittgenstein ihre Immobilienbesitzer zu nachhaltigen Investitionen oder bieten die „öffentlichen“ Dächer etwa Bürgerenergiegenossenschaften zur Pacht an.

Auf dem Schulhügel mit einer Grundschule, einer Realschule und drei Turnhallen, darunter eine Zweifach-Sporthalle mit der doppelten Grundrissfläche gegenüber einer Einfach-Sporthalle, entsprachen die Wärmeverluste und der Betriebsaufwand für die fünf Erdgaskessel schon länger nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Die Stadt schrieb deshalb auf Basis des G-Tec-Entwurfs einen Auftrag über eine Wärmelieferung von 180 Monaten mit Vorgaben zu den Betriebskosten und Emissionen aus. SWK erhielt den Zuschlag. Die neue Anlage besteht im Wesentlichen aus einem Holzhackschnitzelkessel mit einer Leistung von 400 kW, einem Lager für den Brennstoff, einem zentralen 50 m3 fassenden Pufferspeicher nebst vier kleineren Behältern in den Objekten, einem etwa 500 m langen Nahwärmenetz plus Wärmeübergabestationen und Teile der Bestandskessel-Anlage. Teile heißt: Der Contractor demontierte zwei der insgesamt fünf Wärmeerzeuger, einen dritten tauschte er gegen eine moderne Ausführung aus und zwei behielt er als Redundanz und für einen Spitzenbedarf im System. Durch die Weiterverwendung sank das Investitionsvolumen.

Zwang zu neuen Geschäftsmodellen

Für die bis zu 90-grädige Nahwärme ist also die SWK Energie GmbH von der Biomasse und dem Biomassekessel bis hin und inklusive Wärmeübergabestationen in den fünf Gebäuden zuständig. Die Betriebsverantwortung für den Primärkreislauf mit Hochtemperatur-Heizkörpern und der Einzelraumregelung verbleibt bei der Stadt. Für Waschbecken und Duschen bezieht der Komplex das Warmwasser zum Teil aus den Speichern, doch tun unter verschiedenen, nur selten genutzten Auslaufarmaturen ebenfalls die vorhandenen dezentralen Elektro-Durchlauferhitzer weiterhin Dienst, „was wegen der Legionellenproblematik ja auch Sinn macht“, betont Christian Hibbeln, kaufmännischer Projektleiter des Contractors SWK. In der Vergangenheit lebten Stadtwerke vom Energie- und Wasserverkauf sowie von der Abwasserentsorgung. Das Schulzentrum heizt mit zuzukaufender Biomasse. Was hat ein Versorger als Contractor davon? In ihrem Energiekonzept formuliert die Bundesregierung das Ziel, den Primärenergieverbrauch bis 2050 im Minimum zu halbieren. Damit stehen kommunale Energieversorgungsunternehmen vor der Aufgabe, ihre Geschäftsmodelle umzugestalten und zu erweitern: Nicht mehr im Energiehandel möglichst viel Energie zu verkaufen, stattdessen möglichst viel Energieeffizienz – und an den eingesparten Kilowattstunden zu verdienen. Der Verkauf von Wärme und von Dienstleistungen zur Stromreduzierung statt von fossiler Energie rückt mithin in den Vordergrund: virtuelle Kraftwerke und Lastmanagement, Energieaudits, Energieproduktion aus erneuerbaren Energien, Energieberatung und anderes.

Ertrag hält sich in Grenzen

Nur werfen beinahe all diese Angebote keinen Gewinn ab. Es gibt in dieser Palette kaum wirtschaftlich eigenständige Produkte. Das ist eins der Ergebnisse der Studie „Energieeffiziente Dienstleistungen von Stadtwerken als Beitrag zum kommunalen Klimaschutz“ des IZT – Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Die Untersuchung entstand mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Wettbewerbs „Energieeffiziente Stadt“. Eindeutige Aussage: „Nur Energie-Contracting-Dienstleistungen tragen sich fast ausschließlich selbst, alle anderen Produkte sind kombiniert mit den Standardprodukten Strom, Gas und Wärme.“ Konsequenz: Da fossile Energien erstens stigmatisiert sind und deshalb am besten erst gar nicht in den Handel gebracht werden sollten, zweitens massiven Preisschwankungen unterliegen und drittens alternative Geschäftsfelder eigenständig sich nicht tragen, dürfte Contracting mit erneuerbaren Energien im Portfolio der Stadtwerke immer mehr Gewicht erhalten. Darauf sollte sich, nebenbei bemerkt, die Branche einrichten.

Christian Hibbeln bestätigt das: „Das ist für uns tatsächlich ein ganz spannendes Thema. Wir realisieren gerade in Nastätten in Rheinland-Pfalz ein ähnliches Projekt. Ebenfalls mit einem Holzhackschnitzelkessel. Ende 2019 erhielten wir den Zuschlag, es lagen auch hier mehrere Bewerbungen vor. Die VG Nastätten betreibt in Miehlen eine vierzügige Ganztagsgrundschule mit Sporthalle und Hallenschwimmbad. Sporthalle und Schwimmbad werden auch für Vereinszwecke genutzt. Die Mühlbachschule soll, laut Ausschreibung, von einem Energiedienstleistungsunternehmen mit Wärme für die Heizung und Warmwasserbereitung aus Biomasse mit einem Anteil von mindestens 95 Prozent versorgt werden. Dafür haben wir einen Wärmeliefervertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren mit der Option einer Verlängerung um weitere fünf Jahre abgeschlossen.“ Das „VG“ in VG Nastätten steht für Verbandsgemeinde. Solche Verwaltungseinheiten bestehen aus benachbarten Gemeinden innerhalb eines Landkreises, die sich für bestimmte Aufgaben – unter anderem Feuerwehr, Wasserversorgung, Schulwesen – zusammengeschlossen haben, ohne ihre politische Selbstständigkeit aufzugeben. In Norddeutschland heißen sie vielfach Samtgemeinden.

Rechnung mit einigen Unbekannten

Wie kann, wie im Fall Hilchenbach, ein Contractor die Zusage zur genannten CO!SUB(2)SUB!- und Kosteneinsparung geben? Genau genommen, muss er das gar nicht, das ist Sache der Ausschreibung. G-Tec hatte den anvisierten „Gewinn“ mit einem Nahwärme-Konzept errechnet. Die Biomasse-Lösung bot indes SWK an. Gut, die Halbierung der Emissionen gelingt automatisch mit dem Wechsel von Erdgas auf Holz. Das Heizungswasser mit einer Temperatur von im Mittel 90 °C im Nahwärmenetz temperiert ein „Vitoflex 300-RF“ von Viessmann. Dieser Festbrennstoffkessel für Holzpellets, Holzhackschnitzel und Holzspäne mit einem maximalen Wassergehalt von 35 Prozent arbeitet mit einer Einschubschnecke, die den Brennstoff kontinuierlich auf den Rost schiebt. Dort wird er vergast. Ein Rotationsgebläse vermischt die aufsteigenden Brenngase mit Luft, sodass sie sauber verbrennen. Die Leistungspalette reicht von 150 bis 540 kW. Für Festbrennstoffkessel nach BImSchV, 2. Stufe, die dauerhaft in Betrieb bleiben sollen, darf der Wert für Feinstaub nicht über 0,02 g/m3 und für Kohlenstoffmonoxid nicht über 0,4 g/m3 liegen. Dem Kessel ist deshalb im Schulzentrum ein Elektrofilter nachgeschaltet. „Was anderes als Biomasse kommt bei Sanierungsmaßnahmen mit hohen Anforderungen an den Klimaschutz für den schlecht bis mäßig gedämmten Altbau eigentlich gar nicht infrage“, geht SWK auf den Punkt möglicher Alternativen ein. Geothermie scheide wegen der 90 °C im Vorlauf aus. Beziehungsweise in Kombination mit einer PV-Anlage zur Eigenstromerzeugung mit einer Leistung von weit mehr als 100 kW und Stromspeichern sei zwar die CO!SUB(2)SUB!-Auflage erfüllbar, aber bei gleichzeitiger Vorgabe einer Betriebskostensenkung nicht finanzierbar.

Wirtschaftlich optimierte Betriebsführung

In die Kosteneinsparung mit Nahwärme spielen mehrere Faktoren hinein: die Investitions- und die Energiekosten, der Brennstoffverbrauch, Wartungsaufwand und anderes. Der Contractor SWK Energie GmbH ließ sich für eine wirtschaftlich optimierte Betriebsführung (WOB), deshalb etwas ganz Besonderes einfallen, die „WOB-Box“. Der SWK-Projektleiter erklärt sie: „Wir sind vor nicht langer Zeit vom Land Nordrhein-Westfalen für eine intelligente Steuerung ausgezeichnet worden, die Folgendes macht. Sie ist unter anderem mit der Börse vernetzt, sie ist mit dem Wetteramt vernetzt. In Bezug auf die Außentemperaturen berücksichtigt sie mithin schon sehr frühzeitig, einen Tag vorher, die Wetterentwicklung und reguliert die Anlage rechtzeitig auf einen energieeffizienten Betrieb ein. Der bezieht sich sowohl auf die Vorlauftemperatur als auch auf die Betriebszeiten, zu denen bestimmte Vorlauftemperaturen bereitstehen müssen. Das können zwar andere Regelungen auch, das Alleinstellungsmerkmal der »WOB-Box« besteht darin, dass wir uns zusätzlich an der Börse die Strompreise anschauen und die Tarife in die Regelung einkoppeln. Für Hilchenbach gilt das allerdings nicht, weil wir dort nicht »Prosumer« sind, also Strom konsumieren als auch mit Hilfe eines BHKWs Strom und Wärme im Objekt produzieren. Im Schulzentrum dort greifen wir nur auf die Prognosen des Wetteramts für den nächsten Tag zu.“

Die Einbindung der Börsenpreise führe im Übrigen zu einer vom Üblichen abweichenden BHKW-Auslegung: „Wir überdimensionieren die Maschinen, das heißt, die Leistung geht über den Wärmebedarf des Objekts hinaus, beispielsweise von Altenheimen oder Mehrfamilienhäusern. Den Überschuss puffern wir in großen Wärmespeichern ab. Bei etwa der berühmten Dunkelflaute, wenn die Elektrizität extrem teuer ist, verkaufen wir Strom, indem wir ihn ins Netz und die Wärme in die Behälter einspeisen. Bei Stromüberschuss mit Niedrigst- oder sogar Minustarifen im Gefolge schalten wir die KWK ab und entnehmen die Wärme den Speichern. Trotz der Investition in voluminöse Puffer rechnet sich der Aufwand. Das alles, Wetter und Börse, kann die Box in der Kundenanlage erfassen und sie entsprechend individuell fahren.“ Die SWK betreibt mehrere solcher Installationen, entweder als Energieinsel oder gebündelt als virtuelles Kraftwerk. Als Unternehmen kann es von last- und zeitvariablen Tarifen profitieren und so auch den Abnehmern günstige (Fest-)Preise anbieten.

Fazit

Die Bilanz im Schulzentrum sah für das vollständige erste Betriebsjahr 2019 so aus: In der Ausschreibung stand ein Schätzwert für den Gesamtauftrag über 15 Jahre Wärmelieferung von 2,4 Mio. Euro. Der Stadtkämmerer von Hilchenbach überwies Anfang 2020 an SWK für einen Wärmeverbrauch von 1.520 MWh einen Betrag inklusive Mehrwertsteuer von 120.000 Euro. Damit liegen der Wärmepreis bei etwa 8 Cent/kWh und die Hochrechnung für 15 Jahre bei 1,8 Mio. Euro. Allein für die Erneuerung der Kessel und einiger Peripherie hätte die Kommune mindestens 400.000 Euro in die Hand nehmen müssen, ohne damit aber den gewünschten Entlastungsfaktor für die Umwelt zu erreichen. Die rein wirtschaftlichen Zahlen für seine Stadt bewertete der ehemalige Bürgermeister Holger Menzel so: „Die Energieeinsparungen von mindestens 300.000 kWh pro Jahr, die geringeren spezifischen Energiekosten von Holz gegenüber Erdgas, die niedrigeren Betriebskosten und der Wegfall von Investitions- und Kapitalkosten macht die Erneuerung der Wärmeversorgung des Schulhügels vom ersten Jahr an für uns kostenneutral.“ Die Bezirksregierung Arnsberg hat der Stadt Hilchenbach außerdem eine Landesförderung aus dem Programm „progres.nrw“ bewilligt. Zuschüsse gab es auch von der KfW.

Für Christian Hibbeln sollte die Sanierung des Schulhügels mit Nahwärme beispielgebend sein. Es gebe viele Städte und Gemeinden, in denen, wie in Hilchenbach, mehrere öffentliche Gebäude in räumlicher Nähe zueinander stehen. „Wir hoffen, dass das Beispiel Schulhügel Hilchenbach dazu führt, dass wir noch weitere Lösungen zur Energiewende vor Ort in den Städten und Gemeinden umsetzen und mit unseren umweltfreundlichen Nahwärmeversorgungen einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten können.“

Weiterführende Informationen: https://www.viessmann.de/

Freitag, 21.01.2022