KWK

Ein Prost auf die KWK!

Bei „Gaffel Kölsch“ ersetzt BHKW-Energie teuren Dampf

Dienstag, 19.04.2022

Wussten Sie das? In Dortmund gehören alle bekannten Bier-Marken, wie Ritter, Hansa, Kronen, Brinkhoff’s und viele weitere, dem Konzern Dr. Oetker.

Das Bild zeigt ein Bier am Zapfhahn
Quelle: Sokratherm
Die obergärige Bierspezialität aus der Domstadt am Rhein – hell, ungefiltert und naturtrüb.

Gebraut werden sie sämtlichst in einer einzigen Produktionsstätte. Die Altbier-Brauereien in Düsseldorf und Köln dagegen schaffen noch weitgehend den Erhalt ihrer Selbständigkeit. Müssen aber natürlich intelligent investieren – zur Senkung der Betriebskosten, ohne an Bierqualität zu verlieren. Wie das konkret aussehen kann, zeigt im Folgenden das Beispiel „Gaffel Kölsch“.

Die 1908 gegründete Privatbrauerei Gaffel Becker & Co. OHG ist eine Kölner Institution. Über hundert Jahre braut das in der vierten Generation geführte Familienunternehmen sein berühmtes „Gaffel Kölsch“. Das gehört mit rund 30 Prozent Marktanteil zu den zentralen Bestandteilen der Kölsch-Gastronomie. Um auch zukünftig erfolgreich agieren zu können, investierte Gaffel in den letzten Jahren erheblich in den Betrieb auf dem etwa 30.000 m² großen Gelände in Köln-Porz. Der geschäftsführende Gesellschafter Heinrich Philipp Becker betonte beim Start der umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen: „Wir investieren in die Zukunft des Unternehmens. Viele mittelständische Brauereien sind von Großkonzernen übernommen worden. Wir wollen als Familienbrauerei langfristig eigenständig bleiben. Um diesen Weg nachhaltig zu sichern, benötigen wir modernste Brauanlagen.“ Das Wasser für das Kölsch stammt übrigens aus einem eigenen Tiefbrunnen der Brauerei am Standort. Der erlaubt eine Jahreskapazität von 650.000 Hektoliter.

Nebenbei, mit Gaffel bezeichneten die Kölner eine Vereinigung von Bürgern. Solche Gruppierungen entstanden aus den Zünften heraus. Die Gaffeln waren 400 Jahre lang von 1396 bis zur Besetzung durch die Franzosen 1794 in der früheren Hauptstadt der römischen Provinz Germania inferior (Niedergermanien) die herrschenden politischen Kräfte. Eine Art Partei – oder auch „Kölscher Klüngel“.

Das Bild zeigt ein BHKW-Kompaktmodul.
Quelle: Sokratherm
Das installierte BHKW-Kompaktmodul leistet 122 kWel und 190 kWth bei einer Vorlauftemperatur von bis zu 95°C.

Der wichtigste Sparfaktor

Die Modernisierung der Braustätte schloss die Errichtung einer Technikzentrale mit Blockheizkraftwerk (BHKW) ein. Im ersten Schritt stellte 2016 die Braustätte von offener Gärung auf ein Zwei-Tank-Gärverfahren mit einem Energierückgewinnungssystem, unter anderem für die Verdampfungswärme, um. Dampf fällt bei verschiedenen Hochtemperaturprozessen im Brauablauf an. Darüber hinaus hat die Bier- und Getränkeproduktion einen hohen Dampfbedarf. Ob Hausbrauerei, Kleinbrauerei oder Großbrauerei: Von der Sudpfanne bis zum Füllen unter-stützt das Medium viele Einzelverfahren in der Kette und ist damit der wichtigste Sparfaktor bei den Betriebs-kosten.

Einige Beispiele: Dampf für Maischpfanne und Würzepfanne zum Beheizen, Dampf zum Reinigen der Flaschen wie auch der Produktionsanlagen.

Mit einer neuen Bosch-Kesselanlage zur Dampfversorgung nebst einer optimierten Verfahrensstruktur halbierte sich beinahe der Dampfverbrauch auf 5 t/h. Ebenfalls sank pro Hektoliter der Stromverbrauch um 30 Prozent und der Wärmeverbrauch um 35 Prozent. Die SPS-basierte Steuerung „BCO“ (Boiler Control) sammelt und speichert alle wichtigen Betriebsdaten, wie die Anzahl der Brennerstarts, Kaltstart-Vorgänge oder Absalzwerte. Über den Softwarebaustein „Condition Monitoring“ lassen sich die Daten übersichtlich darstellen und bewerten. So können das Bedienpersonal bei der Gaffel-Brauerei als auch der zuständige Bosch-Servicetechniker im Falle von zu hohen Energieverlusten rasch reagieren. !PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Das Bild zeigt einen Heißwasserkessel.
Quelle: Sokratherm
Das Heißwasser wird in einem 80 m³ großen Wärmespeicher gelagert, um später weiter zur Reinigung von Flaschen und Anlagentechnik verwendet werden zu können. Lediglich für die Fassreinigung besteht noch Heißdampfbedarf.

Heißwasserspeicher für 80m3

Als zweiten Schritt erarbeitete das Ingenieurbüro Trommel GmbH aus Lichtenau bei Paderborn ein Optimierungskonzept inklusive der Wärmeversorgung der neuen Abfülltechnik. Dieses Maßnahmenpaket bindet hoch-effiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in die Bestandstechnik ein und ergänzt sie des Weiteren mit einem Wärmespeicher. Trommel, mit dem Schwerpunkt auf Anlagen- und Prozesstechnik, löste auf diese Weise die Aufgabe, bei der neuen Abfüllung ohne Nutzung von energieintensiv erzeugtem Dampf auszukommen. Den ersetzt an der Abfüllstation jetzt ein vom BHKW gespeistes Warmwassersystem. Im Ergebnis entstand für die Abfüllanlagen eine eigenständige KWK-Technikzentrale.

Das BHKW-Kompaktmodul „GG 132 H“ des Familienunternehmens Sokratherm aus Hiddenhausen im Nordosten von NRW erzeugt 122 kW elektrische Leistung und 190 kW thermische Leistung mit einem Gesamtwirkungsgrad, laut Hersteller, von 92 Prozent. Diese Wärme steht in der H-Ausführung (H für Heißkühler), die es für sämtliche BHKW-Kompaktmodule des Herstellers gibt, mit 95 °C Vorlauf und bis zu 80 °C Rücklauf auf einem höheren Temperaturniveau zur Verfügung als bei der Standardvariante mit 90/70 °C. Gaffel lagert sie in Form von Heißwasser in dem 80 m³ großen Wärmespeicher zwischen, um sie später weiter zur Reinigung von Flaschen und Anlagentechnik zu verwenden. Lediglich für die Fassreinigung besteht noch Heißdampfbedarf.

Bezahlt nach sechs Jahren

Nach der Einregulierung der komplexen Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik erwarten Planer und Betreiber eine Auslastung des BHKWs mit etwa 7.000 Betriebsstunden pro Jahr. Den BHKW-Strom verbraucht der Standort selbst. KWK-Zuschläge erhält das Unternehmen nicht, da das KWK-Gesetz in der Leistungsklasse ab 100 kW eine Vergütung nur für eingespeisten Strom vorsieht. Dennoch erwirtschaftet das BHKW insbesondere über die Verdrängung von Stromnetzbezug und Dampf jährliche Einsparungen von rund 50.000 Euro. Bezogen auf die Investition in die Heizungstechnik beträgt die Amortisationszeit etwa sechs Jahre.

Auch die Umwelt profitiert von der KWK-Technikzentrale: Aufgrund der Verdrängung von Dampf und Netzstrom sind jährliche CO2-Einsparungen von etwa 280 t zu erwarten.

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