Verantwortungsvoll visionär

Ein Bergdorf meistert erfolgreich die Energiewende

In beeindruckender Naturumgebung begeistert das Bergdorf Priesteregg mit inzwischen 18 Chalets die Besucher seit mehr als zehn Jahren.

Die Gästehäuser wirken wie ein gewachsenes Dorf und mehrere hundert Jahre alt, sind aber durch und durch moderne Neubauten – versteckt auf einem Hochplateau unterhalb der Leoganger Steinberge, unweit von Kitzbühel. Von 2018 bis 2021 stellte man hier komplett auf eine energieeffiziente Ausrichtung aller Hotelbereiche um und erreichte damit die für die Betreiberfamilie Oberlader bedeutungsvolle langfristige Nachhaltigkeit.

Umgeben von erholsamer Natur, Wald und Wiesen sind die einzigartigen Berg-Chalets – gebaut nach dem Vorbild der traditionellen Sennhütten – seit der Eröffnung im Jahr 2009 eine große Erfolgsgeschichte. Die urigen Hütten, die gemütlichen Stuben und knisterndes Kaminfeuer versetzen die Gäste in eine ruhige Atmosphäre. Während der gesamten Planungsphase der An- und Umbauten standen der ökologische Gedanke und eine nachhaltige Ressourcennutzung an allererster Stelle bei der Gastgeberfamilie Oberlader.

Schon immer setzen sie in allen Hotelbereichen und wo immer es möglich ist auf den Baustoff Holz in Verbindung mit vielen ergänzenden Natur-Materialien. Auch das gebäude- und energietechnische Konzept wird fort-während erweitert, um so langfristig die Ziele „Umweltschutz“ und „Wirtschaftlichkeit“ zu erreichen. Denn bekanntlich spielen in Hotels die Energiekosten eine wesentliche Rolle. Die Betreiberfamilie des heutigen „Priesteregg Premium Eco Resort“ hat denn auch schon viele Schritte in Richtung CO2-Neutralität gemacht.

Für das innovative Konzept für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) ließen sich Renate und Hubert Oberlader vom Systemtechnik-Hersteller Viessmann beraten. Zusammen mit den Experten für Heizungs- und Klimasysteme haben sie das Hotel-Energiekonzept konsequent weiterentwickelt und so das selbstgesteckte Ziel einer durchgehend nachhaltigen Ressourcennutzung erreicht. Da überrascht es nicht, dass das Projekt für den „Energy Globe“-Award, einen weltweit renommierten Umweltpreis, nominiert war und zusätzlich den „Materialica“-Award 2021 von „eMove360°“ in der Kategorie CO2-Effizienz erhalten hat.

Architektur: sensibel eingepasst

Beauftragt für das über mehrere Bauphasen realisierte Wohlfühl-Resort wurden die Planer von W2 Manufaktur aus Leogang, die bereits zum wiederholten Mal die Verantwortung für die Architekturplanung übernahmen. Zwei weitere, neu errichtete Häuser und eine große Spa-Landschaft wurden 2019 an das energieeffiziente Gesamtsystem angeknüpft. Spannend gestaltet haben die Experten der W2 Manufaktur die 100 m² große „Wilderer-Villa“, die einem Baumhaus ähnelt, da sich das obere Stockwerk komplett in den Baumwipfeln versteckt. Auf der Dachterrasse befindet sich das „Wilderer Deck“ mit einem „Panorama-Hot-Tub“, der – ganz im Sinne der Ressourcenschonung – an eine Grauwassernutzungsanlage angeschlossen ist.

Auch die „Villa Etaner“ ist eine neue exklusive Hauseinheit mit 250 m² Wohnfläche. Durch einen bepflanzten Erdwall ist sie vom neuen Spa-Bereich getrennt, die Villen-Bewohner genießen allerdings über einen privaten Zugang direkten Eintritt in den Wellness-Bereich.

Beide Häuser basieren heizungstechnisch auf Erdwärme, Außenluft-Wärmepumpen, Eisspeichersystem, Blockheizkraftwerk (BHKW) und Holzenergie. Die Bauten verfügen zudem über eine Photovoltaik-Anlage (PV) und ein Bio-Flüssiggas-Kraft-Wärme-Kopplungs-System (KWK). Die verantwortlichen Fachplaner vom Technische Anlagen Planungsteam (TAP) aus dem österreichischen Zell am See konzipierten unter anderem auch ein System zur Wärmerückgewinnung (WRG) aus dem Rückspülwasser der Pools und aus dem Abwasser der „Hot-Tubs“ mittels Wärmepumpen-Technologie. Die so gewonnene Wärme wird im Heizsystem genutzt.

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„Zero Emission“: keine Träumerei

Das ebenfalls 2019 neu gebaute, eingeschossige Spa-Areal auf etwa 3.000 m² hat man unterhalb der Chalets in den Hang hineingesetzt. Angeknüpft ist ein dreigeschossiger Hütten-Turm mit weiteren Saunen, Ruhe- und Massageräumen sowie einer Sonnenterrasse. Das Wellness-Hauptgebäude – in bewährter Holzrahmenbauweise errichtet – verschwindet allerdings überwiegend in der bestehenden Hangkante.

Auch der Innenausbau ist wesentlich durch das Naturmaterial Holz bestimmt. Das umfassende Areal und alle Flachdach-Bereiche hat man üppig mit Gräsern und Sträuchern bepflanzt. Die bepflanzten Dachbereiche tragen dazu bei, die visuelle Wirkung des Gebäudes zu verringern. Aber auch das Meta-Thema „Energieeffizienz“ kommt hier natürlich zum Tragen: Die Pflanzen ermöglichen eine verbesserte Wärmedämmung im Winter und einen Hitzeschutz im Sommer. Die naturnah angelegte Begrünung ist demnach eine „natürliche Klimaanlage“ und entwickelt sich naturgemäß selbst weiter.

Bei all der Ursprünglichkeit steht aber ein sehr präziser Fahrplan für das energetische „Weiterkommen“ im Vordergrund aller Aktionen und Investitionen: Der Schlüssel zum Erfolg ist das virtuose Zusammenspiel von fünf verschiedenen Energieerzeugersystemen, die sieben natürliche Energiequellen nutzen. Das bedingte freilich eine saubere und entsprechend aufwändige Planung, Vorbereitung sowie eine Testphase – beteiligt waren hierbei 20 Gebäudetechnik-Experten.

Gebäudetechnik: alles im Einklang

Das zukunftsweisende Projekt wurde in seiner vollen Komplexität simuliert. Mittels komplexer Berechnungsprogramme wurde sowohl die aktuelle Situation als auch der mögliche zukünftige Energieverbrauch dargestellt. Die daraus resultierenden Ergebnisse stellten die Grundlage für die Dimensionierung der Energie- und Gebäudetechnik dar.

Die beteiligten TGA-Planer stellten sicher, dass die Stromerzeugung wirtschaftlich optimal auf den zukünftigen Bedarf abgestimmt ist. Bedarfsabhängig ist dieser Anlagenteil zudem jederzeit erweiterungsfähig. Den Entscheidern war es wichtig, die Wärmeerzeugung so auszulegen, dass sie so klein wie irgend möglich, aber auch so groß wie nötig in ihrer Leistungsfähigkeit dimensioniert wird.

„Wir haben darauf geachtet, dass die verhältnismäßig trägen Biomasse-Energiesysteme nur im Winterbetrieb benötigt werden“, erklärt Thomas Pesendorfer, Vertriebs- und Planungsingenieur der Viessmann Ges.m.b.H. und verantwortlicher Projektleiter für die Energiesysteme seitens der Viessmann Group.

Neben der Herausforderung der hohen Investitionskosten für die Betreiber stellte es sich als zusätzliche große Aufgabe heraus, die einzelnen Wärmeerzeuger, Wärmequellen und -abnehmer effizient zu steuern. Ein Monitoring-System zur permanenten Optimierung des „Gesamtkunstwerks“ wurde inzwischen etabliert, in welches die Energieerzeuger (komplett aus dem Portfolio der Viessmann Group) ihre Betriebsdaten einspeisen.

Sieben Energiequellen: Luft, Sonne, Erdwärme, Eis, Abwasser, Biomasse und Biogas

Die Wärmegewinnung aus der Luft wird über drei Luftwärmepumpen mit einer Gesamtleistung von etwa 50 kW umgesetzt. Zusätzlich können die Sole/Wasser-Wärmepumpen über einen Rückkühler ebenfalls die Energie-quelle „Luft“ nutzen. Hier können Leistungen bis zu 110 kW erreicht werden, jedoch erst bei Lufttemperaturen größer 10 °C. Während die Wärmepumpen Energie aus der Umgebungsluft ziehen, werden diese gleichzeitig über die PV-Anlage mit eigenem Strom versorgt. In Kombination mit den Wärmequellen „Abwasser“ und „Eisspeicher“ erfolgt eine kontinuierliche Nutzung von Umweltenergie. Dadurch werden vor allem in der Übergangszeit die geothermischen Tiefenbohrungen nicht beansprucht. Im Bedarfsfall wird die Erdwärme über die beiden Sole/Wasser-Wärmepumpen genutzt.

Ein besonderes Highlight in Priesteregg stellt das installierte Eisspeicher-System dar: Die beiden ungedämmten Betonzisternen ruhen unterirdisch im Hang vor dem neuen Spa-Gebäude. Sie verwandeln, mittels der angeschlossenen Wärmepumpen, das eingefüllte Wasser in Eis und gewinnen dadurch Wärme zum Heizen. Dieses zum Ende der Heizperiode entstandene Eis wird dann vorrangig im Sommer zum Kühlen des Restaurants verwendet. Der unterirdische Wassertank dient also als Wärme- und Kältepuffer.

Ein weiteres besonderes Augenmerk gilt der Erdwärmenutzung: Insgesamt zwölf Bohrungen mit je 140 m Tiefe wurden für die Ausnutzung der Geothermie ausgeführt. Die Sole/Wasser-Wärmepumpen „veredeln“ die Energie aus dem Boden und erzeugen Heizungswasser mit einer Temperatur von bis zu 65 °C. Die thermische Belastung (Entnahme) der Tiefenbohrungen ist im Bergdorf auf etwa 2200 h pro Jahr beschränkt.

Die installierte Mess-, Steuer- und Regeltechnik für die komplexen Energiesysteme ermittelt, welche der vielen Quellen jeweils effizienter bzw. wirtschaftlicher zu nutzen ist. Sprich: Je nach Außentemperatur und Last wird dann zum Beispiel zwischen der Wärmequelle Luft und Erdwärme umgeschaltet.

Energie satt: Grünstrom aus PV und BHKW

Noch einige Details zur schon erwähnten PV- und KWK-Anlage: Das BHKW bewährt sich im Resort schon seit 2019. Das kompakte Heizkraftwerk wandelt Bio-Flüssiggas in elektrischen Strom um und produziert dabei (Ab-)Wärme. Die thermische Energie aus dem KWK-Prozess wird konventionell in einem Pufferspeicher „geparkt“ und steht so jederzeit für die Nutzung zur Verfügung. Kernkomponente für die Versorgung mit Elektrizität ist im Projekt „Priesteregg“ aber die Photovoltaik mit in Summe 129,6 kWp (300 Wp pro Modul, 432 Module).

Zwei Holzpelletskessel (300 kW und 150 kW Heizleistung) runden das TGA-Konzept schließlich ab. Sie kommen in erster Linie zur Deckung von Spitzenlasten, hoher benötigter Temperaturen sowie in der Heizperiode an sehr kalten Tagen und Wochen zum Einsatz. Drei Niedertemperatur-Wärmespeicher sowie zwei Hochtemperatur-Wärmespeicher (80 °C) sind ebenfalls in das Energiesystem integriert. Das BHKW speist dabei in die Hochtemperatur-Wärmespeicher ein.

Inzwischen ist das gesamte Resort stromautark bzw. im „Energieplus“: Die Menge des selbst erzeugten, erneuerbaren Stroms überschreitet den Jahresstrombedarf der Anlagen. So werden auch die in Summe sechs im Resort aufgestellten Wärmepumpen stromautark und damit in der Jahresbilanz regenerativ betrieben.

Fazit: Experimentierfreude lohnt sich

Die regionale wie globale Bedeutung dieses „Greentech“-Musterbeispiels wird selbstverständlich an die Gäste kommuniziert: Das gesunde Gebäudeklima, die gute CO2-Bilanz und auch die niedrigen Betriebskosten sorgen bei den Bewohnern für positive Resonanz. Regenerative Energien, lokale Energiequellen, die Grauwassernutzung und vieles mehr zeigen die Gastgeber auf einem Lehrpfad.

„Wir waren schon immer experimentierfreudig und haben bewusst weit höhere Kosten als für herkömmliche Anlagen vorgesehen in Kauf genommen“, betont Hubert Oberlader. „Wir sparen mit der Photovoltaik-Anlage und zugleich mit dem durch Biogas erzeugten Strom viele Tonnen CO2 ein. Das erfüllt uns mit Stolz! Der Klima-schutz-Gedanke zieht sich durch unsere gesamte Unternehmensgeschichte. Wir möchten die neuen, klimafreundlichen Technologien nicht nur unterstützen, wir wollen dafür Maßstäbe setzen und hoffen, dass uns viele Gastgeber folgen. Wir wollen mit unserer Pionierarbeit dazu beitragen, dass wir – aber auch andere Unternehmer – in diesem Prozess dazulernen, um den nachfolgenden Generationen lebenswerte Orte zu hinterlassen.“

Weiterführende Informationen: https://www.priesteregg.at/

Dienstag, 05.04.2022