So und nicht anders

Der „Kommunale Wärmeplan“ schreibt die Beheizungsstruktur vor

Ob es tatsächlich noch in diesem Jahr klappt?

Sieht man sich das Gerangel um die GEG-Novelle an, dürfte es überraschen, wenn es zur anvisierten Verabschiedung bis Ende des Jahres der zweiten großen Maßnahme zur Wärmewende kommen würde: der Vorlage eines Gesetzes zur Kommunalen Wärmeplanung. Immerhin: Berlin will in Kürze einen Entwurf vorlegen.

Am momentanen Chaos trägt Putin die meiste Schuld. Er zwang dazu, das Pferd von hinten aufzuzäumen, nämlich, Details zu Plänen zu erlassen, die noch gar nicht existieren. Gesetzgeberisch einigte sich die Ampel auf zwei massive Säulen als Fundament der Wärmewende: erstens einem Gesetz namens „Kommunale Wärmeplanung“ (KWP) und zweitens, daran anhängend, einem novellierten Gebäudeenergiegesetz (GEG). Die „Kommunale Wärmeplanung“ verpflichtet Kommunen, für ihre neuen und alten Quartiere Konzepte zur nachhaltigen Wärmeversorgung zu erarbeiten.

Das rechtlich bindende Ziel der Klimaneutralität nach Klimaschutzgesetz (KSG) heißt konkret: Bis 2045 muss die Wärmeversorgung in jeder Kommune auf der Basis von erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme erfolgen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Dringlichkeit erhöht, von russischen Erdgasimporten unabhängig zu werden und die Wärmeversorgung in Deutschland, die vielerorts auf fossilen Brennstoffen beruht, umzustrukturieren. Eine solche Wende lässt sich allerdings nicht einfach von Berlin aus beschließen, da Wärme sich nicht so leicht transportieren lässt wie zum Beispiel Strom. Eine sinnvolle Wärmeversorgung sollte sich vielmehr an den Gegebenheiten vor Ort orientieren.

Als Instrumente dafür bieten sich zentrale und dezentrale Lösungen an, wie etwa Nahwärmenetze, die örtliche industrielle Abwärme verteilen, oder Geothermiefelder, PV-Speicher, PV-Dächer und Kleinwindräder für Luftwärmepumpen und anderes. „Kommunal“ bezieht sich auf kommunale Ressourcen, um auch Übertragungsverluste zu minimieren.

Vier Elemente

Schon dieses Jahr sollte das Gesetz in Kraft treten und die Städte zur Grundlagenarbeit auffordern. Im Parlament erhielt das GEG jedoch zwangsweise Vorrang. Um dessen endgültige Ausgestaltung streiten zwar immer noch Parteien und Organisationen, nur gestattet es der Zeitrahmen nicht, die KWP noch länger hintenan zu stellen. 2030, in gerade mal sieben Jahren, müssen erste neue Heizungsstrukturen in den Gemeinden Realität sein. Das geht aus dem Klimaschutzgesetz hervor. Das KWP-Gesetz wird die Vorgehensweise beschreiben. Ein Gesetzesentwurf werde nun kurzfristig in die Ressortabstimmung gehen, teilte die Bundesregierung auf einer Sitzung im Mai 2023 dem Parlament mit.

Die Vorgehensweise steht bereits fest. Sie basiert auf vier Maßnahmen – aus den Elementen Bestandsanalyse, Potentialanalyse, Zielszenario und Wärmewendestrategie: Die „Bedarfsanalyse“ sammelt Informationen zu den aktuellen Wärmebedarfen oder -verbräuchen und den resultierenden THG-Emissionen, zu den Gebäudetypen und zum Baualter sowie zu den aktuellen wärmerelevanten Versorgungsstrukturen (Netze, zentrale Erzeuger etc.) und der dezentralen Beheizungsstruktur der Gebäude inklusive Alter der Wärmeerzeuger.

Inklusive Abwärme

Die „Potentialanalyse“ erfasst die Potentiale zur Senkung des Wärmebedarfs von Gebäuden und gewerblichen und industriellen Anwendungen sowie die Potentiale erneuerbarer Energien (Umweltwärme, Geothermie, Solarthermie, Biomasse) und Abwärme, soweit sie sich zur Wärmeversorgung eignet. Darüber hinaus denkt das BMWK an eine Ausweisung der Potentiale für erneuerbare Stromerzeugung.

Das „Zielszenario“ beschreibt für die Jahre 2030 und 2045, wie sich Wärmebedarf, Infrastruktur und Wärmeerzeugung (zentral und dezentral) bis hin zur Klimaneutralität 2045 entwickeln sollen. Ein zentraler Punkt dieses Szenarios ist die Zonierung. Die wird Gebiete kennzeichnen, die sich für eine leitungsgebundene Wärmeversorgung anbieten oder aber für die nur eine dezentrale Beheizung infrage kommt. Darüber hinaus sollte die Karte derzeit mit Erdgas versorgte Areale, in denen die Gasnachfrage stark zurückgehen wird, und solche mit besonders schlechtem energetischen Gebäudebestand dokumentieren. Ferner sollte der Wärmeplan Flächen für die Nutzung von Geothermie oder Gebiete mit besonderen Anforderungen an den Einsatz von Wärmepumpen (Erdsonden, Grundwasser) benennen.

Die kommunale „Wärmewendestrategie“ schließlich soll die Werkzeuge und Maßnahmen zur Klimaneutralität 2045 wie auch zum Zwischenziel 2030 darstellen. Gewollt ist, dass eine Vielzahl von Akteuren wie Immobilienwirtschaft, Investoren, Stadtwerke, Architekten und Planer, Kämmerer und weitere bei der Planung mitentscheiden. Ferner werden politische Instrumente des Bundes (BEG, GEG, BEW, EnWG, BauGB etc.) in die Umsetzung hineinspielen.

Gekippte Reihenfolge

Der so zu entwickelnde Wärmeplan wird Rechtsverbindlichkeit in Form einer kommunalen Satzung erhalten. Der zügigen Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes stand eigentlich nichts im Weg. Es setzt ja nur einen Rahmen. Der Bundesrat hätte es durchgewinkt und an die Kommunen weitergereicht. Die Aufstellung der Wärmepläne bedarf jedoch einer längeren Vorlaufzeit. Drei Jahre räumt der Bund dafür in einem Eckpapier Gemeinden ab einer Größe von 10.000 bis 20.000 Einwohnern ein. Damit wären etwa 70 bis 75 Prozent der Bevölkerung erfasst. Der Krieg im Osten und die Angst vor kalten Wohnungen kippte die Reihenfolge. Es mussten losgelöst von individuellen Konzepten Sofortlösungen her. Habeck zog das GEG vor, baute es quasi zum Wärmepumpengesetz um und will dem bereits zum 1. Januar 2024, ein Jahr früher als ursprünglich vorgesehen, Rechtsgültigkeit geben. Die Verwaltungen müssen mithin das eigentlich übergeordnete KWP dem GEG anpassen.

Trotz dieser erzwungenen Umkehr des Üblichen liegt das Thema in Berlin aber nicht auf der langen Bank. Das erlauben auch das Klimaschutzgesetz von 2019 und das „Sofortprogramm Klimaschutz“ von 2022 nicht. Die KWP gehört zu diesem Paket, dessen Umsetzung die Bundesregierung mit der dafür eigens geschaffenen Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) den finanziellen Boden glättet. Sofortprogramm heißt: Es besteht hoher klimapolitischer Handlungsbedarf im Gebäudesektor. Der emittierte im Jahr 2021 115 Mio. Tonnen CO!SUB(2)SUB!-Äquivalente und lag damit 2 Mio. t über dem Soll. Um die maximal 67 Mio. t für 2030 einhalten zu können, ist eine deutliche Steigerung der Minderungsrate notwendig. Von der KWP erwartet die Politik einen spürbaren Beitrag.

Vorlagen existieren

Was den Bauprozess angeht, steht 2030 quasi vor der Tür. Die Konsequenz daraus ist, dass die Wärmeplanung in den nächsten Monaten in den kommunalpolitischen Vordergrund rückt. Bislang existiert zur KWP zwar nur ein Diskussionspapier auf Bundesebene – einige Länder sind schon weiter –, doch verspricht die zuständige Abteilung im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, nach wie vor, eine Entwurfspräsentation „in Kürze“. Sie kann auf einer Grundlage aufbauen. Die besteht im Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg (BW). Das BMWK will sich im Rahmen der Ausgestaltung des Bundesgesetzes eng an den Formulierungen dieses Erlasses orientieren, wie es in dem Diskussionspapier steht.

Etwa zur Datenerfassung. Im KSG-BW heißt es: „Soweit dies zur Erstellung kommunaler Wärmepläne erforderlich ist, sind Gemeinden berechtigt, vorhandene Daten bei natürlichen und juristischen Personen zu erheben; dies gilt auch, soweit es sich dabei um personenbezogene Daten handelt. Energieunternehmen sind verpflichtet, den Gemeinden auf Anforderung insbesondere zähler- oder gebäudescharfe Angaben zu Art, Umfang und Standorten des Energie- oder Brennstoffverbrauchs von Gebäuden oder Gebäudegruppen sowie des Stromverbrauchs zu Heizzwecken, insbesondere für Wärmepumpen und Direktheizungen, und Angaben zu Art, Alter, Nutzungsdauer, Lage und Leitungslänge von Wärme- und Gasnetzen, einschließlich des Temperaturniveaus, der Wärmeleistung und der jährlichen Wärmemenge […], zu übermitteln.“

Umfassende Datenerhebung

Stuttgart verlangt des Weiteren konkrete Angaben zu den Wärmeerzeugern: „Öffentliche Stellen sowie bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger sind verpflichtet, den Gemeinden auf Anforderung insbesondere gebäudescharfe Angaben zu Art, Brennstoff, Nennwärmeleistung und Alter von Anlagen zur Wärmeerzeugung sowie Angaben über deren Betrieb, Standort und Zuweisung zur Abgasanlage und die für die Aufstellung von Emissionskatastern im Sinne des § 46 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes […] zu übermitteln.“ Das gilt für private Haushalte genauso wie für Gewerbe- und Industriebetriebe sowie für die Öffentliche Hand. Dass eine gesicherte Energieversorgung höchste Systemrelevanz hat, unterstreicht der Vorentwurf; indem er Gemeinden gestattet, für den Wärmeplan selbst auf personenbezogene Daten zugreifen zu dürfen, selbst wenn „diese für andere Zwecke erhoben wurden“. Technisch betrachtet, lässt sich aus der Tiefe der Erfassung herauslesen, dass, negativ gesehen, der Freiheit der TGA-Planung in Zukunft immer mehr Grenzen gesetzt werden. Positiv gesehen, schafft die KWP einen verbindlichen Orientierungsrahmen für Planung und Anlagenbau. Und der dürfte in vielen Kommunen in groben Zügen schon vorliegen. In Baden-Württemberg trat er mit § 7c KSG-BW schon in Kraft. In Niedersachsen ist eine entsprechende Verpflichtung ab dem 01.01.2024 vorgesehen. Weitere Bundesländer und Kommunen befinden sich in der Vorbereitungsphase.

Anlaufstelle in Halle

In Berlin weiß man jedoch auch, dass das entsprechende Know-how für ein derartiges Konzept vielerorts fehlt. Deshalb beauftragte das BMWK die dena mit der Einrichtung eines Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende (KWW). Die etablierte es im vergangenen Jahr in Halle (Saale) als bundesweit zentrale Anlaufstelle für die KWP. Es fungiert als Bindeglied zwischen Kommunen, Bundesländern, dem Bund, den Verbänden und weiteren relevanten Stakeholdern, indem es Kommunen, Akteurinnen und Akteure der Kommunalen Wärmeplanung vernetzt und mit Know-how nach aktuellem Stand der Technik unterstützt.

Der Bund plant, später bestehende Fördermittel (zum Beispiel die BEG) an die kommunale Wärmeplanung zu kop-peln. Planer sollten schon heute ihre Bauverwaltung oder ihr Stadtwerk fragen, was vorgesehen ist. Denn wie schon erwähnt, soll die KWP 2030 erste Früchte tragen. Viele werden deshalb bereits eine Skizze in der Schublade liegen haben, denn das Gesetz ist schon vor zwei oder drei Jahren von der Politik angekündigt worden.

Handlungsleitfaden „Kommunale Wärmeplanung“, Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW): https://www.kea-bw.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/094_Leitfaden-Kommunale-Waermeplanung-022021.pdf

Weiterführende Informationen: https://www.kww-halle.de/

Freitag, 25.08.2023