Mit einer Million Wärmepumpen noch nicht im Soll

Interview mit Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e.V.

1968 startete das Wärmepumpen-Zeitalter in Deutschland: Klemens Waterkotte hatte die erste Fußbodenheizung auf Basis oberflächennaher Geothermie realisiert.

Jetzt, Ende 2020, schaltet irgendwo in der Bundesrepublik die einemillionste Wärmepumpe ein.

Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) begeht in diesen Wochen mit verschiedenen Aktivitäten dieses Jubiläum. Das HeizungsJournal sprach mit dem BWP-Geschäftsführer, Dr. Martin Sabel, über Gegenwart und Zukunft dieser nachhaltigen Energietechnologie.

Herr Sabel, eine Million Wärmepumpen! Normalerweise feiert man ja etwas, mit dem man sehr zufrieden ist. Eine Million Wärmepumpen – ist das eigentlich eine erfolgreiche Zahl?

Jein. Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite nicht. Auf der einen Seite freuen wir uns über diesen Meilenstein, auf der anderen Seite haben wir auf dieses Zwischenergebnis in unserer Mission für eine nachhaltige Energieversorgung viel zu lange warten müssen.

Nach wie vor behindern politische Vorgaben die Marktdurchdringung. So etwa die Umlagen und die Steuern auf den Strompreis. Die Belastungen sind außerordentlich hoch. Hier muss ganz dringend etwas passieren.

Es passiert ja schon einiges – etwa mit der CO!SUB(2)SUB!-Abgabe.

Es sind ein paar Dinge in Bewegung geraten. Die CO!SUB(2)SUB!-Bepreisung nicht nur für Heizöl, sondern auch für Erdgas ist der richtige Weg. CO!SUB(2)SUB!-Emissionen, egal aus welcher Quelle, müssen einen Preis bekommen. Die Einnahmen sollen ja dazu verwendet werden, um den Strompreis zu senken. So gesehen ist der CO!SUB(2)SUB!-Preis ein wesentliches Instrument – nur, es genügt nicht.

Man geht mit Förderprogrammen auch die Investitionskosten an, nicht nur die Betriebskosten.

Das ist richtig. Mit der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) will die Bundesregierung das Marktanreizprogramm und KfW-Förderungen in einem Programm zusammenfassen. Die BEG soll über eine erhöhte Anreizwirkung dazu führen, dass Gebäudebesitzer mehr energie- und CO!SUB(2)SUB!-sparende Maßnahmen durchführen. Die Förderung soll 2021 starten. Alle Details liegen aber noch nicht vor.

Sorgen um die Erdwärme

Ist der momentane Stand der Wärmepumpentechnik als Hauptpfeiler einer Wärmewende zukunftsfähig?

Ja, da bin ich mir sicher. Die Wärmepumpe ist bereits heute die ideale Sektorkopplungstechnologie für den Wärmemarkt und sie bietet noch Potential für weitere Verbesserungen. Die Industrie ist bereit, die technischen Herausforderungen anzunehmen – neue Kältemittel, Effizienzerhöhung, Lebensdauer, Schallreduzierung, Digitalisierung, Lastmanagement.

Apropos „Schallreduzierung“ – wird die Luft-Wärmepumpe das Rennen machen? Allein von der Kostenseite her?

Wir sehen schon seit Jahren, dass die Luft-Wärmepumpe den größten Teil des Wärmepumpenmarkts einnimmt. Die Erdwärme hat sich ungefähr zu einem Drittel oder inzwischen sogar etwas weniger eingependelt. Wir hoffen und wir arbeiten daran, dass die erdgekoppelte Wärmepumpe weiterhin ihre Position behält oder sie vielleicht wieder ausbauen kann, wenn jeder Hausbesitzer weiß, welche fantastischen Möglichkeiten die Nutzung von Erdwärme bietet. Obwohl neu angedachte Förderprogramme dem nicht unbedingt entgegenkommen. Da machen wir uns schon Sorgen um die Erdwärme.

Was läuft da falsch?

Wir sprachen ja schon über die BEG. Die Neubauförderung sieht keine Unterstützung mehr von Einzelmaßnahmen vor. Mit der Umstellung auf die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ wird eine einzelne Investition in eine Heizungsanlage im Neubau nicht mehr direkt unterstützt. Es soll das Gebäude im Ganzen im Vordergrund stehen. Das heißt, der Neubau muss den KfW 55-Standard erreichen, um Zuschüsse zu den Investitionen, in welcher Form auch immer, zu erhalten. Mit welchen bauphysikalischen und gebäudetechnischen Maßnahmen er, der Bauherr, dieses KfW 55-Niveau angeht, bleibt seine Sache. Der Förderanreiz, in ein Erdwärmesystem zu investieren, wird dann vermutlich geringer sein.

Warten auf die BEG

Das heißt, ein paar Zentimeter mehr Styropor auf die Außenwände genügen als Alternative zur Wärmepumpe?

So weit will ich nicht gehen. Ich denke, die Wärmepumpe als nachhaltiger Energieerzeuger wird auch weiterhin im Neubau die Technik der Wahl sein, insbesondere, um das KfW 55-Niveau zu erreichen. Aber, wie gesagt, es bleibt dem Kunden überlassen, mit welchen Maßnahmen er das KfW 55-Niveau zu realisieren gedenkt. Das ist der Kern der neuen Förderstrategie.

Betrifft das jetzt nur den Neubau oder auch den Altbau?

An erster Stelle betrifft die Umstellung der Systematik den Neubau. Im Bestand dürfte es auch bei Einzelmaßnahmen bleiben, eben bis 45 Prozent Zuschuss bei Austausch einer Ölheizung gegen eine Wärmepumpen-Anlage. Der Bestand ist natürlich tatsächlich die große Herausforderung.

Bleiben wir mal bei der Branche selbst und der Zurückhaltung der Multiplikatoren wie Architekten, Planer und Anlagenbauer. Eine Million installierte Wärmepumpen in 52 Jahren, 100.000 aktuell pro Jahr gegenüber etwa 600.000 fossilen Kesseln – wo liegen die Hemmschwellen bei den genannten Multiplikatoren? Wie wollen Sie auf 300.000 oder 400.000 jährliche Anlagen kommen, die notwendig sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen? 2030 wollen wir 55 oder 60 Prozent unter den CO!SUB(2)SUB!-Emissionen von 1990 liegen.

Nicht alle Entscheider und Mitentscheider sind ausreichend über die Möglichkeiten und Vorteile der Wärmepumpentechnologie informiert, das ist nicht zu leugnen. Die potentiellen Nutzer ignorieren häufig die Vielfalt der Möglichkeiten, erneuerbare Energien einzubinden. Dieses Themas müssen wir uns annehmen. Auch auf kommunaler Ebene. Die Kommunen nehmen ihre Vorreiterrolle viel zu wenig wahr. Denken Sie einfach nur an kalte Nahwärmenetze und Ähnliches. Die Lösungen stehen parat. Einige Stadtwerke und Kommunen greifen zu. Andere sind aber noch eher rückwärtsgerichtet. Aber natürlich stehen auch hier die politisch gemachten Strompreise mancher Investitionsentscheidung im Sinne des Klimaschutzes entgegen.

Was man an dem verwaltungstechnischen Aufwand sieht: Früher genügten zwei Seiten, um einen Antrag für eine Sole/Wasser-Wärmepumpe zu stellen. Heute geht es wahrscheinlich nicht unter zehn Seiten – die behördlichen Auflagen nehmen zu statt ab.

Es wird ein vermeintlicher Konflikt konstruiert zwischen Erdwärmenutzung und Grundwasserschutz. Aus meiner Sicht existiert der gar nicht. Die Erdwärmenutzung ist wirklich auf einem sehr hohen Niveau. Die Bohrtechnik ist auf einem gehobenen Niveau, wir haben zertifizierte Bohrunternehmen. Nur hindert das einige Verwaltungen nicht daran, übertriebene Auflagen zu erteilen. Das macht natürlich die Planung besonders schwer und Planungssicherheit ist ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für ein Heizsystem. Wenn zum Fortgang der Dinge ein finales aufgeblasenes Genehmigungsverfahren gehört, ist die Premium-Lösung gestrichen. Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema. Ich bin mir sicher, viel mehr Planer wären bereit, die erdgekoppelte Wärmepumpe zu favorisieren, wenn sie sich weitgehend sicher wären, dass die Ämter ihre Lösung auch akzeptierten.

Das Mieter-Vermieter-Dilemma

Mit „Premium-Lösung“ meinen Sie Geothermie?

Ja, damit meine ich die Geothermie. Luft als Wärmequelle ermöglicht selbstverständlich ebenfalls eine gute Effizienz. Aber ich habe bei der Erdwärme zum Beispiel die zusätzliche Möglichkeit des passiven Kühlens. Ich habe keine Schallemissionen. Der COP liegt um einiges höher als der der Luft-Wärmepumpe. Die Vorteile sind hinreichend bekannt. Wenn es der Bundesregierung und den Behörden mit dem Klimaschutz tatsächlich ernst ist, müssen wir das behördliche Prozedere für diese Technologie drastisch vereinfachen.

Aber lassen Sie mich noch etwas zu dem Punkt „Energiepreise“ sagen: Wir haben einen vorgezeichneten Pfad für die fossilen Energiepreise bis 2025/26. Danach soll der Markt die Höhe des Preises für die CO!SUB(2)SUB!-Abgabe regeln. Es ist also klar, dass sich fossile Energie verteuern wird. Strom sollte mittelfristig trotz des erforderlichen Netzausbaus günstiger werden, durch eine auslaufende EEG-Umlage, durch die Einnahmen aus der CO!SUB(2)SUB!-Bepreisung, durch sinkende Stromproduktionskosten. Planer sollten deshalb das Energiepreisgefüge von morgen zur Grundlage nehmen. Das Nachrüsten wird teuer.

Dann müsste aber auch der Investor mitspielen. Ich denke jetzt an den Mietwohnungsmarkt und hier an den Bestand wie an den Neubau. Den Vermieter interessieren doch, nach wie vor, die Energiekosten relativ wenig.

Leider. Das Problem bleibt. Der Nutznießer der modernen Technologie ist nicht unbedingt der Investor selbst. Oder umgekehrt: Was kümmert den Vermieter seine ineffiziente, fossil betriebene Heizung, wenn die Betriebskosten vom Mieter bezahlt werden, und das bei einem Vermietermarkt. Das ist ein Grundproblem, das es zu lösen gilt. Etwa dadurch, dass es zukünftig nur noch gestattet sein soll, warm zu vermieten. Inwieweit so etwas durchsetzbar ist, kann ich im Moment nicht sagen. Aber es muss ein Weg gefunden werden. Man muss sich der Sache annehmen.

Die Schwerpunkte

Machen wir noch mal einen Schwenk zum Neubau: KfW 55, Effizienzhaus 40, Effizienzhaus 40 plus, steigende Erderwärmung. Wir werden kühlen müssen, wir werden lüften müssen, wir werden wenig(er) Wärme brauchen. Wo bleibt denn die Luft/Luft-Wärmepumpe? Oder sieht es so aus, dass wir in Deutschland partout bei Warmwasserheizungen bleiben wollen, weil wir hier weltweit einen technologischen Vorsprung haben und dadurch in Grenzen „Fernost“ abwehren können? Die Luft/Luft-Technologie ist ja nichts anderes als Klimaanlagentechnik und damit wäre die deutsche Heizungsindustrie außen vor. Oder sagt die deutsche Heizungsindustrie, ja, richtig, das ist Klimatechnik, da brauchen wir gar nichts mehr zu entwickeln, wir haben das ja im Portfolio?

Wenn man insbesondere an die Zukunft des Neubaus denkt, wird man an diesem Thema nicht vorbeikommen. Es ist so, wie Sie sagen, die deutsche Heizungsindustrie ist führend in wassergeführten Heizsystemen. Luft/Luft-Systeme sind aber bereits auf dem Markt. Nur hält sich die Nachfrage noch in Grenzen.

Herr Sabel, eine Million Wärmepumpen in 2020 – fünf Millionen Wärmepumpen in 2030: Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Verbandsarbeit in den kommenden Jahren?

Der Dreh- und Angelpunkt ist, nach wie vor, der hohe Strompreis. Er verhindert auch maßgeblich den dringend notwendigen verstärkten Einsatz der Wärmepumpe im Bestand. Dieses Thema müssen wir mit oberster Priorität angehen. Weitere Herausforderungen, wie relativ hohe Produktionskosten für Wärmepumpen und die notwendige Qualifikation des Handwerks insbesondere im Hinblick auf Bestandsprojekte, werden sich erst dann wirklich lösen lassen, wenn Wärmepumpen nicht mehr durch extrem hohe, politisch gemachte Strompreise am Markt behindert werden. Mit steigender Nachfrage wird sich das Handwerk ernsthaft um das Thema Wärmepumpe kümmern und die Produktionskosten lassen sich hauptsächlich durch höhere Stückzahlen senken.

Was ist an Aktionen in Verbindung mit der einemillionsten Wärmepumpen-Installation in Deutschland gedacht?

Es wird unter anderem ein Jubiläumsband „Logbuch Wärmepumpe“ erscheinen. Außerdem bereiten wir gerade verschiedene Presseaktionen vor. Wir prämieren den Besitzer der einemillionsten Wärmepumpe. Den können wir allerdings nicht physisch ausfindig machen, sondern wir verleihen den Preis stellvertretend an die Gewinner unseres Wettbewerbs. Ihm bezahlen wir dann für ein Jahr die Stromrechnung für seine Wärmepumpe.

Weiterführende Informationen: https://www.waermepumpe.de/

Freitag, 28.05.2021