LPG zum halben Preis

Mit Flüssiggas und flüssigem Erdgas gegen den Engpass

Zwei Energieträger, die bis dato ein Nischendasein in der Wärme- und Energieversorgung führten, sollen uns nun mit aus der Krise helfen: LNG – Flüssigerdgas, im Prinzip Flüssigmethan – und LPG – Flüssigpropan oder umgangssprachlich Flüssiggas. LNG kommt aus der Fernleitung, LPG aus dem privaten Gartentank. Beide bieten in begrenztem Umfang Versorgungssicherheit. Und LPG darüber hinaus auch eine relativ hohe Preisstabilität. Was kommt da auf die Heizungstechnik zu?

Ostsee gegen Nordsee. Der Krieg in Osteuropa stachelte beide Meere zu einem Wettstreit an. In welchem der beiden Atlantikarme macht erstmalig in Deutschland ein LNG-Tanker fest? In Lubmin nahe Greifswald oder in Wilhelmshaven? Beide Hafenstädte bauen an einem LNG-Terminal und beide kündigen die Fertigstellung zum Jahreswechsel 2022/23 an. Zwei weitere Übergabestationen, in Stade und in Brunsbüttel, sollen später hinzukommen und die Einspeisekapazität ins deutsche Erdgasnetz mit Hilfe einer „FSRU“ erweitern.

„FSRU“ steht für „Floating Storage Regasification Unit“ als eine wesentliche Komponente für den Transit von Flüssigerdgas über die Ozeane. Wobei flüssig nicht genau dem Zustand der Ladung in den Tankern entspricht. Deren Konsistenz gleicht mehr dem Schneematsch auf winterlichen Straßen, mit dem Unterschied, dass dieser Brei um -160 °C kalt ist, der Verflüssigungstemperatur für Methan. Die FSRU verdampft den matschigen Schiffsinhalt wieder zu Gas und speist ihn über eine Anbindeleitung in das Erdgasfernnetz beziehungsweise in Erdgasspeicher ein.

In Wilhelmshaven etwa soll ein Teil der Fracht zunächst in die Salzstöcke im 30 km entfernten Etzel fließen (vgl. HeizungsJournal 11/2022, Nov., Beitrag: „Wie Köder an der Angel“). Die Kapazität des Nordsee-Terminals reicht an 7,5 Mrd. m3 LNG pro Jahr heran. Damit würden künftig rund 8,5 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs über die Wesermündung kommen.

Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern will jährlich bis 4,5 Mrd. m3 Gas in die Infrastruktur füllen. Der Hafen muss mit einem Handikap fertigwerden, der geringen Meerestiefe im Greifswalder Bodden. LNG-Tanker mit einem Fassungsvermögen bis 170.000 m3 müssen deshalb draußen in der Ostsee an einer ersten Übergabestation andocken und ihren Energieträger an Shuttle-Schiffe als virtuelle Pipeline übergeben, die dann in Lubmin entladen. In Wilhelmshaven dagegen können Frachter jeder Größe, bis weit über 300.000 m3, im Tiefseehafen direkt an den Pipelines festmachen.

Unbekannte Reserven

Das LNG stammt aus Katar, Australien, den USA und von anderen Vertragspartnern. Da es bis auf wenige andere Bestandteile beinahe vollständig aus Methan besteht, darf es direkt in das Ferngasnetz und damit direkt in die Heizkessel und Thermen strömen. Und in die Verbrennungseinrichtungen und Prozesse der Industrie und der Chemie. Wie schon der Name LNG (Liquid Natural Gas) sagt, handelt es sich um verflüssigtes Erdgas, das vor Millionen von Jahren aus Sedimenten abgestorbener biogener Masse auf dem Boden der Ozeane entstand.

Deutschland verfeuerte 2021 rund 100 Mrd. m3 Erdgas aus Russland – mit 56 Prozent die Hauptbezugsquelle –, aus der Nordsee und aus anderen Förderländern, zu denen auch die Bundesrepublik gehört. Der Beitrag aus heimischen Quellen gibt sich indes mit 5,2 Mrd. m3 relativ bescheiden. Und an wirtschaftlich abbaubaren Reserven steckt nicht viel im Untergrund. Auf 32 Mrd. m3 schätzen die Fördergesellschaften das Depot. Wobei diese 32 Mrd. m3 als sicher gelten, aber noch ein Vielfaches davon im tiefen Schiefergestein steckt. Das lässt sich allerdings noch nicht wirtschaftlich heben beziehungsweise auch nur durch umstrittene Methoden (Fracking) mit weitgehend unbekannten Umwelteinflüssen. Das Vielfache an Reserven im deutschen Untergrund summiert sich bis auf 2 oder 3 Billionen m3 Erdgas.

Neues Feld vor Borkum

Selbst das muss nicht das Ende der Vorkommen sein. Denn mit Bodenerkundungen halten sich die Unternehmen zurück. Schließlich will die Bundesrepublik bis Mitte des Jahrhunderts CO!SUB(2)SUB!-neutral sein. Es lohne nicht, nach neuen Feldern Ausschau zu halten, die man dann erst in acht oder zehn Jahren anzapfen könne, also aus dem momentanen Engpass nicht heraushelfen würden, um sie wieder, da fossil, zehn Jahre später stilllegen zu müssen, sagt der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG). Ausnahme dürfte das vor wenigen Jahren vor Borkum entdeckte Feld sein, das spätestens 2025 angebohrt werden soll, aber noch die Widerstände zahlreicher Umweltverbände überwinden muss. Die niedersächsische Landesregierung hat allerdings schon die Zustimmung gegeben, weil der russische Angriffskrieg belege, „dass das öffentliche Interesse der Versorgungssicherheit eine klar übergeordnete Rolle einnimmt“.

Wegen seines geringen Eigenanteils an der Bedarfsdeckung ist Deutschland auf Erdgasimporte angewiesen. Den Transport wickeln die Vertragspartner bisher vornehmlich über Pipelines ab. Über „Nord-stream I“ und „Nordstream II“ kamen vor dem Russland-Ukraine-Konflikt mit jährlich mehr als 50 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs aus Putins Machtbereich.

600 Tanker pro Tag

Mit dieser Abhängigkeit soll nun Schluss sein. Nur hat die Verrohrung mit den Feldern neuer Partner ihre Grenzen. Einen logistischen Ausweg zu vertretbaren Kosten bietet die Verflüssigung des Erdgases. Während die Dichte des gasförmigen Energieträgers mit rund 0,8 kg je Kubikmeter nicht weit von der von Luft liegt (ca. 1 kg/m3), erhöht sie sich im verflüssigten Zustand auf 450 kg/m3. Damit ist der Transport zu Schiff möglich, doch geht der ins Geld, zum einen wegen des Schiffstransports selbst. Speditionsspezialisten haben es ausgerechnet: Das, was „Nordstream I“ an einem einzigen Tag Europa beschert, entspricht 600 Tankerladungen à 150.000 m3, die durchschnittliche Größe der Carrier. Zum anderen verbraucht die Verflüssigung erhebliche Mengen an Energie: rund zehn bis 25 Prozent des Heizwerts des Erdgases. Das liegt daran, dass das Gas für die Verflüssigung sehr tief abgekühlt und ihm die Kondensationswärme entzogen werden muss. Freilich, siehe die heutige Situation, erlaubt die Verschiffung mit großen Spezialtankern eine weitaus flexiblere Reaktion auf Lieferengpässe als der Transport über Pipelines.

Abfallprodukt LPG

Regasifiziert ist LNG wieder ganz normales Erdgas, das mithin ohne jeden Eingriff in konventionellen Erdgas-Wärmeerzeugern und -Verbrauchern, in der Haustechnik zum Beispiel auch Blockheizkraftwerken (BHKW), eingesetzt beziehungsweise in Erdgasleitungen eingespeist werden kann.

Anders verhält es sich mit LPG, „P“ für „Petroleum“. Das stammt zwar ebenfalls aus fossilen Quellen, muss jedoch nicht umfangreich aus fernen Lagerstätten importiert werden, sondern kommt sozusagen frei Haus mit dem importierten Rohöl in die Raffinerien, in die deutschen und europäischen. Das Erdöl nämlich wird dort in verschiedene Fraktionen zerlegt – Diesel, Benzin, Bitumen, Heizöl, Schmierstoffe oder auch Lösungsmittel – und dabei entstehen in größeren Mengen Propan und in kleineren Mengen Butan. Durch Druck verflüssigen sich diese Erdölgase zu LPG (Liquid Petroleum Gas). LPG ist damit zum großen Teil nichts anderes als ein Abfallprodukt aus der Raffination von Rohöl. Da ein paar bar zur Umwandlung des Aggregatzustands genügen, kostet auch die Herstellung von LPG relativ wenig.

Der Bedarf hielt sich jedoch in der Vergangenheit wegen des Transport- und Lagerungsaufwands zum und beim Kunden in TÜV-pflichtige Drucktanks von 10 bar als Alternative zum leitungsgebundenen Erdgas in Grenzen. Dieser Aufwand verteuerte LPG auf 8 und mehr Cent je 1 kWh gegenüber 6 Cent/kWh für Erdgas. Selbst als Auto- und als Campinggas – und das ist LPG – sowie als Heizenergie für die Diaspora fand in Bezug auf das nutzbare Potential Flüssiggas nur mäßigen Absatz. Es lohnte nicht, über den Tankwagen hinaus in eine größere technische und logistische Infrastruktur zu investieren. Mangels Bedarf fackelten es nicht wenige Raffinerien ab.

Gut über den Winter

Die Situation hat sich nun grundlegend geändert. Der Erdgaspreis explodierte, LPG kletterte im Verhältnis dazu moderat. Die Nachfrage, so ein Sprecher von Primagas, einem der führenden deutschen Flüssiggas-Versorger mit Sitz in Krefeld, sei riesig. Sowohl wegen des Preises – heute je nach Anbieter, Menge und Vertragslaufzeit zwischen 10 und 15 Cent je Kilowattstunde und damit weit unter dem von Erdgas – als auch der Möglichkeit der Bevorratung: mit der Sicherheit, bei genügend Liter im Behälter über den Winter zu kommen. Der dicke Wermutstropfen: Man könne nur bescheiden reagieren, weil mittlerweile Tanks eine Rarität seien und Zulieferer sich mit Investitionen zurückhielten, nicht wissend, ob sich das Blatt nicht in drei oder vier Jahren wieder wende.

Was sagt der Umweltschutz? Flüssiggas/LPG verdampft rückstandsfrei. Die Lagerung ist deshalb in Hochwasser gefährdeten Gebieten und Wasserschutzgebieten zugelassen. Die Klimawirksamkeit von LPG geht mit einem GWP (Global Warming Potential) von 3 (= Propan) ebenfalls in Richtung Umweltverträglichkeit. LNG/Methan mit einem GWP von 28 schneidet im Vergleich dazu schlechter ab. Obwohl das GWP von 28 im ersten Moment nicht sonderlich dramatisch klingt – die konventionellen Kältemittel in Klimaanlagen und Wärmepumpen weisen teilweise ein GWP von über 2.000 auf –, gilt Methan als eines der bedeutendsten Klimagase (THG). Der Anteil an den gesamten THG-Emissionen bewegt sich zwischen 6,0 und 6,3 Prozent, wie aus Veröffentlichungen des Umweltbundesamts hervorgeht. Vornehmlich durch Leckagen. Die Hälfte davon, rund drei Prozent, entfällt auf die Erdöl- und Erdgasindustrie.

Bausatz vom Hersteller

Wie kommt die Haustechnik mit LNG und LPG zurecht? In Bezug auf LNG ist die Frage mit einem Satz beantwortet: Da LNG nur dem Erdgas beigemischt wird, strömt es ganz normal gasförmig in die Brenner und BHKW. LPG dagegen gestattet bei der Tankentnahme zwei Aggregatzustände: flüssig für Fahrzeuge und gasförmig für die Haustechnik. In den Lagerbehältern von Tankstellen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur Eigenstromerzeugung sitzt unten der Auslass für den flüssigen Energieträger zur Betankung der Kundenfahrzeuge und oben der Auslass für das Gas zum Betrieb der hausinternen KWK-Anlage.

Der Einsatz von Propan/Butan in üblichen Wärmeerzeugern setzt bei älteren Geräten einige Änderungen voraus. Die betreffen die Düse und anderes. Die Änderungen dürfen aber nur mit Zustimmung des Herstellers vorgenommen werden. Beziehungsweise der muss seine Produkte als LPG-tauglich freigegeben haben und dafür einen entsprechenden Umbausatz anbieten. Die Betriebserlaubnis erlischt, wenn Handwerker nicht-zertifizierte Bauteile einsetzen. Das heißt, wenn der Gaskessel auch für Flüssiggas zugelassen ist, macht der Umbau mit dem vom Hersteller passenden Umbausatz keine besonderen Probleme. Moderne Gas-Brennwertkessel können sich selbstständig auf die verwendete Gasart einstellen.

Im BHKW integriert

In vielen Blockheizkraftwerken ist der angesprochene „Umbausatz“ ebenfalls bereits integriert. Es muss lediglich die Leitung vom Außentank an einen anderen Anschluss angekoppelt werden. Apropos Außentank: Er muss nicht dem Kunden gehören. Der Service der Flüssiggas-Anbieter umfasst Mietbehälter zu einem Preis, der die Betriebskosten nicht wesentlich erhöht.

Noch zwei Sätze zu LNG: Auch das gibt es flüssig für den „Hausgebrauch“, speziell für Gewerbebetriebe, doch selbst dort nur im Ausnahmefall. Die Nutzung setzt vor Ort eine entsprechende Anlage voraus, bestehend unter anderem aus Vakuumbehälter, Verdampfer, Sicherheitsventilen und Regelaggregaten, Gasdruckregelstrecke und Odorierungssystem.

Freitag, 31.03.2023