Grüne Abwärme

Turbinenlagerkühlung speist Großwärmepumpen im Montafon

Der Einsatz von Wasserkraft zählt zu den ältesten und – global betrachtet – noch immer bedeutendsten Formen der Energiegewinnung.

In Deutschland jedoch gilt das Potential für den Bau von Wasserkraftwerken als nahezu ausgeschöpft. Damit richtet sich der Fokus auf effizienzsteigernde Maßnahmen im Bestand. Lösungen, die von der einfachen, ungekoppelten Stromerzeugung auf eine multiple Energienutzung im Gesamtprozess umstellen, weisen eine hohe Hebelwirkung auf – etwa dann, wenn neben der elektrischen Energie auch das Sekundärprodukt Abwärme genutzt wird. Die Voraussetzungen dafür schaffen heute spezialisierte Technologie-Entwickler wie Enerlink aus Röthis/Vorarlberg mit hydraulisch optimierten Wärmespeicher- und Verteilkonzepten.

Eines der modernsten Wasserkraftwerke der Welt befindet sich im österreichischen Montafon, nahe eines bei Touristen beliebten Sport- und Urlaubsortes. Mehr als 500.000 Übernachtungen verzeichnet das Alpendorf jährlich, verbunden mit hohen energetischen Aufwänden für Freizeitangebote und Logis. Die Wärmeversorgung erfolgte bis vor Kurzem per Betrieb eines Biomasse-Heizkraftwerks, das im Jahr 2000 als erstes kommunales Erzeugersystem dieser Art im Montafon installiert und später kontinuierlich effizienzoptimiert wurde. Die Gemeinde versteht sich als Vorreiter einer besonders nachhaltigen Energiepolitik, die auch zukünftig konsequent weiterverfolgt werden soll.

Als das Biomasse-Heizkraftwerk erste Alterserscheinungen aufwies, sah der Betreiber raschen Handlungsbedarf und begann umgehend damit, geeignete umweltfreundliche Behebungsmaßnahmen zu prüfen. Die Wahl fiel auf Neuausrichtung statt Altanlagensanierung: Die Biomasse wurde aus dem energetischen Versorgungsplan des Ortes verabschiedet und durch ein Verbundkonzept aus Abwärmenutzung und Großwärmepumpenbetrieb ersetzt. Die hierfür benötigte Quellenergie findet sich unmittelbar vor der Haustür – sie entstammt dem nur wenige Kilometer entfernten Pumpspeicherkraftwerk, genauer: dem Prozess der Turbinenlagerkühlung.

Wärmeverluste vermeiden

Die gezielte Weiterverwendung von Abwärme bietet ein enormes Potential für eine ressourcenschonende thermische Versorgung und die Dekarbonisierung des Wärmesektors. Vielerorts bleibt das wertvolle Prozessnebenprodukt jedoch ungenutzt – in der Regel noch immer deshalb, weil die technologischen Voraussetzungen für eine effektive Einbindung von Niedertemperaturen in ein energetisches Versorgungssystem fehlen. Eine gewinnbringende Verwertung von Abwärme bedingt, dass diese verlustfrei und mit hoher Präzision gespeichert und den Abnehmern zugeführt werden kann. Insbesondere bei Multivalenzsystemen mit verschiedenen Quellen gelingt dies nur dann, wenn alle integrierten Vor- und Rückläufe vollständig voneinander entkoppelt sind und unter hydraulisch optimalen Verhältnissen bewegt werden können.

Wie sich solche hydraulischen Idealvoraussetzungen konstruktions- und regelungsseitig realisieren lassen, ist Kernthema der Energieexperten von Enerlink, die in Röthis/Vorarlberg ansässig sind. Mit dem Unternehmen Enerlink wurde Ende 2020 unter dem Dach der Enercret-Group ein Kompetenzzentrum für hydraulische Systemlösungen und Komponentenentwicklung neu etabliert. Hier verfolgt man das Ziel einer zügigen Klimaneutralität im Gebäudebestand, die auf Grundlage einer hochentwickelten Hydrauliktechnologie – der „thermo-Link“-Serie – mit Nachdruck vorangebracht wird.

„thermoLink“-Anlagen sind speziell ausgeführte Sammel- und Verteilzentren, die eine deutlich verbesserte Effizienzausschöpfung von Wärmepumpen und Kältemaschinen erzielen und den komplementären Einsatz verschiedener Wärmequellen, wie etwa Geothermie, Solar- und Abwärme, ermöglichen. Ihre zentralen Funktionen bestehen darin, sämtliche Volumenströme komplett voneinander zu entkoppeln, den Speicher mit Puffersegment strömungsberuhigt und gleichmäßig zu be- und entladen, die verschiedenen Temperaturstufen exakt voneinander zu trennen und eine bedarfs- und betriebsoptimierte Verteilung zu gewährleisten.

CFD-Simulation präzisiert Komponentenentwicklung

Speziell der Be- und Entladevorgang des Pufferbereichs zählt zu den prozesskritischen Faktoren eines Speichersystems. Ungewollte Mischungseffekte führen bei konventionellen Speicherlösungen mit Wärmepumpen-betrieb im Schnitt zu 2 bis 4 K Temperaturverlust. Dies erhöht den Stromverbrauch der Wärmepumpen deutlich, nämlich bereits um vier Prozent bei nur 1 K. Um solche Vermischungen sicher zu verhindern und die Schichtungseigenschaften des Speichers maximal zu optimieren, brachte Enerlink eine intensive Forschungsarbeit in die Entwicklung seiner Trennmodule ein. Die Bauteile sollten so beschaffen sein, dass sie Temperaturvermischungen selbst bei Zufuhr hoher Volumenströme verlässlich verhindern und es ermöglichen, überströmendes Wasser über den gesamten Querschnitt mit einheitlicher Geschwindigkeit in das Puffersegment zu leiten.

Als Basis-Instrument ihrer Test- und Modifizierungsverfahren wählten die Ingenieure des Unternehmens eine hochleistungsfähige Simulationssoftware für Computational Fluid Dynamics (CFD). Anhand des Programms lässt sich das Verhalten von Flüssigkeiten innerhalb einer Strömungskonstruktion digital abbilden und die Effekte baulicher Anpassungen exakt prognostizieren. Auf diese Weise konnten auch die Strömungsverhältnisse innerhalb der „thermoLink“-Anlagen und ihrer angeschlossenen Heizkreise mathematisch genau ermittelt und die Daten für spezifische Anpassungsmaßnahmen herangezogen werden.

Zwei individuell für den Alpenort konzipierte Wärmezentren – die sogenannten „heatLinks“ – sind zentraler Teil eines komplett neuen Versorgungssystems, das Abwärmenutzung, Wärmepumpenbetrieb und hydraulisch präzisierte Sammel- und Speicherprozesse in einer gemeinsamen hocheffizienten Verbundlösung zusammenführt. Die so gewonnene, regenerative Wärme versorgt heute über ein 3,6-MW-Fernwärmenetz 97 Netzkunden. Ein Netzausbau von 7 GWh auf 12 GWh Netzabgabe ist bereits in Planung.

Arbeits- und Systemtemperaturen exakt nach Vorgabe

Ähnlich wie bei vielen anderen Kälteerzeugungsverfahren – ob in der Industrieproduktion oder bei der Raumklimatisierung – wurde auch die im Kühlungsprozess der Speicherkraftwerk-Turbinenlager anfallende Abwärme bis dahin ungenutzt in die Umwelt abgegeben und damit wertvolle Energieressourcen verschenkt. In dem von Enerlink entworfenen Versorgungskonzept hingegen erhielt die Abwärme eine zentrale Funktion mit hoher Relevanz für die Effizienz des Gesamtsystems: Sie dient nun als Quellenergie für zwei grundlastfähige Großwärmepumpen (Kältemittel: Ammoniak, NH3) mit jeweils 1,2 MW Leistung. Damit die Wärmepumpen bei optimalen Betriebstemperaturen arbeiten können, muss die Quelltemperatur ein vorgegebenes konstantes Niveau auf-weisen. Eine der beiden neu installierten „heatLinks“ übernimmt dabei die Aufgabe, die Volumenströme der Abwärme-Einspeisung von der Quellleitung zu den Wärmepumpen hydraulisch zu trennen. Das zweistufige Wärmezentrum versorgt die Großwärmepumpen kontinuierlich mit der benötigten Quelltemperatur aus dem passenden Schichtsegment, gleichzeitig werden in der Pufferzone Lastschwankungen ausgeglichen.

Der zweite, ebenfalls zweistufige „heatLink“ verfügt über ein Volumen von 12 m³ und entkoppelt die Erzeugerseite mit den Wärmepumpen vom Fernwärmenetz. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wärmepumpen einerseits laufzeitoptimiert arbeiten können und dass andererseits die Netzspeisung ebenfalls mit der vor-definierten Temperatur und Leistung erfolgt – nämlich mit einem Vorlauf von exakt 80 °C.

Die Wärmezentren realisieren damit ideale Bedingungen für den Einsatz der Großwärmepumpen und erfüllen zwei zentrale Effizienzkriterien: die vollumfängliche Nutzung wertvoller thermischer Ressourcen aus der Umwelt und den Abruf des technisch möglichen Leistungsvermögens von hochentwickelter Wärmepumpentechnologie. Weitere Erzeuger (Ölkessel) sind seitdem lediglich zur Deckung von Spitzenlasten im Einsatz.

Vielversprechende Zwischenbilanz

Die Nutzung natürlicher Energiequellen, das Prinzip der Wärmerückgewinnung, der Einsatz hochleistungsfähiger Großwärmepumpen-Technologie und die Umsetzung eines intelligent geplanten Hydraulik-Konzepts greifen hier wirkungsvoll ineinander. Erste Auswertungen aus dem laufenden Betrieb belegen die Präzision und Stabilität des Temperaturmanagements für die Erzeugerseite und Wärmenetzeinspeisung. Mit einem Wärmepumpen-COP von 7,6 erfüllt die Anlage klar die für sie prognostizierten Effizienzziele. Gleichzeitig gibt das Montafoner Energieprojekt ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie sich thermische Ressourcen aus laufenden energetischen Erzeugungsprozessen (wie hier der Stromgewinnung aus Wasserkraft) effektiv und zukunftssicher erschließen lassen.

Weiterführende Informationen: https://www.enerlink.at/

Freitag, 08.04.2022