Einrohrheizungen: Neues System für die Sanierung

In Kassel erfand Rudolf Otto Maier ("ROM") in den 1960er-Jahren die Rietschel-Henneberg-Einrohrheizung. Interessanterweise beginnt 50 Jahre später wieder in Kassel die Revolution dieses Systems.

Einrohrheizungen werden heute weitgehend als problematisch betrachtet. Sie wurden überwiegend in den 1960er- und 1970er-Jahren eingebaut. In den östlichen Bundesländern erfolgte der Wechsel vom Einrohr- zum Zweirohrheizsystem noch etwas später.

Es wird geschätzt, dass in Deutschland insgesamt in mindestens 1,5 Mio. Wohnungen Einrohrheizungen eingebaut sind. Diese Wohnungen werden vom Mieter nachgefragt, da sie in der Regel relativ zentral liegen, gut ausgestattet sind, häufig über Balkone verfügen und optimal in das ÖPNV-Netz eingebunden sind.

Für die Wohnungswirtschaft ist es allerdings ein bekanntes Problem bei solchen Wohnungen: Einrohrheizsysteme geben auch dann Wärme ab, wenn kein Bedarf besteht.

Speziell bei dem Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystem führt nur eine Heizungsleitung durch mehrere Wohnungen. An dieser sind alle Heizkörper wie an einer "Perlenkette" aufgereiht. Die Vorlauftemperatur des Heizwassers ist so eingestellt, dass das letzte Glied der Kette noch ausreichend mit Wärme versorgt wird. Dies führt zwangsläufig zur Überversorgung der Räume am Anfang der Heizungsleitung. Obwohl die Ther­mostatventile an den Heizkörpern geschlossen sind, entstehen zum Beispiel in Schlafzimmern ungewünscht hohe Temperaturen durch die Heizungsleitungen, die ungeregelt Wärme abgeben.

Einrohrheizungen – unkomfortabel und problematisch?

Dieses generelle Problem der Einrohr­heizungen wird durch die energetische Sanierung der Gebäude zusätzlich verstärkt, da gut gedämmte Gebäude bis zu 70 Prozent weniger Wärme nach außen abgeben.

Die Mieter öffnen zur Temperaturregulierung die Fenster – die Energie wird sprichwörtlich zum Fenster hinausgeworfen – und der Wohnkomfort der Mieter leidet. Folge: Die Mieter sind un­zufrieden und ärgern sich über die in jeder Heizperiode stattfindende Energieverschwendung.

Je nach eingesetztem Mess- und Ablesesystem kann die über die Heizungsleitung abgegebene, nicht steuerbare Wärme individuell abgerechnet werden oder muss im Umlageverfahren auf alle Mieter verteilt werden. Im letzteren Fall zahlt der Mieter mit geringem Wärmebedarf den gleichen Satz wie der sehr wärmebedürftige Mieter, der viel heizt.

In Wohnungsanlagen mit stark unterschiedlichen Heizprofilen beinhaltet dies immer wieder Konfliktpotential, das oftmals Anlass für Streitigkeiten bezüglich der Nebenkostenabrechnung gibt. Dem Wohnungsunternehmen drohen nicht selten Imageverluste durch Prozesse.

Die Lösung für die Einrohrheizung: ein ständiger, dynamischer hydraulischer Abgleich

Die GWG Kassel, Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel, hat im Bestand 2.200 Wohnungen mit Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystemen. Auch hier gab es Mieter, die aufgrund der Eigenarten des Heizsystems dauerhaft unzufrieden waren.

Heiko Steppan, Teamleiter Heizungsanlagen der GWG, nahm sich des Problems an und entwickelte eine Systemlösung, die den Wohnkomfort steigert und Energie einspart. Steppan empfand Mieterbeschwerden aufgrund der Überheizung immer als ärgerlich. "Irgendwas musste man doch machen können. Dann haben wir mit der Durchflussregulierung der Heizkreise experimentiert", betont er. Das war 2011.

Heraus kam "indiControl" – ein System, das einen ständigen, dynamischen hydraulischen Abgleich der Einrohrheizung vornimmt.

!PAGEBREAK()PAGEBREAK!

Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen ermöglicht das von der GWG Kassel entwickelte System "indiControl" die bedarfsgerechte Steuerung der Vo­lumenströme. Reguliert werden Durchflussmenge und -geschwindigkeit.

Dabei werden separat regelbare Teilheizkreise genutzt, die grundsätzlich bereits vorhanden, aber noch nicht als selbstständige Teilheizkreise aktiviert sind. Das System regelt diese Teilheizkreise lastabhängig und reagiert so flexibel auf den individuellen Wärmebedarf der Mieter.

In jeden Teilheizkreis werden zwei Temperaturfühler und ein Ventil eingebaut – außerdem eine zentrale Steuer­einheit für die Gesamtanlage. Hierdurch wird der Volumenstrom geregelt.

Die Messdaten der Temperaturfühler werden konstant mit einem anlagenspezifisch ermittelten Referenzwert (im Beispiel 4 K in den Bildern 1-5) abgeglichen. Da­raus berechnet die "indiControl"-Steuereinheit die notwendigen Impulse für das motorische Ventil.

Ist die gemessene Temperaturdifferenz größer als der jeweilige Referenzwert (in Bild 4 z.B. 12 K), wird also mehr Wärme abgenommen, gibt die Steuereinheit das Signal zur Erhöhung des Volumenstroms an das Ventil weiter.

Sinkt die Temperaturdifferenz, reduziert das Ventil den Volumenstrom um bis zu 80 Prozent. Ein reduzierter Volumenstrom bedeutet reduzierte Wärmeabgabe. So wird die ungewollte Überheizung von Wohnräumen in Häusern mit Einrohrheizungen deutlich verringert. Die Mieter profitieren von einem angenehmen Raumklima und vom reduzierten Energieverbrauch.

Clevere Idee mit großem Einsparpotential für die Einrohrheizung

Das Bewusstsein für die Tragweite dieser "kleinen Idee" entwickelte sich mit den ersten positiven Ergebnissen, die in GWG-Liegenschaften realisiert wurden und über den Erfahrungsaustausch mit anderen Wohnungsunternehmen mit gleicher Problemstellung.

Mittlerweile wurden schon 750 GWG-Wohnungen mit "indiControl" ausgestattet. Alle Mieter können die Temperatur aktiv und an ihr Wärmeempfinden angepasst in ihren Räumen regeln und so ein deutlich verbessertes Wohnraumklima genießen. Für die GWG Kassel ist allein das schon ein Erfolg.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die An­erkennung der Effizienz des Systems durch die KfW. Bei der Beantragung von Fördermitteln kann "indiControl" als eine Maßnahme zur Energieeinsparung – und somit als förderfähige Investition – anerkannt werden.

Bei den aktuell niedrigen Zinssätzen oder bei Nutzung eines Modernisierungskredites der KfW amortisiert sich die Investition in die Effizienzsteigerung der Einrohrheizung in weniger als zehn Jahren.

Bei weiteren Unternehmen im Test

Aktuell testen die Joseph-Stiftung und die Bauge­nossenschaft "Wiederaufbau" eG "indiControl" in ihren Liegenschaften. Ziel der GWG ist es, mit den Tester­gebnissen eine valide Aussage zu den Energieeinsparungen treffen zu können.

In den GWG-Liegenschaften konnte der Energieverbrauch mindestens um 19,2 Prozent gesenkt werden, maximal um 34,2 Prozent. Im Durchschnitt betrug die Reduzierung 27,2 Prozent im Wohnungsbestand.

Die GWG Kassel ist zudem davon überzeugt, dass diese Ergebnisse durch die Tests bestätigt werden. Damit wäre das System für Mieter, Wohnungswirtschaft, Installateure und Hersteller ein großer Gewinn.

Vor allem für Gebäude, die demnächst energetisch modernisiert werden sollen, ist der Einbau dieser Systemlösung inte­ressant. Die Alternative zur Modernisierung der Einrohrheizung ist der häufig aufwändige und kostenintensive Ersatz der Einrohrheizung durch eine Zweirohrheizung.

"indiControl" hingegen kann schnell und einfach installiert werden. Die Mieter werden nach Angabe der GWG Kassel nicht beeinträchtigt. Vielmehr können sich, abhängig vom persönlichen Verbrauch, Einsparungspotentiale einstellen.

Bei der europaweiten Vermarktung und planerischen Betreuung der Kunden setzt die GWG Kassel auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft GWG Service GmbH, die ein entsprechendes Servicepaket anbietet. Es beinhaltet im Einzelnen:

Zur Erstellung der planerischen Vorgaben zur Systeminstallation benötigt die GWG Service GmbH vor Planungsbeginn Gebäudegrundrisse und -schnitte für alle Geschosse im Maßstab 1:100, Raumflächen- und Raumvolumenberechnungen, Strangschemas der eingebauten Heizungsanlage, aktuelle Energiebedarfsberechnungen nach EnEV und Heizkostenabrechnungen für die letzten drei Abrechnungs­perioden.

Weiterführende Informationen: http://www.indicontrol.de

Dienstag, 06.12.2016