Hydraulischer Abgleich

einfach und effizient mit dynamischen Regelventilen

Das Ziel ist klar: Weltweit soll und kann der Energieverbrauch im Gebäudesektor drastisch reduziert werden. Ein Großteil des Energieverbrauchs in Gebäuden entfällt dabei auf Heizung, Warmwasser und Klimatisierung. In Heiz- und Kühlsystemen beeinflussen gleich mehrere Komponenten gewollt und ungewollt die geforderten Durchflüsse im System. Daher ist der hydraulische Abgleich die grundlegende Voraussetzung zur energieeffizienten und bedarfsabhängigen Wärme- und Kälteversorgung. Die Aufgabe und der Sinn des hydraulischen Abgleichs werden jedoch oft verkannt – ganz zu schweigen von der Notwendigkeit der Vertragserfüllung.

Auch wenn die Leistung des hydraulischen Abgleichs nicht explizit im Vertrag vereinbart ist, muss er durchgeführt werden. Laut Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB Teil C) – DIN 18380, Absatz 3.1.1 heißt es: „... Umwälzpumpen, Armaturen und Rohrleitungen sind durch Berechnung so aufeinander abzustimmen, dass auch bei den zu erwartenden Betriebsbedingungen eine ausreichende Wassermengenverteilung sichergestellt ist. … Ist z. B. bei Schwachlastbetrieb ein übermäßiger Differenzdruck zu erwarten, so sind differenzdruckregelnde Einrichtungen vorzusehen. …“. Der Begriff „hydraulischer Abgleich“ wird zwar nicht erwähnt, trotz allem deutet der Hinweis zur Berechnung sowie der Einsatz von differenzdruckregelnden Einrichtungen darauf hin.

Das VDMA-Einheitsblatt 24199 aus dem Jahr 2005 (Regelungstechnische Anforderung an die Hydraulik bei Planung und Ausführung von Heizungs-, Kälte-, Trinkwarmwasser- und Raumlufttechnischen Anlagen) erwähnt schon im Vorwort die Notwendigkeit des hydraulischen Abgleichs mit Verweis auf verschiedene Normen und Verordnungen. Seit über 15 Jahren wird auf den hydraulischen Abgleich hingewiesen und das Thema dokumentiert. Aber leider sprechen wir immer noch von über 80 Prozent der Anlagen, die nicht bzw. nicht optimal hydraulisch abgeglichen sind und damit zu viel Energie benötigen sowie die jährlichen CO!SUB(2)SUB!-Emissionen erhöhen. Bei der Betrachtung der Methoden, um diese Leistung zu erfüllen, kommt immer wieder eine ineffiziente und veraltete Herangehensweise zum Vorschein.

Bisherige Praxis: Auslegung bei Nennlast

Bisher war es gängige Praxis, vom sogenannten Auslegungszustand/der Nennlast einer Anlage auszugehen, um den hydraulischen Abgleich durchzuführen. Für diesen Zustand werden entsprechende statische Armaturen zur Drosselung des Volumenstroms im Auslegungszustand berechnet, ausgewählt und eingestellt. Diese Vorgänge erfordern viel Zeit bei der Berechnung der Ventile und Strangarmaturen und eine aufwändige Inbetriebnahme. Geht es darum, sich dieser Aufgabe in einer Bestandsanlage zu widmen, ist es undenkbar, alle notwendigen Informationen zu bekommen. Dies macht einen nachträglichen hydraulischen Abgleich fast unmöglich. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage: Wie oft werden Anlagen bei Nennlast betrieben? In der Praxis wohl eher selten.

Kommt es bedarfsbedingt zur Volumenstromänderung, verlieren die statischen Armaturen zum hydraulischen Abgleich ihre Wirkung. Damit befindet sich das System wieder in einem undefinierten Zustand, der mit dem hydraulischen Abgleich eigentlich vermieden werden sollte. Es kommt zu Unter- und Überversorgung von Anlagenteilen und benachbarte Verbraucherkreise beeinflussen sich durch Lastwechsel gegenseitig. Eine präzise Temperaturregelung ist so nicht mehr möglich und der Energieverbrauch ist unnötig hoch.

Diese Eigenschaft wird aufgrund der quadratischen Abhängigkeit von Druckverlust zum Volumenstrom noch verstärkt. Durch eine Volumenstromreduzierung von beispielsweise 100 auf 50 Prozent nimmt der Druckverlust im System um den Faktor 4 ab (Bild 2). Bei Pumpenkennlinien mit konstanter Förderhöhe werden die Anlagenteile dementsprechend überversorgt. Die statischen Regelventile müssen dagegen arbeiten und den überschüssigen Druck abbauen. Dies kann störende Strömungsgeräusche und ein schlechtes Regelverhalten zur Folge haben. Hier sprechen wir von einem „statischen hydraulischen Abgleich“, der nicht auf die Dynamik hydraulischer Anlagen reagieren kann.

Sinnvolle Vorgehensweise: Teillastfall

Wichtiger wäre es, den hydraulischen Abgleich für den Teillastfall – also auf den häufigsten Betriebszustand – durchzuführen. Dies klingt auf den ersten Blick unlösbar, da sich die Betriebszustände ständig ändern und damit die Druckverhältnisse stark variieren. Eine Maßnahme, um positiv auf die Regelbarkeit in Teillastfällen einzuwirken, ist der Einsatz von Differenzdruckreglern. Allerdings sind die Kosten für Differenzdruckregler und die notwendige Pumpenenergie bei einer Vielzahl von Zonen häufig unwirtschaftlich.

Die optimale Lösung sind Regelgeräte, die erstens unabhängig von den Druckverhältnissen arbeiten und zweitens den Volumenstrom in allen Betriebszuständen auf dem entsprechenden Wert konstant halten. Auf diese Weise kann eine präzise Temperaturregelung in den Räumen sichergestellt werden und in den Anlagen kommt es nicht zu Lastverschiebungen, da jeder Verbraucher nur den Volumenstrom erhält, den er benötigt. Das spart zusätzlich Energie, weil Nutzer bei Unter- oder Überversorgung nicht manuell in die Regelung eingreifen müssen. Dies alles kann als „dynamischer hydraulischer Abgleich“ bezeichnet werden.

Dynamische Regelventile

Dynamische Regelventile, auch PICVs (Pressure Independent Control Valves) genannt, erfüllen alle vorab beschriebenen Aufgaben. Der Durchfluss wird stufenlos und ohne Hubreduzierung über eine Voreinstellung auf den maximalen Volumenstrom begrenzt (Bild 3, Nr. 4). Dieser Voreinstellwert entspricht dem Auslegungsvolumenstrom bei Nennlast. Dadurch kommt es bei voll geöffnetem Ventil nicht zur Überversorgung im entsprechenden Anlagenteil. Jeder Verbraucher erhält nur noch die Wassermenge, die er benötigt, sodass ungleiche Lastverteilungen ausgeschlossen sind.

Ein interner Differenzdruckregler (Bild 3, Nr. 1) gleicht die Druckschwankungen im Leitungssystem aus. Damit steht immer ein konstanter Differenzdruck über dem eigentlichen Regelventil an (Bild 3, Nr. 2). Der interne Differenzdruckregler arbeitet über den kompletten Hubbereich des Regelventils. Der Volumenstrom wird dadurch auch in den Zwischenstellungen auf den entsprechenden Durchfluss konstant gehalten. Dies garantiert in den Zonen aufgrund der Abhängigkeit von Volumenstrom und Druckverlust auch im Teillastbetrieb sehr hohe Regelgenauigkeit trotz steigender Drücke. Dieser Komfort ist durch stabile Temperaturen in den Regelzonen spürbar und ein Nachregeln über manuelle Sollwertanpassung durch den Nutzer wird vermieden.

Reduzierung benötigter Regelorgane

Durch die dynamischen Regelventile können bis zu drei Regelorgane ersetzt werden. Dazu gehören Strangregulierventile (Bild 4, Nr. 3), die den Volumenstrom auf den maximalen Durchfluss begrenzen. Diese verlieren ihre Funktion, sobald sie sich im Teillastbetrieb befinden, da es sich hier um statische Drosseln handelt, die entsprechend eines festen Differenzdrucks eingestellt werden. Im Teillastfall verändern sich die Druckverhältnisse und der benötigte Anlagenvolumenstrom sinkt.

Auch vorgeschaltete Differenzdruckregler (Bild 4, Nr. 2), die für stabile Druckverhältnisse in den nachgeschalteten Kreisen sorgen und gegen Druckschwankungen im System arbeiten, lassen sich ersetzen. Mit diesen werden gute Regeleigenschaften für die statischen Regelventile erzielt, da sich die Abhängigkeit von Volumenstrom zum Druckverlust nur in diesem Bereich auf die Regelgenauigkeit auswirkt.

Und zu guter Letzt können ebenfalls die statischen Regelventile mit elektrischen Stellantrieben (Bild 4, Nr. 1) zur Temperaturregelung gegen dynamische Regelventile mit entsprechendem Antrieb (Bild 4, Nr. 4) ausgetauscht werden.

Einfache Auswahl und Einstellung

Zu den Vorteilen von dynamischen Regelventilen gehört des Weiteren, dass es nicht mehr notwendig ist, eine zeitaufwändige und komplizierte Rohrnetzberechnung durchzuführen. Die dynamischen Regelventile werden einfach anhand des zu regelnden Volumenstroms bestimmt. Entspricht dieser Volumenstrom dem einstellbaren Bereich des Ventils, kann es eingesetzt werden. Die Einstellung erfolgt unkompliziert über die vorhandene Drossel. Auch damit lassen sich Zeitaufwand und Kosten im Vergleich zur herkömmlichen Inbetriebnahme statischer Abgleich- und Regelventile reduzieren.

Dynamische Regelventile (Bild 3) gibt es mittlerweile in allen gängigen Größen, vom Kleinventil DN 10 am Heizkörper oder Heizkreisverteiler bis hin zu Flanschausführungen in DN 300 für große Volumenstrombereiche.

Die Optimierung der Anlage erfolgt auf den Mindestdifferenzdruck der dynamischen Regelventile. Dieser liegt ähnlich wie bei den herkömmlichen statischen Ventilen. Dafür müssen keine Druckverluste von Rohrleitungen, Verbrauchern und weiteren Anlagenteilen bekannt sein. Die Anpassung der Pumpenförderhöhe richtet sich nach diesem Mindestdifferenzdruck der dynamischen Regelventile.

Die Auswahl erfolgt auf den Schlechtpunkt bzw. dem dynamischen Regelventil mit dem größten benötigten Mindestdifferenzdruck. Mit Hilfe einer Druckmessung direkt am Ventil wird die Pumpe für den Nenndurchfluss auf die entsprechende Förderhöhe eingestellt.

Mehrwert durch Ultraschall-Volumenstrommessung

Einen weiteren Mehrwert für Heiz- und Kühlsysteme bieten dynamische Regelventile mit Ultraschall-Volumenstrommessung, wie etwa die elektronischen Regelsysteme „eValveco“ von Sauter (Bild 5). Der integrierte Ultraschall-Volumenstromsensor misst kontinuierlich den Volumenstrom und regelt diesen automatisch auf die benötigte Durchflussmenge aus. Druck- und damit Volumenstromänderungen im System werden über den Ultraschallsensor erfasst und mit Hilfe des internen Reglers ausgeglichen.

Zusätzliche Temperaturfühler zur Installation im Vor- und Rücklauf geben Aufschluss über die Temperaturspreizung des Anlagenteils. In Kombination mit dem Volumenstromsensor ist so stets ein Überblick über die benötigte Heiz- und Kühlenergie gegeben.

Mit den vorhandenen Busschnittstellen lassen sich diese Systeme problemlos in die Gebäudeleittechnik einbinden und bieten damit Transparenz hinsichtlich Energieverbräuche, Volumenströme und Temperaturen in der Anlage. Bei Abweichungen, wie zum Beispiel zu geringer Temperaturspreizung zwischen Vorlauf und Rücklauf, kann die Optimierung der Anlage über das Gebäudemanagement schnell und einfach durchgeführt werden, ohne dass der Nutzer etwas merkt und unnötig Energie verbraucht wird.

Fazit

Mit Hilfe eines dynamischen hydraulischen Abgleichs lassen sich laut Untersuchungen bis zu 20 Prozent Energie einsparen, was weitere Auswirkung auf die Kosten nach sich zieht, zu denen ebenfalls die CO!SUB(2)SUB!-Steuer auf Brennstoffe gehört. Ein weiterer Vorteil ist die Reduzierung von Service-Einsätzen aufgrund unzufriedener Nutzer, deren Raumklima nicht mit ihren Wünschen übereinstimmt. Mit einem korrekten hydraulischen Abgleich lassen sich in Deutschland jährlich Energiekosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro einsparen. Hinzu kommt noch die Reduzierung des CO!SUB(2)SUB!-Ausstoßes von über fünf Millionen Tonnen.

Weiteres Einsparpotential entsteht dadurch, dass es für den dynamischen hydraulischen Abgleich nicht notwendig ist, eine zeitintensive Rohrnetzberechnung durchzuführen. Der Aufwand für die Inbetriebnahme reduziert sich, da PICVs Druckschwankungen automatisch ausgleichen und Strangarmaturen zum statischen hydraulischen Abgleich damit entfallen. Es gilt, lediglich den notwendigen Nennvolumenstrom des jeweiligen dynamischen Regelventils einzustellen.

Durch Beratung und Aufklärung der Auftraggeber und Planer über die Vorteile des hydraulischen Abgleichs werden Wege zur Einhaltung der Klimaziele geebnet. Mit Hilfe neuer Technologien lässt sich der hydraulische Abgleich einfach umsetzen, was nicht nur jede Menge Zeit, Nerven und Kosten einspart, sondern ebenfalls die Umwelt schont.

Freitag, 27.08.2021