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Lüftung

"Wohnungslüftungsnorm" wird praxisgerechter

Dienstag, 05.05.2020

Lüftungskonzept mit Bauherrn abstimmen

Wie wirken sich die Änderungen der "Lüftungsnorm" aber in der Planungspraxis konkret aus?

Der erste Schritt eines Lüftungskonzepts ist, nach wie vor, die Bedarfsfeststellung, ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind oder nicht. Im Neubau stellt sich diese Frage in der Regel nicht, da aufgrund der dichten Gebäudehülle keine natürliche In- und Exfiltration für einen ausreichenden Luftaustausch gegeben ist. Effizienzmaßnahmen an Bestandsgebäuden, die nach den neu beschlossenen Förderungen der Bundesregierung wohl deutlich steigen werden, wirken sich hingegen sehr unterschiedlich auf die Gebäudelüftung aus. Daher gilt weiterhin die Maßgabe, ein Lüftungskonzept zu erstellen, wenn in einer Nutzungseinheit mehr als ein Drittel der Fenster ausgetauscht oder mehr als ein Drittel der Dachfläche einer Dachgeschosswohnung abgedichtet wird.

Wie zu ermitteln ist, ob lüftungstechnische Maßnahmen erforderlich sind, beschreibt die DIN 1946-6 im Abschnitt 4. Im Anhang A ist dazu ein Ablaufschema zu finden. Es macht deutlich, wie wichtig schon in dieser Planungsphase die Abstimmung mit dem Bauherrn ist: Ist trotz der energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle rein rechnerisch keine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich, könnten dennoch Komfortmerkmale, wie der Schallschutz, eine verbesserte Raumlufthygiene für Allergiker durch gefilterte Zuluft oder Energieeinsparungen durch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, dem Investor oder Eigentümer wichtig sein und eine Lüftungsanlage notwendig machen.

Diese Überlegungen fließen dann in den zweiten Planungsschritt eines Lüftungskonzepts ein: der Auswahl des Lüftungssystems. Dieser ist im Abschnitt 5 der Norm beschrieben. Möglich sind einerseits Systeme zur freien Lüftung – die Querlüftung über Außenluftdurchlässe in Fenstern, motorisch kippbare Fenster sowie die Schachtentlüftung oder eine Auftriebsentlüftung. Stellt der Bauherr jedoch Anforderungen an die Raumlufthygiene und/oder Energieeffizienz, sind eher ventilatorgestützte Lüftungssysteme zu wählen. Eine dritte Option ist die Kombination von freien und maschinellen Lüftungssystemen in einer Nutzungseinheit. Der der Norm hinzugefügte Abschnitt 9 vereinfacht die Auslegung solcher Varianten.

Ein Anwendungsbeispiel: Im Erdgeschoss eines Einfamilienhauses ist, laut Bedarfsrechnung, die freie Querlüftung der Wohnräume ausreichend. Im Obergeschoss werden aber aus Gründen des Komforts die Schlaf- und Badezimmer ventilatorgestützt be- und entlüftet. So können in den Schlafräumen nachts die Fenster zum Schutz gegen Lärm geschlossen bleiben, ohne auf eine angenehme Raumluft verzichten zu müssen.

Der Planer sollte also gemeinsam mit dem Bauherrn die typische Nutzung der Wohneinheit beziehungsweise der Räume analysieren und erst anschließend das am besten geeignete System bestimmen. Schließlich basiert auf den gewünschten Komfort- und Hygienemerkmalen sowie der Bedarfsfeststellung die Auslegung der notwendigen Außenluftvolumenströme.

Ein Badezimmer.
Quelle: Systemair
Die Abluftmengen der DIN 1946-6 sind mit denen der DIN 18017-3 für fensterlose Räume harmonisiert worden. Allerdings: Die überarbeitete DIN 1946-6 lässt zu, die Gesamtabluftmenge auf verschiedene Ablufträume aufzuteilen, weil in modernen Wohnungen der Trend zu Mehrfachbädern geht.

Außenluftvolumenströme angepasst

Die Formel zur Berechnung der notwendigen Außenluftvolumenströme wurde in der überarbeiteten DIN 1946-6 geringfügig den Erfahrungswerten aus der Praxis angepasst. Daraus ergeben sich für größere Wohnflächen geringere Volumenströme. Auch die In- und Exfiltration wird nun anders bewertet. Für Einfamilienhäuser nach dem KfW-Effizienzhaus-Standard wird zum Beispiel die Luftdurchlässigkeit der Gebäudehülle mit Null angenommen. Für mehrgeschossige Gebäude hängt der anrechenbare Wert der Infiltration vom Windgebiet sowie der Gebäudelage und -höhe ab. Entsprechende Faktoren für die Berechnung der Infiltration bei einem Differenzdruck von 50 Pa sind für die freie Lüftung und die ventilatorgestützte Lüftung in Abschnitt 6 der DIN 1946-6 genannt.

Dabei ist das Grundprinzip, die erforderlichen Belüftungsmengen an der Flächengröße der Nutzungseinheit festzumachen, allerdings erhalten geblieben. Ebenfalls unverändert ist die Auslegung des Systems nach der Bedarfsmenge für die Nennlüftung. Eine Anpassung der ventilatorgestützten Lüftung an die jeweilige Nutzung ist durch die Unterscheidung von geringer und hoher Personenbelegung möglich. So kann beispielsweise bei mehr als vier Bewohnern pro Nutzungseinheit die Lüftungsmenge von 30 m³/h auf 20 m³/h herabgesetzt werden.

Außerdem macht die Norm klar, dass der Betrieb der Lüftungsanlage vom Auslegungszustand nach Nennlüftung abweichen darf: Die Volumenströme für den reinen Feuchteschutz liegen lediglich bei 30 Prozent der Nennlüftung, die reduzierte Lüftung bei Abwesenheit der Nutzer bei 70 Prozent und die Intensivlüftung bei 130 Prozent.

Abluftmengen angepasst

Mehr Variabilität eröffnet die neue DIN 1946-6 auch bei der Festlegung der Luftmengen verschiedener Ablufträume. Für Gäste-WCs oder Hausarbeitsräume muss beispielsweise nur noch ein Abluftvolumen von 20 m³/h eingeplant werden. Dafür reichen Lüftungsrohre DN 63 aus – ein Vorteil bei der Installation zum Beispiel in Filigrandecken. Außerdem können die Abluftvolumenströme nun auf mehrere Bäder als Ablufträume verteilt werden. Damit wird der Trend moderner Grundrisse aufgenommen, statt eines Familienbades an jeden Schlafraum ein Bad anzugliedern.

Dass die Volumenströme für Ablufträume gemäß DIN 1946-6 und DIN 18017-3 nun identisch sind, macht die Planung ebenfalls flexibler. So kann auf Basis des Lüftungskonzepts von einer ursprünglich angedachten Schachtentlüftung nach DIN 18017-3 problemlos auf eine ventilatorgestützte Lüftung nach DIN 1946-6 umgeschwenkt werden, um dem Bauherrn einen höheren Komfort oder mehr Energieeffizienz zu bieten.

Blick aus einem Wohnzimmer auf einen Balkon.
Quelle: Systemair
Neue Berechnungsgrundlagen: Der Außenluftvolumenstrom für große Wohnflächen hat sich reduziert. Die Fensterlüftung kann zur Intensivlüftung einbezogen werden, aber die Auslegung des Systems basiert weiterhin auf der Nennlüftung.

Fazit

Die staatlich forcierten Anstrengungen, den Energieverbrauch im Gebäudesektor drastisch zu reduzieren, hat die Erstellung eines Lüftungskonzepts unabdingbar gemacht – für den Komfort der Nutzer, als Feuchteschutz für die Bausubstanz, aber auch zur Steigerung der Energieeffizienz durch Wärmerückgewinnung. Die "Lüftungsnorm" hat sich in den letzten Jahren als gutes Planungsinstrument dabei erwiesen. Deshalb hat der DIN-Normenausschuss "Heiz- und Raumlufttechnik sowie deren Sicherheit" das Ziel verfolgt, eingeführte und bewährte Prinzipen zu erhalten, kostensteigernde Verschärfungen der Anforderungen auszuschließen und Planern ein vereinfachtes Instrument zur Auslegung von Lüftungssystemen an die Hand zu geben, das auf dem aktuellen Stand der Technik basiert – praxisgerecht zusammengefasst in der aktuellen DIN 1946-6:2019-12.

Von Carsten Dittmar
System & Application Manager/Vertrieb, Wohnungslüftung, Systemair GmbH
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