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KWK

Wir müssen (Wasserstoff-)Gas geben

Dienstag, 14.07.2020

Nicht dramatisch für die Netze

Das Gros der Untersuchungen und Forschungen betrifft aber das Rohrnetz im Bestand und dort das eventuell vorgeschädigte Material selbst (Risse und Riefen) wie auch die Schweißnähte. Der niederländische Netzbetreiber Nederlandse Gasunie berichtete kürzlich von seinen praktischen Erfahrungen bei der Umnutzung einer Erdgasleitung für den Wasserstofftransport. Ganz besonders stand hier die Rissfortschrittsgeschwindigkeit im Vordergrund. Wie schnell breitet sich ein zwei oder drei Millimeter tiefer Innenriss in einem Rohr mit 14 mm Wanddicke bis zum Durchbruch aus? Und zwar bei wechselnden Belastungen in Form von Druckschwankungen von +/- zehn Prozent um den Mittelwert von 60 bar in einer Hochdruckleitung. Den Messungen nach dürfte sich der Einschnitt in 100 Jahren gerade mal um weniger als einen halben Millimeter vertiefen. Die Gasunie geht deshalb davon aus, dass trotz einer Dauerbelastung durch Druckwechsel das Wachstum dieser Risse gerade mal um 0,01 Mikrometer pro Belastung beträgt, sich mithin die Schadstelle erst nach 100.000 Belastungswechseln um 1 mm vertieft hat.

Die Bearbeiter der Untersuchung schauten sich ebenfalls aufmerksam die Schweißverbindungen an, denn Schweißen ist ein Prozess, bei dem eigentlich immer Ungänzen auftreten. Die Ungänze, ein Begriff aus der Material- und Prüftechnik, beschreibt allgemein eine Fehlstelle, wie den Riss, einen Lunker, eine Aufdickung, jedenfalls eine Abweichung vom normkorrekten Gefüge. Für den Erdgastransport tolerieren die Normen und die DVGW-Richtlinien Ungänzen in einem ganz bestimmten Umfang. Den Gasunie-Analysen nach verhalten sich wasserstoffbeaufschlagte Rohrleitungen und Verbindungen im Großen und Ganzen nicht anders als erdgasbeaufschlagte Systeme.

Im Haus kein Neuland

Die niederländischen Ergebnisse einer regionalen Kontrolle reichen selbstverständlich für eine gesicherte allgemeine Aussage nicht aus. Dazu bedarf es einer breiteren Basis. Man ist dabei, diese zu schaffen. Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas) etwa erhofft sich eine Bestätigung der Ergebnisse durch ein ähnliches Projekt. Anfang dieses Jahres hatte sie eine Vision für eine erste deutschlandweite Wasserstoff-Infrastruktur in Form einer Netzkarte vorgelegt. Darin sind Leitungen mit einer Gesamtlänge von etwa 5.900 km aufgeführt. Die Karte basiert über 90 Prozent auf dem bereits bestehenden Erdgasnetz. "Hier untersuchen wir ausgewählte Leitungsabschnitte, um zügig erste Abnehmer mit Wasserstoff versorgen zu können", erklärte Ralph Bahke, Vorstandsvorsitzender der FNB Gas, anlässlich der Veröffentlichung des Netzplans.

Schließlich gelangt der Wasserstoff in die Hausinstallation. Hier betritt man mit der Verträglichkeitsbewertung eigentlich kein Neuland. Wasserstoff gehört zu der großen Gruppe der technischen Gase und Kupferrohre haben sich als Transportmittel für technische Gase, inklusive Wasserstoff, schon seit vielen Jahrzehnten bewährt. Eine jüngere Untersuchung aus dem Jahr 2017 ("Einfluss von Wasserstoffanteilen im Erdgas auf Bauteile der Gasinstallation") schließt eine Dichtheitsprüfung der Pressverbindungen mit reinem Wasserstoff ein. Bauteile aus Kupfer, Edelstahl, Messing erwiesen sich vor und nach einer mechanischen Belastung als technisch dicht. Diese Aussage trifft für die Glattrohrverbinder nach einer sechsmonatigen Konditionierung mit reinem Wasserstoff zu. Die Pressverbinder dagegen zeigten an ihren Dichtungen geringe Leckagen, die jedoch die Studienbearbeiter als nicht kritisch bewerten.

Die neuere "Roadmap Gas 2050" des DVGW will nun Maßnahmen zur Umsetzung der gasbasierten Energiewende erarbeiten. Das Teilprojekt "H2-20" der Roadmap kümmert sich zunächst um die Netz- und Geräteverträglichkeit einer 20-prozentigen Wasserstoffbeimischung zum Erdgas mit den herkömmlichen Installationselementen als Zwischenschritt einer späteren hundertprozentigen H2-Versorgung. Der Strom- und Gasnetzbetreiber Avacon fährt dieses Pilotprojekt in einem Versorgungsgebiet in Genthin, Sachsen-Anhalt. Es ist zudem Teil der E.ON-Initiative "Grünes Gas aus Grünem Strom". Unter diesem Logo steht ein breites Themenfeld der E.ON, das sich auf Forschung und Praxis verteilt und die Reduktion der CO2-Emissionen im Wärmemarkt einbezieht.

Das Foto zeigt einen Messestand des Herstellers 2G.
Quelle: Bernd Genath
Die Hersteller befassen sich bereits mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auf Basis des Brennstoffs Wasserstoff.

Flüssiges Methanol statt Gas?

Wasserstoff, und vor allem der Wasserstofftransport, wird noch zu Umwelt- debatten mit der Gesellschaft führen. H2 ist nun mal ein brandgefährliches Gas. Deshalb suchen Forschungsinstitute im In- und Ausland nach Lösungen zur Entschärfung der Situation.

In den Niederlanden startet noch in diesem Jahr ein Projekt der Gasunie mit weiteren Partnern, um Wasserstoff mit CO2 in lager- und transportsicheres Methanol umzuwandeln. Methan und Methanol setzen sich im Prinzip aus den gleichen chemischen Elementen zusammen. Nur hängt an der Methanol-Summenformel noch ein Sauerstoffatom, ein O, was bekanntlich beim Methan (CH4) fehlt. Das O liefert das CO2 der Luft wie auch das CO2 aus industriellen Prozessen. Das Molekül macht Wasserstoff zu einer flüssigen und weitgehend harmlosen Alkoholverbindung (Methylalkohol), die problemlos in Rohrleitungen und Behälter eingefüllt werden kann.

In Lkw und Pkw, als Kraftstoff für einen Brennstoffzellenantrieb, beschert Methanol weder besondere Sicherheitsrisiken noch im Vergleich mit Wasserstoff Tankprobleme. Die gravimetrische Energiedichte (gewichtsbezogen) entspricht etwa der von Diesel und Benzin. Für den Brennstoffzellen-Betrieb zum Beispiel muss jedoch ein Verfahren H2 und CO2 wieder trennen. Trotzdem generiert die Methanol-Brennstoffzelle umweltneutral Strom und Wärme, wenn sie auf grünem Methanol basiert. Sie setzt in diesem Fall, ähnlich der Biomasse, nur die Menge an Kohlendioxid frei, die die Methanolsynthese vorher der Umwelt entnommen hat. Zur Herstellung von grünem Methanol haben sich unter anderem Forscher von Siemens und der Universität Erlangen-Nürnberg zusammengetan und einen besonders effektiven Katalyseprozess erarbeitet. Mit einer ähnlichen Aufgabenstellung befasst sich im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ebenfalls das Leibniz-Institut für Katalyse an der Universität Rostock. Probleme rühren eigentlich daher, dass die bekannten Prozesse zu viel Abfall produzieren und bei harschen Bedingungen, unter anderem bezüglich Temperatur und Druck, ablaufen. Daher sind die Stoffeffizienz und auch die Energieeffizienz oft ungenügend. Was in der Vergangenheit nicht die Rolle spielte, dafür heute umso mehr.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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