Erneuerbare Energien

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Pfaff-Quartier erprobt agentenbasiertes Energiemanagement

Mittwoch, 02.03.2022

Um eine zukunftsweisende Quartiersgestaltung nach neuestem wissenschaftlichen Stand bemüht sich das Leuchtturmprojekt „EnStadt:Pfaff“ in Kaiserslautern. Neun Partner entwickeln und demonstrieren modernste energietechnische Innovationen. Zum Fortschritt gehört unter anderem das agentenbasierte Energiemanagementsystem, das die dezentrale und eigenstromgestützte Energieversorgung optimiert. Dezentrale Energieversorgung heißt unter anderem auch, so weit wie möglich in der Versorgung autark zu sein. Die Planer neuer Stadtquartiere greifen mit dieser Absicht auf Photovoltaik (PV) zu, auf Geothermie, auf Abwasser- sowie gewerbliche und industrielle Abwärme. Das öffentliche Netz sollte nur in Ausnahmen aushelfen müssen. Umso mehr zwingt diese Philosophie sowohl von der Energiekostenseite her als auch natürlich klimaschutzbezogen dazu, besonders haushalterisch mit jeder fremden und jeder selbsterzeugten Kilowattstunde umzugehen.

Foto: Das vornehmlich als Nähmaschinenhersteller bekannte Industrieunternehmen Pfaff war für Kaiserslautern weit mehr als nur ein Industriebetrieb. Das historische Stammgelände musste im Laufe des wirtschaftlichen Einbruchs jedoch aufgegeben werden. Weite Teile des Areals gingen 2014 für einen symbolischen Kaufpreis an die Kommune.
Quelle: EnStadt:Pfaff
Das vornehmlich als Nähmaschinenhersteller bekannte Industrieunternehmen Pfaff war für Kaiserslautern weit mehr als nur ein Industriebetrieb, der zur Hochzeit 7.000 Mitarbeiter beschäftigte. Das historische Stammgelände musste im Laufe des wirtschaftlichen Einbruchs jedoch aufgegeben werden. Weite Teile des Areals gingen 2014 für den symbolischen Kaufpreis von einem Euro an die Kommune.
Abbildung: Kaiserslautern will angesichts der dominanten Lage zwischen Technischer Universität und Innenstadt bis 2029 einen völlig neuen, zukunftsfähigen und nachhaltigen Stadtteil auf diesem Boden errichten.
Quelle: EnStadt:Pfaff
Kaiserslautern will angesichts der dominanten Lage zwischen Technischer Universität und Innenstadt bis 2029 einen völlig neuen, zukunftsfähigen und nachhaltigen Stadtteil auf diesem Boden errichten.

Allerdings bedeutet die Verteilung der Eigenproduktion auf eine Vielzahl von Minikraftwerken auf und in Hausdächern und Fassaden eine gleiche Vielzahl von Einspeisepunkten mit permanent fluktuierenden Belastungen des öffentlichen Netzes als Folge. Das zieht einen teuren Aufwand zur Harmonisierung nach sich. Wie lässt sich gegensteuern, wie lassen sich die externen Leitungen und die entsprechende Regelungsarbeit entlasten? Die digitalisierte Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und ihre Substruktur IoT („Internet of Things“) bieten Ansätze. Und zwar mit dem agentenbasierten Energiemanagement. Das verknüpft die KWK- und PV-Strom-Prosumer in einem Baugebiet über ein internes Netz, koppelt sie so weitgehend von der öffentlichen Infrastruktur ab. Die muss nicht mehr auf jeden Sonnenstrahl frequenzstabilisierend reagieren. Im Leuchtturmprojekt „EnStadt:Pfaff“ in Kaiserslautern liegt ein Schwerpunkt auf der Erprobung dieses Konzepts smarter Gebäudetechnik.

Sie, die smarte Gebäudetechnik, erfasst sämtliche unidirektionalen und bidirektionalen Energieflüsse: von und zu der Wärmetechnik, den Haushaltsmaschinen und den Ladesäulen für die E-Mobilität. Jedem dieser Verbraucher oder Erzeuger steht ein eigener Agent zur Seite, der den Stromfluss von und zu seinem zugeordneten Netzteilnehmer zeit- und mengenmäßig managt. Vermutlich hat man den Begriff agentenbasiertes Energiemanagement aus der Fußballwelt übernommen.

„EnStadt:Pfaff“ ist eines der sechs Leuchtturmprojekte im Programm „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“, die sich finanziell in erster Linie auf die Förderung der beiden Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie für Bildung und Forschung (BMBF) abstützen. Die Vorhaben laufen mehrheitlich über fünf Jahre bis 2022. Alle sechs Quartiere haben die Aufgabe, in Form von Reallaboren nachhaltige Technologien aus den Experimentierräumen der Forschungseinrichtungen heraus auf den Praxisprüfstand zu holen und sie bei Bewährung als Muster für bundesweite neue Bebauungsgebiete und Quartierssanierungen vorzubereiten.

Sechs Leuchtturmprojekte

In ihrer technischen Ausrichtung berücksichtigen dabei die Leuchtturmprojekte die regionalen Besonderheiten: In Heide in Schleswig-Holstein zum Beispiel die Windenergie. Um die Abregelung von erneuerbarer Windenergie zu vermeiden, fließt sie in Elektrolyseanlagen zur Wasserstoffherstellung und deren Abwärme in die Wärmeversorgung von Bestandsgebäuden. „EnStadt:ENaQ“ in Oldenburg untersucht die Energieverschiebung vom Nachbarn zum Nachbarn, „ZED“ in der Autostadt Zwickau konzentriert sich auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Mobilität in einem angestrebten Null-Emissionsquartier. Im Modell „Es_West_P2G2P“ in Esslingen am Neckar verknüpfen die Partner das Quartier über Elektrobusse – die Batterien als Stromspeicher – mit dem Mobilitätskonzept der Stadt.

Das Doppelprojekt „Stadtquartier 2050“ in Stuttgart und Überlingen am Bodensee gliedert sich in Neubau und Bestandssanierung. In Überlingen liegt das Hauptaugenmerk auf „Low-Tech“-Lösungen mit Holzhackschnitzeln und Solarthermie sowie einem höherwertigen Wärmeschutz aus recycelbaren Dämmstoffen, während Stuttgart das Quartier „Bürgerhospital“ mit PV und Geothermie klimaneutral machen will. Im Sozialbereich gehen alle Leuchttürme der Frage nach: Wie kann es gelingen, günstigen Wohnraum energieeffizient zu gestalten? In diesem Zusammenhang spielen Mieterstrommodelle eine Rolle und Motivationsinstrumente zum bewussten Umgang mit Energie. Beispiel „Stadtquartier 2050“: Nutzerinnen und Nutzer der Gebäude werden durch eine interaktive „Quartiersapp“ am Energiemanagement beteiligt.

Stabile Kommunikation

In der „EnStadt:Pfaff“ Kaiserslautern – eine geplante „Smart City“ mit Bestands- und Neubauten auf dem ehemaligen Gelände des Nähmaschinenherstellers Pfaff – stehen Agenten sowohl zur Erhöhung der Energieautarkie als auch der Energieeffizienz im Mittelpunkt der technisch-wissenschaftlichen Betrachtung. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), als eines der Gremien in der Forschungskooperation für das Energiemanagement zuständig, erklärt den Begriff „Agent“ so: „Ein technischer Agent ist eine abgrenzbare Hardware- oder/und Software-Einheit mit definierten Zielen. Der technische Agent ist bestrebt, diese Ziele durch selbstständiges Verhalten zu erreichen und interagiert dabei mit seiner Umgebung und anderen Agenten. Aufgrund ihrer Struktur sind Agenten nicht auf ein zentrales Kontrollsignal angewiesen. Sie können bei einem Kommunikationsausfall autark ihre lokalen Regelziele verfolgen, da sie eigenständig für den Betrieb der untergeordneten technischen zugewiesenen Anlage verantwortlich sind. Dazu ist jeder Agent mit einem Smart Meter gekoppelt.“ Mit Anlagen sind beispielsweise PV-Module, Batteriespeicher, nicht-steuerbare Last in den Wohnungen, Wärmepumpen, Ladesäulen oder Blockheizkraftwerke (BHKW) gemeint.

Weiterführende Informationen: https://pfaff-reallabor.de/

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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