Lüftung

Ziehl-Abegg: Vorreiter im Bereich bionische Ventilatorentechnik

Montag, 04.01.2021

Was haben eine Eule und ein Wal mit Ventilatoren gemein?

Eine fliegende Eule.
Quelle: danny moore / https://pixabay.com/
Bionik bedeutet: "Lernen von der Natur für die Technik". Pflanzen und Tiere demonstrieren oft vorbildlich, wie bestimmte Herausforderungen am einfachsten und effizientesten bewältigt werden können. Die Erkenntnisse daraus dienen als Vorbild bei der Entwicklung technischer Anwendungen – etwa von Ventilatoren für die Lüftungsund Klimatechnik beim Unternehmen Ziehl-Abegg.

Weit mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist! Das Schlüsselwort lautet hier Bionik, ein Ansatz, den der Elektromotor- und Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg seit nun fast 15 Jahren konsequent nutzt, um Innovationen voranzutreiben und die Aerodynamik seiner Produkte zu verbessern. Die Redaktion des HeizungsJournals hat das Unternehmen besucht und mit dem Vorstandsvorsitzenden Peter Fenkl über die Vorteile des bionischen Designs, das frühzeitige Erkennen von Trends und die Weichenstellungen für die Zukunft und damit auch die Zeit nach Corona gesprochen.

Ventilatoren für den Einsatz in der Lüftungs- und Klimatechnik müssen sich durch hohe Systemwirkungsgrade, geringe Schallleistungen und eine kompakte Bauweise auszeichnen. Um diese Anforderungen bestmöglich zu erfüllen, nimmt sich das Unternehmen Ziehl-Abegg die Natur zum Vorbild und setzt bei der Entwicklung seiner Ventilatoren verstärkt Erkenntnisse aus der Aerodynamik (Vogelkunde) und der Hydrodynamik (Meeresbiologie) um.

Dass der bionische Ansatz zusätzliche strömungstechnische Optimierungen mit sich bringt, stellt unter anderem auch die neueste Generation der Radialventilatoren des Herstellers unter Beweis. In Kombination mit hocheffizienter Motorentechnologie – der eigentlichen Kernkompetenz des Unternehmens aus dem baden-württembergischen Künzelsau – werden hier Systemwirkungsgrade von über 70 Prozent erreicht. "Unsere Ingenieure haben damit ihre Spitzenleistung in der Bionik und als Technologieführer in der Ventilatorentechnik deutlich unterstrichen", betont Vorstandsvorsitzender Peter Fenkl.

Quelle: HeizungsJournal/Geßler
Die neueste Generation der Radialventilatoren weist Merkmale von zwei unterschiedlichen bionischen Ansätzen auf – der Aerodynamik (Vogelkunde) und der Hydrodynamik (Meeresbiologie). Da hier vor allem die Flossen eines Wals Pate standen, lehnt sich der Produktname „ZAbluefin“ an das englische Wort für Flosse „fin“ an

Effizient und leise durch bionische Profilierung

Etwa zwei Jahre haben sich die Entwickler mit dem neuen Radiallaufrad für Klimazentralgeräte und Industriebelüftung beschäftigt. Sie untersuchten Körperbau und Merkmale von Walen und haben diese an der Vorderkante der Ventilatorschaufel nachempfunden und als gewelltes Profil umgesetzt. Dadurch werden große Verwirbelungen vermieden, was Strömungsverluste ebenso wie Geräuschemissionen reduziert. Und auch bei der Hinterflosse des Wals – der "Fluke" – haben die Strömungstechniker genauer hingeschaut. Die V-förmige Kontur des hinteren Flügelabschnitts verzögert mögliche Strömungsabrisse und ermöglicht den Einsatz des Ventilators in vielen unterschiedlichen Druckbereichen.

In die Entwicklung des neuen Radiallaufrads sind darüber hinaus auch bionische Elemente des leisesten Raubvogels – der Eule – eingeflossen. Durch die Fransen, die sich am Ende der Eulenflügel befinden, treffen die Luftströmungen der Flügel-ober- und -unterseiten an der Hinterkante der Flügel sanfter – und somit leiser – aufeinander. Daher sind die Hinterkanten der Ventilatorschaufeln dem Eulenflügel nachempfunden. Diese Erkenntnis wird von den Ingenieuren bereits seit 2006 angewandt. In der Folge gelten gezackte Hinterkanten von Ventilatoren mittlerweile als ein Markenzeichen des Unternehmens aus Künzelsau – ebenso wie die Farbe Blau, welche die bionische Ventilatorentechnik kennzeichnet.

"Damit waren wir schon damals dem Markt weit voraus", erläutert Fenkl nicht ohne Stolz. "Und dass wir hier durchaus Pionierarbeit geleistet haben, zeigte sich auch daran, dass im Jahr 2012 bzw. 2013 die Unternehmen Rolls-Royce sowie Pratt & Whitney, die in der Regel ein Vielfaches in die Forschung und Entwicklung investieren als wir, genau dieses bionische, gezackte Profildesign für die Entwicklung ihrer Flugzeugturbinen übernommen haben."

Speziell entwickeltes Verbundmaterial

Der Hersteller hat zudem zahlreiche Ventilatoren, die bisher aus Stahl oder Aluminium gefertigt worden sind, durch Kunststoff ersetzt. Denn viele aerodynamisch ideale Geometrien sind in Stahl oder Aluminium einfach nicht umsetzbar. Bei dem Kunststoff handelt es sich um ein spezielles Verbundmaterial, das ebenfalls zu den Entwicklungen des Unternehmens gehört. Auch dafür haben sich die Ingenieure bei der Natur – genauer im Bereich der Baumforschung – einiges abgeschaut und dadurch deutliche Materialeinsparungen und zusätzliche Festigkeit bei der Werkstoffentwicklung erzielt.

Der thermoplastische Faserverbundwerkstoff "ZAmid" ist, laut Unternehmensangaben, extrem stabil und obwohl er wesentlich leichter als Stahl ist, können die Ventilatoren damit mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h im Dauerbetrieb drehen. Die Prüfung der Kunststoffventilatoren erfolgt sogar mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 km/h. Der mit Aramidfasern verstärkte Kunststoff ist zudem in einem Bereich von -35 bis +60 °C temperaturstabil – ein Vorteil gegenüber Stahl. Ein Laufrad aus dem speziellen Werkstoff lässt sich des Weiteren leicht reinigen, entwickelt keine Korrosion und bietet keinen Nährboden für Bakterienansammlungen. Es erfolgt nachweislich kein "Ausgasen" von Stoffen aus dem Material.

Der Einstieg in die Kunststofftechnik und die Investition in eigene, zum Teil komplexe Spritzgussmaschinen hat die traditionell hohe Fertigungstiefe des Unternehmens weiter ausgebaut. "Wir stellen Ventilatoren aus Aluminium ebenso wie aus Stahl und aus Kunststoff selbst her, was uns von den Wettbewerbern unterscheidet", erklärt Fenkl. "Davon profitieren auch unsere Kunden, denn durch den Zugriff auf alle drei Technologien kann jeder Ingenieur nach objektiven Kriterien entscheiden, welcher Werkstoff derjenige ist, der sich am besten für die jeweilige Kundenanwendung eignet."

Ein Mann sitzt an einem Tisch.
Quelle: HeizungsJournal/Geßler
Vorstandsvorsitzender Peter Fenkl hebt im Gespräch auch die traditionell hohe Fertigungstiefe des Unternehmens hervor. Mit 2.400 Beschäftigten im Hauptwerk Künzelsau und in den nahegelegenen Produktionswerken – weltweit sind es insgesamt 4.300 Mitarbeiter – legt Ziehl-Abegg dabei großen Wert auf den Standort Deutschland.

Innovation als Unternehmens-DNA

Der Hersteller gehört zu den international führenden Unternehmen im Bereich der Luft-, Regel- und Antriebstechnik. "Wir verstehen uns als Innovationstreiber und beschäftigen uns demzufolge schon sehr früh mit Themen, die unserer Meinung nach zukunftsweisend sind", so Fenkl. "Das liegt an dem genetischen Fingerabdruck des Unternehmens." Alles begann mit Emil Ziehl, der die Firma 1910 in Berlin als Hersteller von Elektromotoren gründete und der bereits im Jahr 1897 den ersten Außenläufermotor konstruiert hat – bis heute die Grundlage für moderne Antriebstechnologie.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz nach Künzelsau in Süddeutschland verlegt, die Grundsteinlegung erfolgte im Jahr 1949. Neben der Antriebstechnik kam dann Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre der Bereich Lufttechnik hinzu, der mittlerweile den größten Anteil im Unternehmen ausmacht. Der Umsatz in diesem Bereich betrug 2019 561 Millionen Euro – bei einem Gesamtumsatz von 633 Millionen Euro. Der jüngste Zugang ist das Thema Elektromobilität im Straßenverkehr, das in der im Jahr 2012 gegründeten Tochtergesellschaft Ziehl-Abegg Automotive angesiedelt ist.

In den 1980er-Jahren hat das mittelständische Unternehmen die Grundlagen für die Markteinführung von energiesparenden EC-Motoren (EC: Elektronisch kommutierter Gleichstrommotor) in der Lüftungstechnik gelegt. Es entwickelte sowohl den EC-Motor mit abgesetzter Elektronik sowie darauf aufbauend auch den Motor mit integrierter Elektronik. Vor allem die integrierte Elektronik war ihrer Zeit weit voraus, die Technologie konnte sich erst Anfang der 2000er-Jahre langsam durchsetzen.

Seit 2006 beschäftigt sich der Hersteller mit der Bionik und ist inzwischen Technologieführer bei bionischem Design von Ventilatoren. Das ist nicht zuletzt Peter Fenkl zu verdanken, der zu Beginn seiner Tätigkeit im Unternehmen vor 20 Jahren die damalige Aussage der Ingenieure, der Ventilator sei bereits "fertig entwickelt", nicht akzeptieren wollte und daraufhin den bionischen Ansatz verfolgte.

Hoher Stellenwert von Forschung und Entwicklung

Die hohe Innovationskraft liegt auch darin begründet, dass der Forschung und Entwicklung große Bedeutung beigemessen wird. Das Unternehmen investiert jährlich in diesen Bereich konsequent mindestens sechs Prozent des Umsatzes – dabei sind Kundenapplikationen davon ausgenommen. Im Jahr 2008 wurde das Entwicklungs- und Technologiezentrum "InVent" am Standort der Firmenzentrale in Künzelsau eingeweiht. Neben einem Motorenprüfstand mit Versuchsbereich sowie einem Bereich für die Entwicklerteams mit unmittelbarem Zugang zu den Prüfständen umfasst das aus drei Baukomplexen bestehende Gebäude den, nach Unternehmensangaben, weltgrößten kombinierten Luft- und Geräuschprüfstand für Ventilatoren.

Der Luft- und Geräuschprüfstand ist komplett auf Federn gelagert und dadurch vom übrigen Gebäude abgekoppelt, um Schwingungen oder Außengeräusche während der sensiblen Messungen auszublenden. Zum Erstellen von Prototypen und für die schnelle und unkomplizierte Prüfung neuer Formen beim bionischen Design von Ventilatoren stehen den Ingenieuren zwei 3D-Drucker zur Verfügung. Die Fähigkeit zum weitsichtigen Denken, zum frühzeitigen Erkennen von Nutzeranforderungen und zur raschen Umsetzung dieser bewies das Unternehmen auch zu Beginn der Coronakrise, als es bereits im April dieses Jahres die 3D-Drucker kurzerhand für die Produktion von Gesichtsschilden für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen umfunktionierte.

Zwei Männer stehen in einem Luft- und Geräuschprüfstand.
Quelle: Ziehl-Abegg
Die Prüfung, Messung und auch Zertifizierung der Axial- und Radialventilatoren erfolgen im speziell dafür konstruierten Luft- und Geräuschprüfstand. Hier können Luftvolumenströme von bis zu 100.000 m³/h sowie Drücke von über 3.000 Pa in einer 325 t schweren Messstrecke erzeugt werden.

Eine Prüfkammer für Federn.
Quelle: HeizungsJournal/Geßler
Die Prüfkammer mit einem Gewicht von 1.250 t lagert auf Federn, um Schwingungen oder Außengeräusche während der sensiblen Messungen auszublenden.

Weichenstellung für Wachstum nach Corona

Das Unternehmen achtet stets auf gesundes Wachstum, das nicht von kurzfristigem Ertragsdenken gelenkt wird, und hat bereits eine Krise ohne Reduzierung der Beschäftigtenzahlen überstehen können. "In der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 sind wir 17 Prozent im Umsatz gesunken und haben im Folgejahr um mehr als 20 Prozent zugelegt", erinnert sich Fenkl. "Das ging nur, weil wir sehr gute Produkte und motivierte wie qualifizierte Mitarbeiter haben. Und auch jetzt in der aktuellen Coronakrise sehe ich das branchenweit überdurchschnittliche Umsatzplus von 8,6 Prozent im Jahr 2019 als eine solide Basis."

Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen investiert das Unternehmen jetzt bewusst antizyklisch und lässt am Standort Kupferzell für 16 Millionen Euro neue Produktionsflächen von rund 8.400 m² bauen. "Denn auch in Zukunft werden die Weltmärkte qualitativ hochwertige Elektromotoren und Ventilatoren benötigen", betont Fenkl. "Und wir benötigen unbedingt mehr Raum für weitere Kunststoffspritzmaschinen." Insgesamt baut das Unternehmen weltweit Fertigungen aus oder optimiert bestehende Anlagen. Etwa in Schöntal-Bieringen, wo der Aluminiumguss angesiedelt ist, oder auch an den Standorten in Amerika und Asien.

"Die hohe Fertigungstiefe ist unsere Stärke, diese werden wir weiter ausbauen und gleichzeitig das Digitalgeschäft forcieren", führt der Vorstandsvorsitzende aus. Überhaupt sieht Fenkl in der Digitalisierung und im Internet der Dinge (IoT, Internet of Things), im industriellen Bereich IIoT (Industrial Internet of Things) genannt, die Zukunft. Daher sind die Motoren und Ventilatoren des Unternehmens bereits seit Jahren Industrie-4.0-fähig, also via Ethernet oder Bluetooth in Netzwerke einbind- und steuerbar.

Diesen Trend der Vernetzung treibt der Hersteller mit einer eigenen Lösung voran. Die Cloud-basierte IIoT-Plattform "ZAbluegalaxy" wurde speziell für Anwendungen in der Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik entwickelt und bietet damit spezifische Vorteile gegenüber Standard-Cloud-Lösungen. "Wir haben uns dazu mit der Telekom einen sehr erfahrenen und innovativen Partner gesucht", erklärt Fenkl. "Die Kundenreaktionen zeigen, dass wir damit – erneut – den Nerv der Zeit getroffen haben."

Von Beate Geßler
Verlagsredaktion
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