Erneuerbare Energien

Wärmewende mit iKWK und flexibler Solarthermie

Donnerstag, 16.04.2020

Optimale thermische Solaranlagen für Wärmenetze.

Kollektorfeld für Fernwärme in Senftenberg.
Quelle: Ritter XL Solar
Kollektorfeld für Fernwärme in Senftenberg.

Mit innovativer KWK (iKWK) fordert das KWKG einen Anteil von 30 Prozent an der sog. jährlichen Referenzwärme, die sich zusätzlich aus 3.000 VBh (Vollbenutzungsstunden) an KWK-Wärme zusammensetzt [1]. Wenn der iKWK-Anteil und damit auch die Solarwärme einen Großteil des Netzwärmebedarfs liefern soll, müssen Solarwärmeüberschüsse eingeplant werden. Die Speicherung dieser Überschüsse ist jedoch schon ab einem solaren Jahresdeckungsgrad von etwa zehn Prozent unwirtschaftlich, sofern der dafür notwendige Speicher nicht schon vorhanden, sondern Teil der Investition in die Solaranlage ist.

Dazu muss das Kollektorfeld flexibel, das heißt, jederzeit wie ein konventioneller Wärmeerzeuger abschaltbar sein. Hochleistungs-Solaranlagen arbeiten vorzugsweise mit Fernwärmewasser, speisen möglichst immer in den Vorlauf des Wärmenetzes und tolerieren Abschaltung oder Trennung vom Netz als normalen Betriebszustand sowie auch eine in der Folge bei starker Sonneneinstrahlung auftretende "thermische Stagnation". Diese Betriebsweise macht unwirtschaftliche Speicherauslegungen oder Notkühleinrichtungen überflüssig.

Bei der Auslegung einer Solarthermieanlage gibt es drei Optima – ein volkswirtschaftliches, ein betriebswirtschaftliches und ein technisches, was an einem „Muster-Wärmenetz“ mit 10 GWhth /Jahr am Standort Würzburg bereits ausführlich gezeigt wurde, siehe Abb. 2 [2].

Die Grafik zeigt den solaren Deckungsanteil und solaren Systemertrag  in Abhängigkeit vom spezifischen Speichervolumen für ein  Musternetz mit 10 GWhth.
Quelle: Ritter Energie- und Umwelttechnik
Abb.2: Solarer Deckungsanteil und solarer Systemertrag in Abhängigkeit vom spezifischen Speichervolumen, alle Simulationen mit ScenoCalc bzw. SCFW [3].

Das technische Optimum liefert die Kollektorfläche und eine Speichergröße, bei der die gesamte Solarwärme genutzt wird. Schon bei kleinen Solaranteilen EE_ST von unter zehn Prozent wachsen dabei die notwendigen Speichergrößen ins ökonomisch Unwirtschaftliche. Am volkswirtschaftlichen Optimum wird möglichst viel Wärme mit geringstmöglichem Einsatz an Material und "grauer Energie" gewonnen. Dies führt zu sehr viel Wärmeüberschuss mit großen technischen Herausforderungen. Das betriebswirtschaftliche Optimum liegt dazwischen und beschreibt die Dimensionierung am Wärmepreisminimum, wobei zu unterscheiden ist, ob der Speicher zur Investition in die Solaranlage zählt oder nicht.

Was Abbildung 2 für das Musternetz mit 10 GWhth Jahresbedarf zeigt, lässt sich für beliebig große Wärmenetze verallgemeinern, wie die Abbildungen 3 und 4 zeigen.

Das Diagramm zeigt Tage mit Wärmeüberschuss (Stagnation) bei solarem Deckungsgrad von 10 bis 40 Prozent in Abhängigkeit von der Speichergröße pro Kollektorfläche für ein Musternetz.
Quelle: Ritter Energie- und Umwelttechnik
Abb.3: Tage mit Wärmeüberschuss (Stagnation) bei solarem Deckungsgrad von 10 bis 40 Prozent in Abhängigkeit von der Speichergröße pro Kollektorfläche.

Abb.4: Das Diagramm zeigt Speicherkapazität einer Musteranlage als Vielfaches des Tagesbedarfs eines Julitages  sowie Kollektorertragsverluste durch Stagnation bei solarem Deckungsgrad von 10 bis 40 Prozent in Abhängigkeit von der Speichergröße pro Kollektorfläche.
Quelle: Ritter Energie- und Umwelttechnik
Speicherkapazität als Vielfaches des Tagesbedarfs eines Julitages (linke y-Achse und durchgezogene Kurven) sowie Kollektorertragsverluste durch Stagnation (Wärmeüberschuss, rechte y-Achse und gestrichelte Kurven) bei solarem Deckungsgrad von 10 bis 40 Prozent in Abhängigkeit von der Speichergröße pro Kollektorfläche.

Der Standort Würzburg bzw. dessen Wetter werden dazu beibehalten. Abbildung 3 zeigt, wie der notwendige Speicher ohne Stagnation mit dem solaren Deckungsgrad EE_ST sehr schnell wächst. Für EE_ST = 30 Prozent (z.B. bei 100 Prozent iKWK) ist kontrollierte Stagnation an etwa 40 Tagen pro Jahr betriebswirtschaftlich ratsam, denn das kostet nur etwa neun Prozent vom Kollektorertrag. Um Stagnation zu vermeiden, müsste der Speicher mit knapp 1,1 m³/m² ca. 11-mal größer sein, hätte dann aber auch so viel größere Verluste, dass von den neun Prozent zusätzlich gewonnenem Kollektorertrag wenig übrig bliebe.

Abbildung 4 zeigt, wie die Speicherkapazität und die Kollektorertragsverluste durch Stagnation vom Deckungsgrad und von der relativen Speichergröße abhängen. Für kleine Solaranteile (EE_ST < 5 bis 8 Prozent) benötigen Wärmenetze keinen Speicher. Für EE_ST = 10 Prozent kann Stagnation noch mit etwa 50 Litern Speicher pro Quadratmeter Bruttokollektorfläche weitgehend vermieden werden. Für EE_ST = 20 Prozent sind dafür bereits unwirtschaftliche 300 Liter/m² erforderlich, weshalb Bio-Solardörfer wie zum Beispiel Büsingen, Ellern, Hallerndorf, Randegg nur etwa 80 bis 150 Liter/m² einsetzen und lieber zehn bis 30 Stagnationstage pro Jahr in Kauf nehmen bzw. auf bis zu sechs Prozent Überschusswärme verzichten.

Bei einem EE_ST von etwa 30 Prozent (iKWK) bleiben die Verluste durch Stagnation an insgesamt etwa 40 Tagen übers Jahr kleiner als neun Prozent, wenn pro Quadratmeter Bruttokollektorfläche mindestens 90 Liter Speicher eingesetzt werden. Das entspricht einer Speicherkapazität von etwa 2,3 Julitagen des Netzwärmebedarfs. Ohne Stagnation müsste das 11-Fache, etwa 25 Juli-Bedarfstage, gespeichert werden. Bei EE_ST = 40 Prozent kommt es auch bei wirtschaftlichen 200 Litern/m² noch zu 65 Stagnationstagen mit mehr als 17 Prozent Überschussverlusten pro Jahr, und zur Stagnationsvermeidung wären 2,2 m³/m² notwendig, die Kapazität von 73 Juli-Bedarfstagen. Das ist zwar schon "Saisonal-Speicherung", doch auch dieser Speicher wäre Ende Oktober bereits wieder leer. Die Diagramme 5a und 5b zeigen die notwendigen Größen für Kollektorfläche (CPC-VRK) mit zugehörigen sinnvollen Speichern für Solaranteile von 10 bis 40 Prozent für unterschiedliche Wärmenetzgrößen.

Das Diagramm zeigt die Kollektorfläche für Netze von 1 bis 1000 GWh/a und EE_ST bis 40 Prozent.
Quelle: Ritter Energie- und Umwelttechnik
Abb.5a: Kollektorfläche für Netze von 1 bis 1000 GWh/a und EE_ST bis 40 Prozent.

Das Diagramm zeigt die Speichergröße für Netze von 1 bis 1000 GWh/a und EE_ST bis 40 Prozent.
Quelle: Ritter Energie- und Umwelttechnik
Abb.5: Speichergröße für Netze von 1 bis 1000 GWh/a und EE_ST bis 40 Prozent.

Für einen beliebigen solaren Deckungsgrad gilt am betriebswirtschaftlichen Optimum ein bestimmtes Verhältnis Speicher/Kollektorfläche. Für jeden Jahresbedarf stehen damit die Kollektorfläche und der Speicher fest. Die Abbildungen 2 bis 4 zeigen das exemplarisch für ein Netz in Würzburg mit 10 GWh/a. Die beiden Abbildungen 5a und 5b zeigen nun, dass man Kollektorfläche und Speicherbedarf wegen dieser fast konstanten Verhältnismäßigkeit für jeden Netzbedarf und solaren Deckungsgrad hoch- und runterskalieren kann.

Fazit

Mit dem Anteil erneuerbarer Wärme aus Solarthermie (EE_ST) am Netzwärme-Jahresbedarf wachsen überproportional der Speicherbedarf und die wirtschaftliche Notwendigkeit, auf Solarwärmeüberschüsse im Sommer zu verzichten. Wenn das Prinzip der flexiblen Abschaltung auf das Großanlagenkonzept nicht anwendbar ist, wird bei höheren solaren Deckungsanteilen häufig ein sog. Niedertemperatur-Saisonal-Speicher mit einer Kapazität für mehrere Wochen oder Monate, z.B. als nahezu ungedämmter Erdbeckenspeicher, eingesetzt, aus dem jedoch die meiste Wärme nur mit Hilfe einer Wärmepumpe wieder nutzbar ist und auch von Wärmeüberschüssen aufgrund hoher Verluste wenig übrig bleibt. Hingegen sind flexibel abschaltbare und stagnationssichere Solaranlagen mit verlustarmen und relativ kleinen Netztemperatur-Mehrtagesspeichern als wegweisende Alternative in Bio-Solardörfern seit Langem erfolgreich im Einsatz. Nimmt man das Ziel "Efficiency first!" und die CO2-Einsparung als dessen Gradmesser ernst, ist flexible Hochleistungssolarthermie mit Netztemperaturspeichern gewiss eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende.

Quellen:

[1] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil 1 Nr. 57, herausgegeben zu Bonn am 17.08.2017, S. 3167 bis 3197.

[2] Dr. Rolf Meißner, "Thermische Solaranlagen für Wärmenetze" (Fachbeitrag: Teil 1, Teil 2, Teil 3)

[3] ScenoCalc-Download: https://www.scfw.de/

Von Rolf Meißner
Leiter Forschung & Entwicklung, Ritter XL Solar
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