Wärme

Nachtrag zum Interview mit Franzjosef Schafhausen

„Man wird an den Bestand heran müssen“

Dienstag, 01.11.2016

Etwa drei Wochen nach dem Interview des HeizungsJournals mit Ministerialdirektor a.D. im Bundesumweltministerium Franzjosef Schafhausen ratifizierten mehr als 55 Staaten das Pariser Abkommen vom Spätherbst vergangenen Jahres. Die Veröffentlichung in der Oktober-Ausgabe des HeizungsJournals konnte deshalb noch nicht konkret auf die Konsequenzen dieser Unterzeichnung für den Energie- und Wärmemarkt eingehen. Die Redaktion fragte deshalb nach.

Franzjosef Schafhausen
Quelle: Privat
Ministerialdirektor a.D. Franzjosef Schafhausen

Das Paris-Abkommen hat Gültigkeit, wenn 55 Staaten …. Was heißt das?

Dem Text des Paris-Abkommens ist am 12.Dezember 2015 auf der 22. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von 197 Staaten zugestimmt worden. Es gab keine Gegenstimme. Nach diesem erfolgreichen Verhandlungsergebnis muss nun aber noch das Paris-Abkommen von jedem einzelnen Staat gezeichnet und – was völkerrechtlich entscheidend ist – ratifiziert werden. Der Vertragstext legt ein sogenanntes „Quorum“ fest. Erst wenn 55 Staaten, die 55 % der weltweiten Treibhausgasemissionen repräsentieren, das Paris-Abkommen ratifiziert haben, tritt das Abkommen in Kraft, das heißt, es wird wirksam. Dieses „Quorum“ wurde Anfang Oktober 2016 mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde der Europäischen Union in New York erfüllt beziehungsweise sogar deutlich überschritten. Mittlerweile haben mehr als 80 Staaten weltweit das Paris-Abkommen ratifiziert. Das Paris-Abkommen wird somit am 4. November 2016 völkerrechtlich verbindlich wirksam werden.

Es ist Bericht zu erstatten

Wer hat mit wem einen Vertrag abgeschlossen?

Sorry – die Frage ist falsch gestellt. Alle Staaten, die jetzt ratifiziert haben, erkennen damit vor der Völkergemeinschaft an, dass der Text des Paris-Abkommens mit seinen Zielsetzungen, Politiken und Maßnahmen, Berichterstattungspflichten usw. für sie verbindlich ist und damit von ihnen auch umgesetzt werden wird. Sie unterwerfen sich damit dem neuen internationalen Klimaschutzregime. Dies ist auf der Ebene der Vereinten Nationen geschehen. Jeder der Staaten, die mittlerweile ratifiziert haben, hat zudem seinen nationalen Beitrag zur Bekämpfung des globalen Klimawandels definiert und an das UN-Klimasekretariat gemeldet (so genannte INDC = Intended Nationally Determined Contribution). Er muss nun diesen von ihm selbst erklärten Beitrag zur Bekämpfung des Treibhauseffekts auch erbringen.

Wer hat nun was zu tun?

Die Staaten, die ratifiziert haben, müssen mittel- bis langfristig nationale Klimaschutzstrategien entwickeln und implementieren. Sie müssen ferner über ihre Aktivitäten und Initiativen an das UN-Klimasekretariat Bericht erstatten. Dort wird geprüft, ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um den von den Staaten selbst definierten Beitrag (INDC) zu realisieren.

Welche Vorgaben müssen erfüllt werden und drohen Sanktionen, wenn das nicht geschieht?

Das Paris-Abkommen hat das Ziel, den Anstieg der durchschnittlichen weltweiten Temperaturen auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen und sich nach Möglichkeit sogar an durchschnittlich 1,5 °C zu orientieren. Darüber hinaus soll der Gipfel der weltweiten Emissionen so schnell wie möglich erreicht werden, um danach die Emissionen zu stabilisieren und zu reduzieren. Dazu enthält das Paris-Abkommen bereits einige konkrete Vorgaben, die sich zum Beispiel auf die Transparenz, die Berichterstattung und die Anhebung der Ambitionen richten. Weitere Vorgaben, beispielsweise zu marktwirtschaftlichen Mechanismen, zum Technologietransfer, zu Kohlenstoffsenken, zur Klimafinanzierung usw. werden derzeit konkretisiert und sind nach entsprechenden Beschlüssen weiterer Vertragsstaatenkonferenzen ebenfalls umzusetzen. Sanktionen sind nicht vorhanden – eine „grüne UN-Polizei“ etwa, die Anlagen stilllegen würde, wenn Ziele verfehlt werden, wird zwar immer wieder gefordert, ist aber völlig unrealistisch. Es existiert aber ein starker politisch-moralischer Druck. Kein Staat würde gerne international an den Pranger gestellt werden, wenn er sein von ihm selbst gestecktes Ziel verfehlen würde.

Effort-Sharing erfasst die Haustechnik

Inwieweit ist der Wärmesektor davon betroffen?

Die von den einzelnen Staaten genannten Beiträge zu Bekämpfung des Treibhauseffekts (INDC’s) haben zwar unterschiedliche Qualitäten, sind aber durch die Bank recht ambitioniert. In der Regel sind alle Sektoren in einer Volkswirtschaft gefordert, ihren Beitrag zu erbringen. Dies gilt insbesondere auch für die Europäische Union, deren Ziel nach der Ratifizierung nun lautet, ihre Treibhausgasemissionen durch Maßnahmen innerhalb der Europäischen Union bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu senken. Innerhalb der Europäischen Union existieren zur Realisierung dieser Zielsetzung mittlerweile zwei Aktionsebenen:

  • der Europäische Emissionshandel, der die Emissionen der großen Treibhausgasemittenten in Industrie und Energiewirtschaft erfasst und als europäisches Instrument in der Hand der Kommission liegt sowie
  • das sogenannte "effort sharing" mit dem alle Bereiche erfasst werden, die nicht durch den Emissionshandel abgedeckt sind, und das durch die einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss.

Die Kommission hat zum "effort sharing" Ende Juli 2016 einen Vorschlag vorgelegt, der eine Tabelle enthält, in der für jeden Mitgliedsstaat ein Ziel vorgeschlagen wird, das durch nationale oder grenzüberschreitende Maßnahmen innerhalb der EU realisiert werden soll. Deutschland soll die von den im "effort sharing" erfassten Sektoren und Akteuren ausgestoßenen Treibhausgase bis 2030 um 38 % gegenüber 2005 reduzieren – ein wahrlich ambitioniertes Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die ganz erheblichen Minderungspotenziale im Gebäude- respektive Wärmebereich massiv ausgeschöpft werden müssen.

Hier wird man nicht umhin kommen, die bestehenden ordnungsrechtlichen Anforderungen an den heutigen Stand der Technik nicht nur für Neubauten, sondern auch für den Gebäudebestand heranzuführen, die Förderungsmaßnahmen deutlich auszuweiten und mehr für Beratung und Information sowie Aus- und Fortbildung zu tun. Auch die Stadtplanung muss in die Umsetzung des Paris-Abkommens sowohl auf nationaler, aber auch auf europäischer Ebene einbezogen werden. Dies ist Aufgabe des nationalen Klimaschutzprogramms und der in den Klimaschutz integrierten Energiewende. Es wird also auf den Wärmebereich in den kommenden Jahren Einiges zukommen. Dies wird aber auch zu lokaler und regionaler Wertschöpfung führen und neue Arbeitsplätze schaffen.

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