Wärme

Mister Sektorkopplung

Dienstag, 04.06.2019

Das HeizungsJournal im Gespräch mit Peter Kellendonk, EEBus Initiative e.V.

Vier bunte Puzzleteile auf einem Tisch.
Quelle: rawpixel / https://pixabay.com
Peter Kellendonks Motivation ist es, dem höchst-komplexen Thema "Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom und Mobilität" ein Gesicht zu geben – und eine Sprache noch dazu.

Der Energiemarkt befindet sich in einem rasanten Wandel und wird durch die zunehmende Vernetzung deutlich komplexer. Übergreifende Standards helfen, die steigende Komplexität zu beherrschen. Woher aber sollen diese ganzheitlichen, intelligenten Strukturen denn kommen? Eine Antwort hat die Redaktion des HeizungsJournals bei einem Gespräch mit Peter Kellendonk gefunden. Denn er muss es – als Vordenker und Praktiker der Sektorkopplung – wissen.

Kluge Leute diskutieren über Ideen und Visionen – durchschnittliche Menschen sprechen über Geschehenes – und nur Dummköpfe unterhalten sich über Personen.

So lautet – ganz frei aus dem Amerikanischen übersetzt – ein bekanntes Zitat, welches der "First Lady" Anna Eleanor Roosevelt (1884 bis 1962) zugeordnet wird. Natürlich ist Ihre Frage nun berechtigt, was Amerika mit dem deutschen bzw. europäischen Heizungsmarkt im Speziellen zu tun hat (nämlich nicht sehr viel). Aber hier soll es ja auch – zunächst – nicht um Politisches gehen, sondern vielmehr soll mit diesem cleveren Leitmotiv eine gedankliche Brücke gebaut werden zu einem Menschen, der in der Heizungsbranche, in der Gebäude- und Energietechnik und darüber hinaus seit Jahren sehr aktiv "Ideen und Visionen" diskutiert.

Wobei "diskutieren" ein bisschen zu kurz gesprungen ist. Denn Peter Kellendonk spricht nicht nur über (seine) "Ideen und Visionen", sondern kreiert vielmehr anwendbare Lösungen in dem noch relativ jungen Markt der vernetzten Energiesysteme. Seine glasklare Motivation ist es, dem höchst-komplexen Thema "Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom und Mobilität" ein Gesicht zu geben – und eine Sprache noch dazu.

Zwei Männer stehen vor Solarmodulen.
Quelle: R.Otter
Die Welt der Energie ist im Wandel. Durch Verbraucher wie (elektrische) Wärmepumpen und E-Fahrzeuge steigt der Strombedarf in einzelnen Gebäuden wie auch im Stromnetz. Daraus ergeben sich ganz neue (Markt-)Chancen. Daraus ergeben sich aber auch sehr komplexe, neue Wirkzusammenhänge. Grund genug für die Redaktion des HeizungsJournals, mit dem "Macher" der EEBus Initiative, Peter Kellendonk (re.), ins Gespräch zu kommen.

"Doktor Esperanto"

Und das macht er aus Leidenschaft: zum einen als geschäftsführender Gesellschafter der KEO GmbH und zum anderen als 1. Vorsitzender des Vorstands der EEBus Initiative e.V., die sich beide zum Ziel gesetzt haben, eine gemeinsame Sprache für die Vernetzung aller Energiesektoren zu entwickeln. EEBus hat so zusammen mit seinen aktuell etwa 70 Mitgliedsfirmen eine offene, herstellerübergreifende Sprache für Energie im Internet of Things (IoT) geschaffen – und mit "Mitgliedern" sind übrigens die führenden Hersteller beispielsweise aus den Bereichen Photovoltaik, Energie, Hausgeräte, Elektroinstallation, "Smart Home" und (logo!) Heizungs- und Klimatechnik gemeint.

In mehreren Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Energiesektoren stimmen sich diese Hersteller darüber ab, in welchen Anwendungsbereichen ("use cases") die Kommunikation ihrer Produkte und Systeme für einen effizienten Umgang mit Energie sinnvoll ist. Der zugehörige EEBus-Standard deckt dabei alle wesentlichen Energiesektoren wie Heizungen, Elektrogeräte, Elektromobilität und deren Ladetechnik ab. Die EEBus-Kommunikation vernetzt diese mit Erzeugungsanlagen im Haus wie auch mit dem intelligenten Stromnetz. Der Standard mit seinen Spezifikationen steht über den Verein hinaus auch Nichtmitgliedern frei zur Verfügung.

"Entgegen häufiger Missverständnisse benötigt EEBus für seine Kommunikation keine Busleitung oder eine andere spezielle Verbindungstechnik. Die Vernetzung erfolgt über das verbreitete IP-Netzwerk (Ethernetkabel oder WLAN). Ein DSL- und WLAN-Router genügt also, um das Energienetzwerk im Haus aufzubauen. Die Geräte kommunizieren auf dieser Ebene ohne weitere Programmierung miteinander – per »plug and play«", so Peter Kellendonk im Gespräch mit dem HeizungsJournal. "Zusammen mit der Einführung intelligenter Stromzähler, der sogenannten »Smart Meter«, erweitert sich auch der Wirkungskreis der EEBus-Kommunikation. Künftig können Heizungsanlagen, E-Auto-Ladestationen und Hausgeräte, die per EEBus vernetzt sind, ihren Strombedarf auch als flexible Lasten im Netz bereitstellen. So kann etwa eine (elektrische) Wärmepumpe künftig ihren Warmwasserspeicher dann günstig aufheizen, wenn überschüssiger Strom besonders günstig im Netz angeboten wird", ergänzt er.

Quelle: Theben
Über einen "Smart Meter" bzw. ein intelligentes Messsystem (iMSys) mit EEBus-Kommunikationsmodul, wie das Theben-"Conexa 3.0", kann ein Energiemanager flexible Verbraucher im Haus in das Verteilnetz kommunizieren, um die Netzstabilität zu optimieren.

Macht euch bereit!

So weit, so gut. Aber doch vor allem die letztgenannte These hört der geneigte Heizungsfachmann schon seit langer, langer Zeit. Und – was noch schlimmer ist: der eine oder andere "Praktiker" hegt an diesem Mantra rund ums "Smart Grid" mittlerweile echte Zweifel… was man ihm, im Grunde, nicht übel nehmen kann. Denn er ist es doch, der im direkten Kontakt zum Endkunden und Letztverbraucher steht. Blamieren will man sich da ja nicht unbedingt…

Was sagt nun Peter Kellendonk zu diesem ("desillusionierten" aber entscheidenden) Personenkreis, wenn es darum gehen soll, abertausende Wärmepumpenheizungen in Deutschland zu installieren. Wir erinnern uns: Diverse Forschergruppen gehen von rund vier bis acht Millionen verbauten Wärmepumpen bis zum Jahr 2030 und von rund acht bis 17 Millionen verbauten Wärmepumpen bis zum Jahr 2050 aus – wohlgemerkt: in Deutschland. Zum Vergleich: Stand heute verrichten rund eine Million Wärmepumpen (Statistik zu zentralen Wärmeerzeugern im Bestand) ihren Dienst in deutschen Heizungskellern.

"Der Wind dreht!", gibt Kellendonk kurz und knapp zu bedenken. Der Wind drehe in die Richtung, dass der Handlungsdruck nicht nur auf die "politischen Player" zunehme, sondern sich viele Bestrebungen (u.a. der herstellenden Industrie und der übergeordneten Verbände) mittlerweile auf ganz praktischem Niveau bewegen würden. "Ganz praktisch" macht "Mister Sektorkopplung" gleich zwei aktuelle Beispiele, die auch auf internationaler Ebene aufhorchen lassen: So hätten die EEBus Initiative und das Industrieforum VHPready e.V. (VHP = Virtual Heat and Power) Ende November 2018 ihre Zusammenarbeit verkündet. Mit den Vernetzungslösungen von EEBus und VHPready könnten dezentrale Energieerzeuger ihre Kapazitäten mit flexiblen Verbrauchern, wie etwa Heizungsanlagen oder Elektroautos, und mit dem Stromnetz direkt koordinieren.

Die von der EEBus Initiative entwickelten Spezifikationen regeln dabei die Kommunikation zwischen Erzeugungsanlagen, Verbrauchern und Speichern innerhalb von Gebäuden und am Übergabepunkt ins Verteilnetz. Der VHPready-Standard definiert die Integration dezentraler Erzeugungsanlagen, Speicher und Verbraucher in ein virtuelles Kraftwerk auf Übertragungsnetz-Ebene für Monitoring und Steuerung.

"Durch die Kooperation schaffen wir ein breites, branchenübergreifendes Netzwerk starker Unternehmen, das die gesamte Kette von PV-Anlagen und BHKW über E-Auto-Ladestationen und Wärmepumpen bis zu virtuellen Kraftwerken im »Smart Grid« abdeckt. Damit können wir die Vernetzung zwischen dem intelligenten Stromnetz und dem »Smart Home & Building« auf allen Ebenen beschreiben und standardisieren", unterstreicht Peter Kellendonk die Bedeutung dieses Schulterschlusses und fügt hinzu: "Über die Grenzen von Ländern und Branchen hinweg lässt sich auf diese Weise die variable regenerative Energieerzeugung mit flexiblen Verbrauchern koordinieren. VHPready ergänzt unsere EEBus-Spezifikationen dabei ideal im Bereich der dezentralen Erzeugung und der Verbindung ins »Smart Grid«." Des Weiteren bündele diese frisch geschmiedete Allianz mit den EEBus-Mitgliedern EnBW, E.ON und Innogy sowie dem VHPready-Initiator Vattenfall "ganz praktisch" große, essentielle Partner für die Energiewende.

"Vitamin B" ist einfach wichtig

Apropos "groß, größer, am größten": Auf EEBus (und damit indirekt die Heizungsindustrie) werden nun auch die "ganz großen Fische" der Software- und IT-Industrie aufmerksam. So ist jüngst im Rahmen der Fachmesse E-world energy & water 2019, Essen, Microsoft der EEBus Initiative beigetreten und arbeitet nun mit der KEO GmbH zusammen, um die Verfügbarkeit des EEBus-Standards auf "Azure Sphere"-Geräten sicherzustellen.

"Ohne starke internationale Plattformen und sichere Kommunikationstechnologien kann die Digitalisierung der Energieversorgung nicht gelingen. Mit »Azure Sphere«, seiner internationalen Reichweite und seinem partnerschaftlichen Ansatz, passt Microsoft perfekt in das EEBus-Ökosystem", freut sich Kellendonk. Microsoft-"Azure Sphere" ist eine Lösung für die Entwicklung hochsicherer, vernetzter Microcontroller-Geräte ("Micro Controller Unit" = "MCU"). "MCUs" steuern viele Geräte, wie zum Beispiel Heizungsanlagen und Weiße Ware. Die EEBus-kompatible Software auf "Azure Sphere" soll also eine universelle, sichere und vertrauenswürdige Grundlage für die Kommunikation zwischen vernetzten Energiemanagern, Heizungs- und Lüftungsanlagen, Batteriespeichern, E-Auto-Ladestationen und vielen weiteren Anwendungen bieten.

Jedoch: Peter Kellendonk belässt es im Gespräch mit dem HeizungsJournal nicht bei diesen beiden entwicklungsstrategischen Beispielen. Eine weitere brandaktuelle Anwendung sei die vernetzte Ladetechnik des neuen Audi-"e-tron". Dessen Ladesystem "connect" erlaube zusammen mit Energiemanagern (wie dem Hager-"Flow" oder dem "Data Manager M" mit dem Betriebssystem "EnnexOS" von SMA) ein koordiniertes, netzdienliches Laden. Über den Energiemanager könne das Ladesystem sowohl auf Tarifimpulse oder Lastvorgaben aus dem Verteilnetz als auch auf andere Verbraucher oder eine PV-Anlage im Haus reagieren.

Ein Parkplatz für E-Mobile mit zwei Fahrzeugen.
Quelle: Kiwigrid/Solarwatt
Ein Parkplatz für E-Mobile, der gleichzeitig Stromtankstelle ist und Fahrzeuge vollständig mit Sonnenenergie versorgt: Diesen Baustein für die Energie- und Verkehrswende haben EEBus-Mitglied Kiwigrid und Solarwatt mit dem Dresdner Elektrobildungs- und technologiezentrum e.V. (EBZ) umgesetzt.

Ein Audi-
Quelle: Audi
Für eine Vernetzung über Hersteller- und Branchengrenzen hinweg engagiert sich auch Audi in der EEBus Initiative. So ist der neue Audi-"e-tron" das erste E-Auto, dessen Ladetechnik den EEBus-Kommunikationsstandard nutzt.

Zusammenspielen und zusammen spielen

Ein sehr wichtiges Stichwort ist hier – immer wieder – die Netzdienlichkeit bzw. die netzdienliche Integration der Heiztechnik ("Millionen elektrische Wärmepumpen in deutschen Heizungskellern") und Elektromobilität ("Millionen E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen") in die lokale Stromversorgung. "Dabei spielen verschiedene technische Rahmenbedingungen eine Rolle, etwa Netzvorgaben zur maximalen elektrischen Anschlussleistung, die zukünftig variabel werden. Sprich: Der Netzbetreiber stellt in Zukunft eine geringe, garantierte elektrische Basisleistung sicher und garantiert darüber hinausgehende, flexible Zusatzleistungen dann tarif- oder lastabhängig. Damit kommen auf viele Hersteller neue Anforderungen an die Flexibilität des Energieverbrauchs ihrer Produkte zu. EEBus bietet dafür eine standardisierte und herstellerunabhängige Schnittstelle, die sich in jedes energierelevante Gerät und jede übergreifende Plattform, wie etwa Energiemanager oder »Smart Meter Gateways«, integrieren lässt", fasst Peter Kellendonk zusammen.

Ein beliebtes Anwendungsbeispiel davon sei das "verteilte Laden" von E-Autos: Abends, wenn viele Menschen ihr Auto an die "Wallbox" anschließen, müssten nicht alle Autos sofort mit voller Leistung laden. Stattdessen könnten Energie Management Systeme (EMS) im Haus sich mit dem Stromnetz "absprechen" und dementsprechend die Ladeleistung über die gesamte Nacht verteilen. Somit würde das vorhandene lokale Stromnetz besser genutzt, während der Netzausbau begrenzt werden könne. Die Kommunikation zwischen den Verbrauchern und dem Stromnetz übernehmen "Smart Meter" bzw. sogenannte intelligente Messsysteme (iMSys).

Grafik eines Hauses mit Energy Management System.
Quelle: EEBus
Die standardisierte EEBus-Kommunikation verbindet alle flexiblen und speicherfähigen Stromverbraucher über ein Energy Management System (EMS) mit dem Stromnetz und mit möglichen Erzeugungsanlagen im Haus. So lassen sich Verbraucher, wie Wärmepumpen- und Klimatechnik, integrieren, ohne die Leistungsgrenzwerte (Pmax) am Hausanschluss oder im Verteilnetz zu gefährden.

Wir halten also fest: Die häuslichen Technikräume werden (im besten Falle: alle) in Zukunft mit einem EMS und iMSys ausgestattet sein. Und EEBus bietet eine sichere und offene Schnittstelle zwischen dem EMS, iMSys und "Smart Grid". Damit kann der Energiemanager flexible Verbrauchs- oder Erzeugungskapazitäten gesammelt im Verteilnetz zur Verfügung stellen. So erscheint dann das Gebäude – oder eine Gruppe miteinander vernetzter Wohneinheiten, ein Quartier – im Netz als Einheit mit einem gewissen Maß an Flexibilität; die, je nach Lage und Tarifbedingungen, vorgegebenen elektrischen Grenzwerte des Netzbetreibers am Hausanschlusspunkt werden ein-gehalten.

"Im nächsten Schritt ließe sich das Stromnetz für den Energiemanager als eine Art Marktplatz darstellen – mit, je nach Tageszeit oder verfügbaren Kapazitäten, günstigen oder weniger günstigen Abnahmepreisen", spricht Peter Kellendonk eine weitere mögliche Spielart der EEBus-Kommunikation an.

Zwei Männer sitzen sich an einem Tisch gegenüber.
Quelle: R.Otter
Peter Kellendonk im Gespräch mit dem HeizungsJournal-Chefredakteur, Jörg Gamperling: "Aufklärerisch tätig" ist die EEBus Initiative auch in der Heizungsbranche – mit beachtlichem Erfolg. Der EEBus-Kommunikationsstandard im Bereich Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik wurde Anfang 2017 von allen großen Heizungsherstellern gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) verabschiedet. Zur ISH 2019 ist nun zudem ein entsprechendes Positionspapier des BDH erschienen, mit dem Titel "Smart Home Solutions und digitale Heizung: Energieeffizienz durch digitale Vernetzung". Hier ist EEBus explizit als Schnittstelle zu den Energie Management Systemen (EMS) im häuslichen Kontext genannt.

Ein Fazit

Sie sehen. Die Arbeit der EEBus Initiative, Kellendonks Arbeit, zieht weite, immer weitere Kreise – und nimmt fast schon missionarische Züge an. Respekt! Kann man da nur sagen. Denn die Arbeit ist im Detail äußerst komplex, damit später – im weiten Feld der Installation und für den Fachhandwerker – alles möglichst reibungsfrei über die Bühne geht. Also: Dann mal mutig ran an die berühmten Buletten, lieber TGA-Fachingenieur, lieber Heizungsbauer – bevor es jemand anderes tut…

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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