Erneuerbare Energien

Fit für heute, morgen und übermorgen

Wohnungsbaugesellschaft setzt auf innovative PVT-Wärmepumpenkollektoren

Donnerstag, 02.02.2023

Der amtliche Fahrplan der Bundesregierung sieht so aus, dass ab 2024 bei jeder neu eingebauten oder ausgetauschten Heizung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien zu nutzen sind. Das ist in den allermeisten Fällen durch den Einbau einer Wärmepumpe machbar. Die Defizite auf 100 Prozent kann unter anderem eine vorhandene Gastherme oder eine neue Gas-Hybridanlage decken.

Die PVT-Kollektoren auf den Dächern der vier Häuserzeilen bedienen mit Strom direkt die Wärmepumpe und mit Wärme die Quellenspeicher in der jeweiligen Technikzentrale der Gebäude. Darüber hinaus beheizen sie bei Überschussstrom über einen Heizstab die Quellenspeicher nach.
Quelle: Genath
Die PVT-Kollektoren auf den Dächern der vier Häuserzeilen bedienen mit Strom direkt die Wärmepumpe und mit Wärme die Quellenspeicher in der jeweiligen Technikzentrale der Gebäude. Darüber hinaus beheizen sie bei Überschussstrom über einen Heizstab die Quellenspeicher nach.

Die hessische Immobiliengesellschaft Nassauische Heimstätte wartete nicht erst bis zum Stichjahr. Sie passte mit der Hybridtechnik bereits jetzt ein Quartier in Frankfurt/M. an die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes an. Die HeizungsJournal-Redaktion war vor Ort.

„Wir erhalten und entwickeln unseren Wohnungsbestand nachhaltig.“ Diese Bekundung der Verantwortung für den Lebensraum ist, laut Porträt auf den Web-Seiten der Wohnungsbaugesellschaft, eine der Säulen ihrer Unternehmensethik. Die 100 Jahre alte Nassauische Heimstätte zählt mit ihren 60.000 Mietwohnungen in gut 120 Städten und Gemeinden in Hessen zu den führenden deutschen Immobilienunternehmen. Dass nachhaltiges Sanieren tatsächlich für sie mehr als lediglich ein notwendiges zeitgemäßes Versprechen in der Marketingarbeit ist, belegt eine Siedlung im Frankfurter Stadtteil Fechenheim. Dort ließen die Immobilienbetreiber in vier Gebäuden mit insgesamt rund 120 Wohnungen vier PVT-Wärmepumpen-Hybrid-Systeme installieren, die die erneuerbare Energie zum Heizen und zur Warmwasserbereitung liefern. Auch eine Kühlung wäre theoretisch mit dieser Ausführung realisierbar.

Die in Fechenheim erfasste Anlagenaufwandszahl von 0,5 beschreibt das ökologische Verhältnis von Aufwand an Primärenergie zur Nutzenergie des gesamten Anlagensystems zur Raumheizung, Be- und Entlüftung sowie der Trinkwassererwärmung – und damit zur CO2-Einsparung: Die dürfte je Block jährlich rund 40 t betragen, verglichen mit den früheren Durchlauferhitzern und Einzelöfen.

2020/2021 startete deren Austausch in den vier Gebäuden gegen eine Zentralheizung auf Basis eines „Duo-Hybrid“-Systems, das die Wärme und den Strom von den PVT-Modulen auf den einzelnen Dächern bezieht. Das heißt, jeder Block hat seine eigene Energiezentrale, die ihn mit Wärme, Strom und Brauch-warmwasser versorgt. Der Begriff „Duo-Hybrid“ umfasst einerseits ein hybrides PVT-Modul zur Strom- als auch zur thermischen Energieerzeugung auf dem Dach. Andererseits kommt im Heizraum die vorkonfigurierte Hybrideinheit „Duo Compact“ zum Einsatz, die aus einem Gas-Brennwertgerät mit bis zu 66 kW und einer Sole/Wasser-Wärmepumpe mit bis zu 25 kW Leistung besteht und auch kaskadierbar ist. Diese Gerätearchitektur hat sich Giersch aus dem sauerländischen Hemer patentieren lassen.

In jedem Gebäude stehen zwei „Duo-Hybrid“-Einheiten. Die Aufteilung der Energieversorgung in eine Zweier-Kaskade erleichtert die Einbringung und die Aufstellung im Bestand.
Quelle: Genath
In jedem Gebäude stehen zwei „Duo-Hybrid“-Einheiten. Die Aufteilung der Energieversorgung in eine Zweier-Kaskade erleichtert die Einbringung und die Aufstellung im Bestand.

80 Prozent Wärmepumpenbetrieb

Die Nassauische Heimstätte machte die Gebäude zuvor fit für den nachhaltigen Niedertemperaturbetrieb. „Vor der Installation der neuen Systeme stand die Vollmodernisierung der Wohnungen, sodass der jährliche spezifische Heizwärmebedarf heute nur noch gut 38 kWh/m2 beträgt“, geht Mathias Luck, Techniker in der Gesellschaft, auf den Punkt „Verbrauch“ ein – dreifach verglaste Fenster, ein Wärmedämmverbundsystem mit 16-cm-Dämmung, Isolierung der Kellerdecke und der obersten Geschossdecke. Anlagentechnisch ergänzt eine kontrollierte Wohnungslüftung die „Duo-Hybrid“-Einbauten. Die Heizungs-Vorlauftemperatur begrenzt sich damit auf maximal 55 °C. Die Wärmepumpen schaffen 65 °C, sodass sie auch die Trinkwassererwärmung mehrheitlich übernehmen können.

In jedem der vier Heizungskeller stellten die Anlagenbauer von der Brusius GmbH aus Kelkheim sowie die Karl-Heinz Lewalter GmbH aus dem hessischen Weinbach zwei Racks mit jeweils oben dem Brennwertgerät mit 46 kW und unten der CTC-Wärmepumpe mit 17 kW als Kaskade auf. CTC gehört wie Giersch zum Nibe-Konzern. Die einzelne Unit hat Besenschrankgröße. Sie lässt sich so problemlos im Altbau ein- und unterbringen. Damit stehen jedem Block 34 kW Wärmepumpen- und 92 kW Gas-Heizleistung zur Verfügung.

„Es stellte sich heraus“, zieht Dirk Wepner, Leiter Technischer Vertrieb bei Giersch, ein erstes Fazit nach einigen Monaten Betrieb, „dass wir diese hohe Leistung der Erdgasinstallation vermutlich gar nicht immer benötigen. Wir hatten ja vor allem an den hohen Warmwasserbedarf gedacht, aber der hält sich doch so in Grenzen, dass die Wärmepumpe ausreicht, auch im Sommer mehrheitlich den Heißwasserbedarf zu decken. Immerhin liefert die ja bis 65 °C Vorlauftemperatur.“

Frischwasserstationen und Heißwasserpuffer.
Quelle: Genath
Frischwasserstationen und Heißwasserpuffer.

Quellenspeicher als Zwischenlager

Der COP leidet nur in Maßen unter dieser Hochtemperatur. Denn die Wärmepumpe bezieht die Umweltenergie aus dem Quellenspeicher, den die PVT-Anlage aufheizt. Dessen Temperatur geht bis 20 °C hinauf, je nach Ertrag der PVT-Module. Die speisen selbst bei relativ niedrigen Außentemperaturen ein – und erhalten Unterstützung vom Elektroheizstab am Quellenspeicher: Bei jedem einzelnen dieser Wasserdepots setzt Giersch unten einen PV-Heizstab mit einer modulierenden Leistung bis 3 kW und einem Anschluss an die PV-Seite der Dachabsorber ein. Wenn die Wärmepumpe steht und die Sonne scheint, springt die elektrische Heizung an und schiebt das solare Angebot in die Behälter.

Laut Giersch bewegt sich der COP, je nach Temperatur des Inhalts und der Heizungsvorlauftemperatur, zwischen 4 bis hinauf zu 8,5. Wepner: „Das ist dokumentiert. »Duo-Hybrid« ist ein System für heute, morgen und übermorgen. Unsere Software ist so aufgestellt, dass wir alle Volumenströme erfassen können, alle Temperaturen, gleichgültig, ob vom Gasgerät, von der Wärmepumpe, vom Quellenspeicher, ferner die Solarerträge und anderes. Daraus errechnen wir die COPs und die Jahresarbeitszahlen. Das alles erledigt unsere »Giersch-Control«.“ Die Regelungstechnik der „Duo-Hybrid“-Heizungen konzipierte für Giersch die Firma MCC aus Kamen. MCC hat sich auf Systemtechniken spezialisiert, die vor allen Dingen im regenerativen Bereich sowohl für das Handwerk als auch für die Industrie Strom und Wärme intelligent koppeln.

Die Thermoweiche entkoppelt die Wärmepumpen- und Gas-Kaskade hydraulisch. Dies sorgt für eine bessere Schichtung in den Speichern.
Quelle: Genath
Die Thermoweiche entkoppelt die Wärmepumpen- und Gas-Kaskade hydraulisch. Dies sorgt für eine bessere Schichtung in den Speichern.

Regeneration selbst in der Nacht

Die einzelnen PVT-Module generieren jeweils bis zu 320 W Strom und bis zu 750 W Thermie. Die ersten drei Blöcke versorgen 72 Module und den letzten Wohnblock 90 Module. Die Dächer sind auf der Ost- wie auch auf der Westseite belegt. Geringe Verschattung durch Bäume im Quartier nimmt der Bauherr in Kauf. Der schöne Baumbestand sollte ohne Kürzung erhalten bleiben. Bei PVT-Kollektoren reduzieren sich ohnehin die Einbußen, weil die Module auch als Luftabsorber arbeiten.

Mit Zustimmung der Wohnungsbaugesellschaft betreibt Giersch die „Duo-Hybrid“-Systeme in der Bürgeler Straße in Fechenheim auch als Versuchsanlage. Ohne Glykol darf das Vorlaufwasser zur Wärmepumpe, das sie sich aus dem Quellenspeicher holt, nicht kälter als 10 °C sein. Die Wärmeübertrager in der Wärmepumpe könnten sonst bei bestimmten Betriebszuständen einfrieren. In einer der Gebäudezeilen zirkuliert dagegen Wasser mit Glykol zwischen Speicher und Wärmepumpe, sodass der Kreislauf bis in den Minusbereich hinuntergefahren werden darf.

Wie gesagt, die PVT-Module fungieren auch als Luftkollektoren. Sie laden sich somit selbst ohne direkte Sonneneinstrahlung auf, wenn es die Temperaturen zulassen: Bei einer Außentemperatur wenige Grad über null und einer Quellenspeichertemperatur um null findet ebenfalls über Nacht eine Regeneration der Puffer statt. Die Temperaturerhöhung verlängert die Laufzeit der Wärmepumpe, die Brennwertheizung hält sich also noch zurück. In Fechenheim vergleichen deshalb Giersch und die Nassauische Heimstätte die Betriebsergebnisse der 10-Grad-Gebäude mit der Null-Grad-Ausführung.

Die vier Quellenspeicher mit einem Inhalt von jeweils 800 l sind spezielle Kältespeicher – Kälte im Sinne von Niedertemperaturwärme. Unten ist jeweils ein PV-Heizstab integriert.
Quelle: Genath
Die vier Quellenspeicher mit einem Inhalt von jeweils 800 l sind spezielle Kältespeicher – Kälte im Sinne von Niedertemperaturwärme. Unten ist jeweils ein PV-Heizstab integriert.

Hydraulische Besonderheit

In jeder Heizzentrale stehen neben den vier Quellenspeichern noch drei Heiz-/Warmwasserpuffer. Die Platzverhältnisse erzwangen diese Aufteilung der Volumina. Für die Hydraulik der Heizungspuffer ließ sich Giersch eine besondere Schaltung einfallen, um die Wärmepumpe auf maximale Laufzeit zu bringen. Das verlangt, dass sie jederzeit auch Niedertemperatur einspeisen kann, mithin die Wärme im Puffer sauber geschichtet ist.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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