Wärme

Expertenkommission der Regierung empfiehlt CO2-Bepreisung

55 oder 286 Euro für 10.000 kWh Erdgas?

Mittwoch, 21.03.2018

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die Energiegesetze bauen auf der europäischen EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) auf. Die Richtlinie stammt aus dem Jahr 2010 und hat eine Gültigkeit bis 2020. Für die nächste Dekade ist eine Novellierung geplant. Die Vorschläge für die Neufassung werden derzeit national wie europäisch gesichtet und diskutiert. Was kann da auf die TGA-Branche zukommen, woran denken die deutschen Vertreter in den Gremien und die Regierungsberater? Der folgende Beitrag gibt einen Überblick.

Eine Euromünze liegt auf einer Gasflamme.
Quelle: artfocus / https://de.fotolia.com/
Eine Expertenkommission der Regierung befürwortet die Einführung einer allgemeinen CO2-Bepreisung unter Einbeziehung möglichst aller Emissionsquellen, Technologien und Sektoren.

Zunächst etwas zum europäischen Vorschriftenverfahren, um die aktuellen Nachrichten zur Novellierung der Energieeffizienz von Gebäuden richtig zu bewerten. Die EU verabschiedet zwei Arten von Gesetzen: Richtlinien und Verordnungen. Die Richtlinien als Rahmengesetze stellen eine politische Forderung an die Gemeinschaft und müssen von den nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Verordnungen wirken schneller. Sie gelten sofort und unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten.

Als Beispiel für eine Verordnung sei die Nummer 1677/88/EWG genannt, nach der Gurken der Handelsklasse "Extra" maximal eine Krümmung von 10 mm auf 10 cm Länge aufweisen durften. Dieses Maß hatte sofort rechtlich bindenden Charakter in allen Staaten der Gemeinschaft. Die Brüsseler Bürokratie gab damit mehr den Kabarettisten eine Steilvorlage als den Gurkenbauern. Die Verordnung galt während ihrer 20-jährigen Geltungsdauer als typischer Beleg für den EU-Regelungswahn.

Als Beispiel für akzeptable europäische Richtlinienarbeit steht die Energieeffizienz-Richtlinie für Gebäude (EED). Wie gesagt, im Gegensatz zu Verordnungen, die sofort und unmittelbar Gültigkeit erhalten, sind Richtlinien an die einzelnen Regierungen adressiert mit der Aufforderung, entsprechende nationale Gesetze oder Verordnungen zu erlassen. Jede Richtlinie nennt dafür einen Zeitrahmen.

Der betrug für die 2010er-Fassung der EPBD zwei Jahre, bezogen auf die Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt. Diese Spanne dürfte Brüssel den Ländern auch in der Novelle 2020 einräumen, sollte tatsächlich 2020 die Überarbeitung vorliegen. Die Veröffentlichung kann sich auch bis 2021 oder 2022 hinziehen.

Und ebenfalls ist nicht gesagt, dass sich die innerstaatlichen Verordnungsgeber konsequent an die Zweijahresfrist halten werden. Die Vergangenheit lehrte anderes. Andererseits erhalten europäische Richtlinien auch vor Ablauf der Umsetzungsfrist dann Rechtswirkung, wenn nationale Rechtsnormen ausdrücklich nichts anderes sagen. Spielräume sind dann im Sinne des Europarechts zu interpretieren.

Nichts ist beschlossen!

Die Gesetzgebung in der EU ist Aufgabe der drei europäischen Organe Kommission, Parlament und Ministerrat. Die Vorschläge macht die EU-Kommission. Sie legt ihre Anregung dem Parlament und dem Ministerrat zur Abstimmung vor.

Als Umwelt- und Energieziel für 2020 hatte sie in der 2010er-Fassung der EPBD drei Teilziele formuliert, nämlich gegenüber 1990 die klimaschädlichen Gase um 20 Prozent zu reduzieren, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamt-Energieverbrauch auf 20 Prozent zu steigern und um ebenfalls 20 Prozent die Energieeffizienz von Energie verbrauchenden Systemen anzuheben.

Solche Vorschläge fließen dann in die Richtlinienarbeit ein. Der Kommission wiederum arbeiten verschiedene Ausschüsse mit Vertretern aus den Mitgliedsländern zu. Die eigentliche Verabschiedung eines Gesetzes (Richtlinie, Vorschrift) nehmen aber allein das Parlament und der Ministerrat gleichberechtigt vor. Nur diese beiden Instanzen haben das Gesetzgebungsmandat – ähnlich wie in Deutschland zu vielen Gesetzen die Zustimmung sowohl vom Bundesrat als auch vom Bundestag vorliegen muss.

Das heißt – und deshalb dieser Ausflug in die Brüsseler Gesetzgebung –, weder die Verabschiedung eines Papiers zur EPBD, wie derzeit immer wieder zu lesen, durch einen EU-Ausschuss, durch eine andere Instanz innerhalb der EU oder selbst durch die Kommission sagt Konkretes darüber aus, was nachher tatsächlich in der Richtlinie verankert sein wird.

Im Ministerrat und im Parlament sitzen die verschiedenen Parteien und die Mitgliedsländer. Sie haben bekanntermaßen unterschiedliche Ansichten über den richtigen Weg zum "Wohl des Volkes". Alle Passagen in den momentanen Entwürfen und Papieren zur EPBD sind nicht mehr als eine Option.

Was ist im Gespräch?

Und so sehen einige Vorschläge zur Novelle der Europäischen Gebäuderichtlinie EPBD aus:

  • "Effizienz zuerst" ist das Leitmotiv der europäischen Gesetz­geber in der EPBD. Eingeschlossen ist die Absicht, Instrumente und Wege zu finden, die Renovierung bestehender Gebäude zu beschleunigen.

  • Der Begriff "Technische Gebäudeausrüstung" wird zukünftig auch Ladestationen für alternative Kraftstoffe und Elektrofahrzeuge enthalten. Im Gespräch sind für neue und umfangreiche Nichtwohngebäude je zehn Parkplätze ein Ladepunkt für alternative Kraftstoffe.

  • Einrichtung einer nationalen Datenbank, unter anderem zur Dokumentation der Gesamt-Energieeffizienz von neuen und sanierten Gebäuden, sowohl zur Ausstellung als auch zur Überprüfung der Aussagen von Energie- Effizienzausweisen.

  • Intelligenzindikator als neues Kennzeichen für Gebäude. Dieser Indikator geht in Richtung "Smart Home" und "Smart Building". Er soll potentiell neuen Mietern und Käufern Informationen zur Intelligenz der installierten Gebäudetechnik geben. Inwieweit ist sie bereits digitalisiert (Internet der Dinge, IoT), fernregel- und fernsteuerbar? Oder anders ausgedrückt: Kann ich beim Abflug in Mallorca per App die Heizung einschalten? Bestehen Möglichkeiten zum Lastmanagement im Falle von angebotenen, variablen Tarifen? und Ähnliches.

  • Inspektion der Anlagentechnik in Wohn- und Nichtwohngebäuden. In Nichtwohngebäuden mit einem jährlichen Primär-Energieverbrauch von mehr als 250 MWh: Kontrolle der Gebäudeheizung, der Steuerungssysteme, Pumpen, Klimaanlagen usw. Das Gleiche in Wohngebäuden mit einer kumulierten Nennleistung von mehr als 100 kW.

  • Nachrüstung mit Gebäudeautomation: Die Mitgliedsstaaten können als Alternative zur Inspektion von TGA-Anlagen in Nichtwohngebäuden mit mehr als 250 MWh Verbrauch pro Jahr auch Anforderungen zur Nachrüstung mit Systemen für die Gebäudeautomation stellen.

  • Wärmemengenzähler: Um die Transparenz der real erbrachten Einsparungen für Verbraucher zu erhöhen, sollen neue Wärmeerzeuger vom Hersteller mit Wärmemengenzählern ausgestattet werden. Das gilt auch für Kleinanlagen in Ein- und Zweifamilienhäusern.

Einige der Mängel

Strittig im Entwurf sind unter anderem:

  • die Definition klimaneutraler Gebäude ausschließlich über die Menge von direktem CO2-Ausstoß des Objekts. Demnach käme ein Haus mit einer elektrischen Heizung, die den Strom aus einem Braunkohle-Kraftwerk bezieht, mit A++ davon. Vielmehr sollten, wie bisher, die Gebäudehülle und das Heizsystem für die energetische Bewertung herangezogen werden.
  • Das "Niedrigst-Energiegebäude" muss ebenfalls noch präzise definiert werden und sollte zwingend sowohl die Gebäudehülle als auch das Heizsystem berücksichtigen.
  • Es fehlen eine Definition sowie die Bestimmungen für den Intelligenzindikator.

Zweifel aus Berlin

Der Deutsche Bundesrat hat sich in seiner 954. Sitzung in 2017 gegen die nationale Datenbank mit Informationen zur Energieeffizienz der installierten Komponenten ausgesprochen. Diese Bewertung stelle einen erheblichen Aufwand dar und stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen. Ähnliche Zweifel hat er am Wert des Intelligenzindikators und zur geplanten Option "Gebäudeautomation statt Inspektion". Er erwartet von der Bundesregierung, diesen Absätzen nicht zuzustimmen. Er erhebt noch gegen weitere Punkte der Rohfassung, eine Art Referentenentwurf, Einspruch. Die muss unter Umständen durch drei Lesungen (an dieser Stelle soll nicht näher darauf eingegangen werden).

Aber: Deutschland selbst darf natürlich mehr tun. Zum Beispiel, wie im nationalen Klimaplan verankert, eine Klimagas-Reduktion bis 2020 von 40 Prozent anstreben. Wie dieses "Mehr" zugunsten der eingeleiteten Energiewende aussehen und wie die Schwerpunkte verteilt sein sollten, dazu befragt die Bundesregierung externe Berater.

Eines der wichtigsten Gremien und eigens dazu eingerichtet ist die "Expertenkommission Energie". Sie setzt sich aus vier renommierten Energieexperten zusammen. Den Vorsitz hat Prof. Dr. Andreas Löschel, an der Uni Münster Inhaber des Lehrstuhls für Energie- und Ressourcen-Ökonomik. Ferner gehören dem Gremium Prof. Dr. Georg Erdmann, Fachgebiet Energiesysteme der TU Berlin, Prof. Dr. Frithjof Staiß, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung, sowie Dr. Hans-Joachim Ziesing von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen an.

Sie beobachten im Auftrag Berlins im Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft" die Entwicklung der Energiewende. Was ist in Bezug auf die Ziele bisher erreicht? Wo besteht Handlungsbedarf? Welche Wirkungen entfalten die einzelnen Maßnahmen?

Nur begrenzte Wirkung

Die Expertenkommission liefert einen jährlichen Sachstandsbericht an das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das die Federführung im Monitoring hat. Ihr Kommentar zu standortwichtigen Handlungsfeldern der Energiewende gibt Empfehlungen zur Weiterentwicklung dieses Prozesses und enthält einen faktenbasierten Überblick zum momentanen Stand der Umsetzung.

Und zwar mithilfe einer Energiewende-Ampel. Die Farben rot, grün und gelb geben an, ob die Zielerreichung zum Jahr 2020 wahrscheinlich (grün) oder unwahrscheinlich (rot) ist. Bei gelb eingefärbten Indikatoren zeichnet sich noch keine eindeutige Tendenz ab: Vielleicht schaffen wir es noch bis 2020, vielleicht aber auch nicht.

Die Energiewende-Ampel.
Quelle: Expertenkommission
Energiewende-Ampel: Was wird von den ehedem gesteckten Zielen für 2020 erreicht?

Die Expertenkommission Energie kommentiert ihre Ampel, die im Oktober 2017 sozusagen für Berlin eingeschaltet wurde, so: "Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren bereits eine Vielzahl von wichtigen Aktivitäten zum Klimaschutz umgesetzt. Die Wirkungen der einzelnen Instrumente und Maßnahmen blieben bisher aber begrenzt. So dürfte das zentrale politische Ziel des Energiekonzepts, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 hierzulande um 40 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich verfehlt werden.

Zwar konnten die Emissionen bis 2016 um nahezu 28 Prozent gegenüber 1990 auf rund 906 Mio. t CO2-äquivalent reduziert werden. Allerdings stagnieren sie seit 2009. Für das Jahr 2017 ist sogar eine Zunahme zu erwarten. Die Lücke bis zum Zielwert für 2020 würde damit für die drei Jahre, von 2018 bis 2020, eine jährliche Emissionsreduktion um rund 50 Mio. t CO2-äquivalent erfordern. Vergleicht man dies mit Vergangenheitswerten, so muss sich das Tempo der Emissionsminderung gegenüber der Periode von 1990 bis 2016 mehr als vervierfachen."

Das Diagramm zeigt eine mögliche Reduktion der Treibhausgasemissionen zwischen 2018 und 2030.
Quelle: Expertenkommission
So sieht es mit der Reduktion der Treibhausgasemissionen aus. Das 99-Prozent-Prognoseintervall sagt nichts anderes, dass mit der Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent sich zwischen diesen beiden Linien die Reduktion bewegen wird.

Nicht mit der Gießkanne

Um wenigstens einen Teil der Ziele 2020 zu erreichen und die Glaubwürdigkeit der Klimaschutzpolitik zu erhalten, sollte die neue Bundesregierung "eine offene und mit Ziel entsprechend realisierbaren Maßnahmen unterlegte Perspektive formulieren. Dazu gehört auch eine Ursachenanalyse der absehbaren Verfehlungen einzelner Energiewende-Komponenten".

Die Grafik zeigt einen möglichen Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch in den Jahren 2008-2030.
Quelle: Expertenkommission
Im grünen Bereich: der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch inklusive Eigenverbrauch für die Strom- und Wärmeerzeugung (Kraftwerke) sowie Transport und Leitungsverluste (sogenannter Brutto-Energieverbrauch).

Unter anderem sei eine sorgfältige Untersuchung der endogenen Ursachen des Misserfolgs von Nöten. Unter endogenen Ursachen versteht die Kommission die von der Gesellschaft zu verantwortenden negativen Einflüsse auf den Energiewendeprozess. Dabei gehe es insbesondere um den Aspekt, wieso es trotz grundsätzlich breiter gesellschaftlicher Zustimmung bisher nicht gelungen sei, wesentlich weiter vorangekommen zu sein.

Die Grafik zeigt die Zielsetzung der Reduktion des Wärmebedarfs im Gebäudesektor im Energiekonzept 2010.
Quelle: Expertenkommission
Unsicher: Reduktion des Wärmebedarfs im Gebäudesektor (Industrie/Dienstleistung/Gewerbe, Haushalte). Die Zielsetzung im Energiekonzept 2010 sieht hier eine Reduktion von 20 Prozent gegenüber 2008 bis 2020 vor.

Die Expertenkommission bemängelt beispielsweise das Fehlen zusätzlicher Instrumente zur Kompensation der Treibhausgaswirkungen des Kernenergieausstiegs. In dem Maße, in dem die CO2-neutrale Stromerzeugung aus Kernelementen abgeschaltet wurde, mussten fossile Kraftwerke zugeschaltet werden.

Die Grafik zeigt den Anteil der Energieausgaben privater Haushalte (ohne Kraftstoffe) an ihren Gesamtkonsumausgaben.
Quelle: Expertenkommission
Anteil der Energieausgaben privater Haushalte (ohne Kraftstoffe) an ihren Gesamtkonsumausgaben.

Darüber hinaus sei die zunehmende Kleinteiligkeit der ergriffenen Maßnahmen alles andere als zielführend. Die Kommission fordert die zukünftige Regierung auf, die Hemmnisse differenzierter zu analysieren, um sie besser zu verstehen, "um auf der Basis der daraus gewonnenen Erkenntnisse zu besseren Politikansätzen zu gelangen."

Die Grafik zeigt die von der Expertenkommission gewünschte Erhöhung des Anteils  Erneuerbarer Energien am Wärmeverbrauch.
Quelle: Expertenkommission
Erhöhung des Anteils "Erneuerbarer" am Wärmeverbrauch (Raumwärme, Warmwasser, Prozesswärme, Klimakälte und Prozesskälte). Ziel nach EEWärmeG 2008: 14 Prozent bis 2020. Status quo 2016: 13 Prozent.

Und sie sagt klar und hat dabei auch den Wärmemarkt im Blick: "Wenn es im Rahmen dieser Analyse zu einer geringeren Anzahl an Förderinstrumenten und zu einer Konzentration auf einige wenige, dafür aber wirksamere Programme käme, wäre das kein Nachteil."

Die Grafik zeigt die durchschnittliche Endenergieproduktivität pro Jahr.
Quelle: Expertenkommission
Durchschnittliche Endenergieproduktivität pro Jahr, definiert als reales Bruttoinlandsprodukt geteilt durch Endenergieverbrauch. Je höher der Quotient, desto größer die Endenergieproduktivität.

CO2-Bepreisung als Koordinierungsinstrument

Den Emissionshandel befürworten die Wissenschaftler. Sie halten ihn aber für halbherzig, da er lediglich nur etwa die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland betrifft. Deshalb raten sie dem Parlament die Einführung einer allgemeinen CO2-Bepreisung unter Einbeziehung möglichst aller Emissionsquellen, Technologien und Sektoren. Damit sprechen sie unter anderem Heizöl und Erdgas an.

"Mit einer solchen Preismaßnahme würden sich die gegenwärtig erkennbaren Zielverfehlungen erheblich reduzieren. Sie verbessern zudem die Wettbewerbsposition von erneuerbaren gegenüber den fossilen Energien." Als Ausgleich dafür sollten für den Verbraucher die ökologisch ineffiziente Steuer und weitere elektrizitätsbezogene Umlagen und Abgaben gestrichen werden. "Eine umfassende CO2-Bepreisung als zentrales Koordinierungsinstrument muss also keine äquivalente Mehrbelastung der Letztverbraucher bedeuten, denn dem höheren CO2-Preis steht eine Reihe von Kostenvorteilen gegenüber."

Wie hoch könnte der Ausgleich sein? Eine Vorlage liefert die Schweiz – die praktiziert dieses Verfahren bereits. Das Alpenland erhebt die CO2-Abgabe auf alle fossilen Brennstoffe, also Heizöl, Erdgas, Kohle. 2016 betrug sie 84 Franken pro 1 t CO2 und wird auf den Rechnungen für Brennstoffkäufe ausgewiesen.

Ein Beispiel: Erdgas emittiert rund 200 g CO2 je 1 kWh. Bei einem Kesselwirkungsgrad von 90 Prozent wären das etwa 220 g. Ein schlecht gedämmtes Einfamilienhaus mit rund 150 m2 Wohnfläche verbraucht etwa 30.000 kWh pro Jahr. Das sind 6,6 t CO2 oder 555 Schweizer Franken (475 Euro). Bei einem wärmegedämmten Neubau gleicher Größe mit 10.000 kWh pro Jahr reduziert sich dieser Betrag auf 180 Franken oder 165 Euro. Einkommensschwächere Haushalte erhalten eine teilweise Rückerstattung.

Nach Meinung vieler Experten würde in Deutschland ein CO2-Preis von 25 Euro je 1 t CO2 eine Lenkungswirkung und Vorzieheffekte zugunsten klimafreundlicher Energieträger bewirken. Die Schweiz hatte übrigens mit zwölf Franken angefangen und die Abgabe jedes Jahr erhöht. Auf der Klimakonferenz in Bonn im November 2017 hatte man die Tonne CO2 mit 130 Euro bewertet, zusammengesetzt aus 60 Euro direkte Schäden und 70 Euro Folgeschäden.

Der Bericht der Expertenkommission an das Bundeswirtschaftsministerium betont des Weiteren: "Darüber hinaus ist auch in regulatorischer Hinsicht eine beträchtliche Vereinfachung und Verschlankung der aktuell hochkomplexen Fördermechanismen erreichbar, wenn im Gegenzug zur umfassenden CO2-Bepreisung andere klimapolitische Instrumente auf den Prüfstand gestellt und eventuell abgeschafft werden."

Effizienz im Kopf statt "Effizienz zuerst"

Mit dem "Grünbuch Energieeffizienz" vom Sommer 2016 hat die Bundesregierung das Prinzip "Efficiency First" als Leitgedanken vorgeschlagen. Zwar begrüßt die Expertenkommission den proklamierten höheren Stellenwert der Energieeffizienz, doch warnt sie davor, das Prinzip "Efficiency First" als einen generellen Vorrang der Energieeffizienz vor dem Ausbau der Erneuerbaren zu interpretieren und plädiert für einen breiteren Ansatz: Nicht alle technisch möglichen Effizienzoptionen seien als sinnvoll einzustufen.

Vielmehr müssten auch systemtechnische, ökonomische, ökologische und soziale Kriterien Beachtung finden: "Beispielsweise ist jede Speicherung von Energie mit energetischen Verlusten verbunden und somit aus Effizienzsicht nachteilig, doch kann der Ausbau der Energiespeicherung sinnvoll sein, um höhere erneuerbare Stromanteile in die Elektrizitätsversorgung zu integrieren."

Wenn ein griffiges englischsprachiges Schlagwort für erforderlich gehalten werde, möge man daher besser von "Think Efficiency" anstatt "Efficiency First" sprechen.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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