Wärme

Erdgasnetz in Deutschland: Wasserstoffbeimischungen bis zu zehn Volumen-Prozent sind möglich

DVGW-Studie kommt zu eindeutigem Ergebnis für das Erdgasnetz

Mittwoch, 06.07.2016

Wieviel beigemischten Wasserstoff kann das deutsche Erdgasnetz aufnehmen? Zu dieser wichtigen Frage beauftragte der DVGW verschiedene Studien. Sie untersuchten die Auswirkungen einer solchen H2-Zumischung auf das Erdgasnetz und die angeschlossenen Gasgeräte und -armaturen. Unser Artikel bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der Studien über die Auswirkungen der H2-Beimischung auf das Erdgasnetz.

Studie des DVWG: Erdgasnetz kann bis zu zehn Volumenprozent problemlos aufnehmen

Aufgrund seiner Kapazität ist das 500.000 Kilometer lange Erdgasnetz in Deutschland gut für die Aufnahme und Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom geeignet. Der Wasserstofftoleranz des deutschen Erdgasnetzes kommt damit eine entscheidende Bedeutung für die Einbindung von Ökostrom ins Gasnetz zu.

Vor diesem Hintergrund kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass die bestehende Erdgasinfrastruktur für Wasserstoffbeimischungen im einstelligen Prozentbereich von bis zu zehn Volumen-Prozent grundsätzlich geeignet ist.

In diesem in Deutschland und Europa bisher einzigartigen, von E.ON und dem DVGW verantworteten Projekt wurden dem Erdgas in einem Erdgasverteilnetz der Schleswig-Holstein Netz AG mit seiner bestehenden Infrastruktur und Gerätetechnik über mehrere Monate steigende Anteile an Wasserstoff zugemischt.

Bislang waren direkte Einspeisungen in das Erdgasnetz mit unveränderter Gerätetechnik nur bis zwei Volumen-Prozent Wasserstoff erforscht worden.

Weiterer Forschungsbedarf besteht dennoch

Gebläsebrenner
Quelle: Autor
Gebläsebrennern im Bestand: ob H2-Zumischung ins Ergasnetz möglich ist wird noch untersucht

Das DVGW-Forschungsprojekt "Ermittlung der Wasserstofftoleranz der Erdgasinfrastruktur und aller assoziierten Anlagen" überprüfte das Erdgasnetz vor und während der Einspeisung ohne feststellbare Auffälligkeiten.

Die Einspeisung erfolgte bei deutlich fluktuierender Erdgasabnahme in mehreren Stufen von 4, 5, 6 und 9 Volumen-Prozent Wasserstoffbeimischung.

Die Ergebnisse dieser Einspeisung ins Erdgasnetz waren eindeutig: Die Gesamtheit der Kohlenstoffmonoxid-Messergebnisse blieb praktisch unverändert und liegt in dem Bereich, der auch durch die Schornsteinfegerstatistik der letzten Jahre ausgewiesen wird.

Im Ergebnis brachten die umfassenden Feld- und Laboruntersuchungen keine Hinweise für Einschränkungen der zulässigen Grenzen für die Wasserstoffeinspeisung, die in den DVGW-Arbeitsblättern G 260 und G 262 geregelt sind.

Gleichwohl gebe es noch Forschungsbedarf hinsichtlich einiger zentraler Elemente, wie etwa Erdgasspeicher, Gasturbinen und der Tanks von Erdgasfahrzeugen, so die Studie. Vertiefte Untersuchungen und wissenschaftliche Begleitforschungen sind derzeit Gegenstand von Folgeprojekten im Rahmen der DVGW-Forschung, um die noch offenen Fragen zu klären.

Was reagiert wie auf die Einleitung des H2 ins Erdgasnetz?

Durch begleitende Messungen an zahlreichen Kundenanlagen konnte die Wasserstoffkonzentration und Abgaszusammensetzung am jeweiligen Gasgerät erfasst werden. Neben den Messungen wurden auch Rückmeldungen von Kunden beziehungsweise Handwerkern in der Analyse des Feldtests berücksichtigt.

Alles in allem ergibt sich damit ein guter Überblick darüber, was die H2-Einspeisung für das deutsche Erdgasnetz und die angeschlossenen Anlagen bewirkt.

Hausinstallationen: Zumischung im Erdgasnetz wohl problemlos möglich

Gasströmungswächter in Hausanschlussleitungen reagieren auf einen zusätzlichen Volumenstrom, der entsteht, wenn etwa die Gasleitung durch Beschädigung von einem höheren Durchfluss durchströmt wird als vom Auslegungsvolumenstrom (Nenndurchfluss).

Eine Zumischung von H2 hat zur Folge, dass sich die Strömungseigenschaften des Grundgases ändern.

Bei einer Zumischung von 10 Vol.-% H2 ins Erdgasnetz erhöht sich der Volumenstrom bei gleicher Energieliefermenge um etwa zehn Prozent. Demzufolge wird der Gasströmungswächter sensibler reagieren, vorausgesetzt, dieser ist im Betriebszustand auf den Nenndurchfluss eingestellt.

Nach theoretischen Berechnungen ist jedoch keine Beeinflussung auf die Sicherheit von Gasströmungswächtern zu erwarten.

Es besteht dennoch Untersuchungsbedarf bei Gasströmungswächtern in den Bereichen Schließvolumenstrom, absicherbare Länge und Überströmmenge, doch grundlegend kann bei einer anvisierten H2-Konzentration von 10 Vol.-% im Erdgasnetz von einer Toleranz bei Armaturen und Hausinstallationen ausgegangen werden.

BHKW: Technisch ist Zumischung kein Problem

Eine Zumischung von 10 Vol.-% H2 zum Brenngas wird für BHKW im Bestand als technisch problemlos beherrschbar eingeschätzt.

Im Einzelfall ist die Eignung der Geräte (Spezifikationen) unter Berücksichtigung der verteilten Grundgase (Erdgas) zu prüfen.

Hieraus kann Bedarf für technische Anpassungen (z. B. Motormanagement) oder eine Einschränkung der maximal zulässigen H2-Konzentration (z. B. bei sehr hoher Anzahl installierter sensibler BHKW) resultieren.

Die Hersteller sind gefordert, in Zukunft noch flexiblere Motoren zu entwickeln, was auch für die erwarteten H2-unabhängigen Schwankungen der Gaszusammensetzung erforderlich ist.

Atmosphärische Brenner: Zumischung ins Erdgasnetz wahrscheinlich ohne Anpassung möglich

Im GERG-Projekt "Domhydro" (GERG Europäische Vereinigung von Gasforschungsinstituten) sowie im E.ON-Projekt "Hygrid" laufen derzeit Praxistests zu Auswirkungen von Erdgas-H2-Gemischen hinsichtlich Leistung, Emissionen und Sicherheit.

Erst nach Abschluss der Projekte liegt ein belastbarer Wissensstand vor. Wahrscheinlich können aber nach derzeitigen Erkenntnissen atmosphärische Brenner bis 10 Vol.-% H2 ohne Anpassungsmaßnahmen eingesetzt werden.

Gebläsebrenner: Voraussichtlich ist das Zumischen ins Erdgasnetz hier durchführbar

Hersteller von Gasendgeräten im Haushaltsbereich müssen sicherstellen, dass alle in Verkehr gebrachten Geräte einen sicheren Betrieb mit Gasen nach DVGW-Arbeitsblatt G 260 gewährleisten (Gasgeräterichtlinie).

Entsprechend der DIN EN 437 ist für die Gruppe Erdgas H ein Prüfgas (G 222) mit einem H2-Anteil von 23 Vol.-% vorgeschrieben. Dieser Test mit dem Prüfgas G 222 ist allerdings normativ als Kurzzeittest konzipiert (zur Überprüfung der Rückschlagneigung von Gasbrennern). Er lässt keine direkten Aussagen zur Langzeiteignung der Geräte für H2-reiche Gase zu.

Im häuslichen Bereich sind deshalb für diese Gerätetechnik die Zumischgrenzen noch in der Praxis zu bestätigen. Ein Anteil von 10 Vol.-% H2 kann jedoch voraussichtlich ohne technische Anpassungen erreicht werden.

Im industriellen Bereich müssen Gasgeräte der Industriekunden und die Anwendungsprozesse erfasst sowie die möglichen Auswirkungen von H2 auf die Brennereinstellungspunkte (Emission, Wirkungsgrad) analysiert werden.

Praxisuntersuchungen für konkrete Anwendungsmodelle sind in diesen Bereichen notwendig. Bei Zumischkonzentrationen ab 10 Vol.-% H2 ins Erdgasnetz sollte ein Feldtest mit hoher Geräteanzahl und Variation durchgeführt werden.

Stirlingmotoren (Mikro-BHKW): Weitere Entwicklungen sind nötig um problemlose Beimischung ins Erdgasnetz zu gewährleisten

Derzeit sind vier Stirlingmotoren verschiedener Hersteller auf dem Markt verfügbar, allerdings mit sehr geringer Marktdurchdringung (Feldtestphase).

Bei brenntechnischen Untersuchungen mit Methan (CH4) nach DVGW-Arbeitsblatt G 20 (100% CH4) und G 222 (23 Vol.-% H2) traten Funktionsstörungen beziehungsweise Wirkungsgradreduzierungen auf.

Die Entwicklung sollte dahin gehen, dass Mikro-BHKW auf Basis von Stirlingmotoren zukünftig eine höhere Toleranz gegenüber H2 erreichen. Aufgrund des Prinzips der äußeren Verbrennung müssten Stirlingmotoren unempfindlicher auf wechselnde Gasbeschaffenheiten reagieren als etwa Otto- und Dieselmotoren mit innerer Verbrennung.

Dann wäre auch hier die H2-Beimischung im Erdgasnetz problemlos möglich.

Materialverträglichkeiten beim Zumischen von H2

Themenübergreifend müssen alle in der Erdgasinfrastruktur eingesetzten Metalle und Kunststoffe (vorwiegend bei den eingesetzten Armaturen und Geräten) eine H2-Verträglichkeit vorweisen. Hinsichtlich einer anvisierten H2-Konzentration von 10 Vol.-% im Erdgasnetz besteht in diesem Zusammenhang nach aktuellem Kenntnisstand kein Handlungsbedarf.

Gasbeschaffenheit/Abrechnung bei der H2-Zumischung ins Erdgasnetz

Der Brennwert von Erdgas liegt pro Kubikmeter drei- bis viermal höher als der von Wasserstoff. Auf der anderen Seite beträgt die Dichte von Erdgas im Mittel 0,7 kg/m3, die von H2 nur rund 0,08 kg/m3.

Der Brennwert von Wasserstoff pro Kilogramm ist damit grob um den Faktor 3 höher als der von Erdgas. Das heißt, der Wobbe-Index als Maßeinheit für die regionale Erdgasqualität, auf den die Gasgeräte seitens der Hersteller eingestellt werden, verändert sich mit einigen Prozent Wasserstoff im Brenngas nur in einem relativ schmalen Bereich, da die entsprechende Formel den Heizwert mit der Dichte ins Verhältnis setzt.

Der Wobbe-Index eines Erdgas-Wasserstoff-Gemisches
Quelle: Autor
Der Wobbe-Index eines Erdgas-Wasserstoff-Gemisches

Im DVGW-Projekt G3-02-12 "Einfluss von Wasserstoff auf die Energiemessung und Abrechnung" wird unter anderem dieses Thema behandelt.

Neu entwickelte Prozessgaschromatographen (PGC) können im Erdgas Wasserstoff detektieren und eine Software lässt bei der Abrechnung die Umrechnung auf den Gesamtbrennwert zu.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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