Wärme

Die Energiewende treibt die Heizungsbranche

Interview mit Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland

Mittwoch, 06.03.2019

Ob Liberalisierung, Internet, Digitalisierung oder Energiewende – die Heizungsbranche hat in den vergangenen 20 Jahren eine bewegte Entwicklung gemacht.

Im Zuge dessen hat beispielsweise Vaillant das Unternehmen konsequent auf die sich ändernden Anforderungen ausgerichtet, wie Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer von Vaillant Deutschland, im Interview mit dem HeizungsJournal berichtet. "Es geht nicht mehr nur darum, unbedingt in vielen Segmenten mit dabei zu sein, sondern in den wesentlichen Segmenten die Zukunft zu gestalten." So wurden ehemalige Zukunftsprojekte eingestellt. Die strategischen Schwerpunkte liegen nun auf der Gas-Brennwerttechnik und der Stromwärmepumpe.

Der Sitz von Vaillant in Remscheid.
Quelle: Vaillant
Ob Liberalisierung, Internet, Digitalisierung oder Energiewende – die Heizungsbranche hat in den vergangenen zwanzig Jahren eine bewegte Entwicklung gemacht. Im Zuge dessen hat beispielsweise Vaillant das Unternehmen konsequent auf die sich ändernden Anforderungen ausgerichtet.

Herr Dr. von Schroeter, vor zwei Jahrzehnten präsentierte sich Vaillant als europäischer Heiztechnikhersteller mit der breitesten Palette, die alle Energiearten umfasst. Besteht der Anspruch heute immer noch?

Auch wenn wir weiter ein breites Produktspektrum anbieten, so setzen wir aktuell unsere strategischen Schwerpunkte auf die Gas-Brennwerttechnik und die Stromwärmepumpe. Historisch gesehen hat Vaillant ja vor allem bei gasbasierten wandhängenden Heizgeräten einen Namen – hier sind wir stark und zählen auch zu den führenden Unternehmen in Deutschland und Europa. Ergänzend dazu investieren wir nun erheblich in die Elektrifizierung der Heizung. Hier sehen wir im Zuge der Energiewende die derzeit größte Dynamik im Markt. Dies wird unserer Meinung nach die wesentliche Technologie, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. Daher wollen wir unser Standbein bei der strombetriebenen Wärmepumpe auf ein gleich großes Maß ausbauen wie beim Gas.

Dr. Tillmann von Schroeter neben einer Wärmepumpe.
Quelle: Robert Donnerbauer
Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland, erläutert am Hauptsitz in Remscheid die neuen Schwerpunkte von Vaillant.

Ist es heutzutage überhaupt noch wichtig, alle Energiearten anzubieten?

Es gibt natürlich die Wünsche aus dem Markt "Alles aus einem Haus". Aber es gibt auch den Anspruch aus unserem Haus, führend in unseren Kernsegmenten zu sein. Und wir haben uns entschieden, viel Entwicklungsarbeit in die Wärmepumpe zu stecken und das Angebot in diesem Segment auszubauen. Wir wollen, wie gesagt, führend sein bei Gas und Strom.

Wieweit macht sich das bei Ihren Investitionen bemerkbar?

Wir haben in den vergangenen Jahren extrem Entwicklungskapazität aufgebaut und unser Know-how gestärkt. Als ich 2006 in das Unternehmen eintrat, hatten wir 450 Kollegen in der Produktentwicklung, mittlerweile sind es knapp 800. Und wir investieren weiter massiv in das Thema Wärmepumpen. Wir bauen derzeit hier am Hauptsitz in Remscheid für 54 Mio. Euro ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum. Richtfest war im Oktober 2018, die Ein-weihung ist für das kommende Jahr geplant. Bereits im Oktober haben wir ebenfalls hier am Hauptsitz eine neue Fertigungslinie für Wärmepumpen mit 5,2 Mio. Euro Investitionskosten eingeweiht. Dies unterstreicht unseren neuen Anspruch: Es geht nicht mehr nur darum, unbedingt in vielen Segmenten mit dabei zu sein, sondern in den wesentlichen Segmenten die Zukunft zu gestalten.

Werden in diesem Zug die Energieträger Öl und Pellets für Sie immer unwichtiger?

Pellets haben nie eine wichtige Bedeutung bei Vaillant erlangt. Wir sahen und sehen dies als Nischenprodukt. Bei Öl bieten wir weiterhin Lösungen mit Brennwerttechnik für den Modernisierungsmarkt an. Doch sehen wir hier keine Wachstumsperspektive. Hingegen erwarten Studien für die Wärmepumpe im Zuge der Energiewende einen Ausbau des Bestands in Deutschland von derzeit 1 Mio. Stück auf 3,5 Mio. Stück und mehr bis 2030. Hier ist extrem viel zu tun.

Wie stellt sich mit Stand zum Herbst das Jahr 2018 für die deutsche Heizungsbranche dar?

Bislang war 2018 für die Heizungsbranche ein solides Jahr. In den beiden für uns wesentlichen Produktsegmenten Gas und Strom hatten wir einstellige Zuwachsraten: bei Wärmepumpen ein Plus von etwa acht Prozent und bei Gas-Brennwert ein Plus von rund zwei Prozent. Nun steht der Herbst an, die umsatzstärkste Jahreszeit für unsere Branche. Erfahrungsgemäß gibt es von September bis November viel Geschäft im Austausch.

Das Fachhandwerk wird häufig als "Flaschenhals" für die Installation und Modernisierung angesehen. Reichen die aktuellen Kapazitäten überhaupt, oder könnten Sie eventuell sogar auch mehr verkaufen?

Es stimmt, der Markt ist momentan sehr "heiß". Die europäische Geldpolitik hat sehr viel Liquidität bei den Konsumenten gebracht, was sich besonders in der Baubranche mit den aktuell sehr langen Vorlaufzeiten zeigt. Gerade jetzt im Herbst würde eine höhere Kapazität helfen, höhere Stückzahlen zu realisieren. Doch hier ist nicht nur das Handwerk gefragt. Für mehr Effizienz müssen alle Partner, Handwerk und Hersteller, besser zusammenarbeiten. Denn es gibt noch viele Stellhebel, zum Beispiel wenn die Geräte einfacher und damit schneller einzubringen, auszutauschen und zu installieren sind.

Die Themen und auch die Technik werden immer komplexer. Gibt es genug Know-how beim Fachhandwerk für Beratung, Planung und Installation?

Es kann keiner schaffen, alle Themen zu begleiten. Dies betrifft ja nicht nur die Heiztechnik, sondern auch die Klimatisierung oder das Bad. Jede Innovation benötigt auch das entsprechende Know-how für die Umsetzung. Wir beobachten, dass sich Handwerker daher vielfach spezialisieren. Gerade größere Betriebe haben einzelne Teams, die sich auf bestimmte Aufgaben fokussieren.

Der Bedarf an Schulungen nimmt sicherlich zu. Doch wird auch die entsprechende Zeit dafür "geopfert"?

Schulung wird in meinen Augen immer wichtiger. Eine neue Technologie, ein neues Produkt braucht auch Sicherheit bei der Umsetzung. Nur einen Prospekt anzuschauen, reicht nicht aus. Wir investieren in unseren über 20 Schulungszentren viel, um neue Themen an den Mann zu bringen und das Handwerk dementsprechend zu schulen. Wir haben dazu im vergangenen Jahr mehr als 24.000 Teilnehmer trainiert. Aber wir sehen auch, dass angesichts der momentanen Marktlage viele Handwerksbetriebe überlegen, ob sie es sich zeitlich leisten können, Personal zur Schulung zu schicken. So ein Trainingsbesuch ist für die tägliche, effiziente Arbeit zwar überaus wichtig, doch er muss immer gerechtfertigt werden. Wir achten daher sehr darauf, dass die Wissensvermittlung kompakt und spannend ist.

Wieweit konnte sich der Systemgedanke, die Integration der Gewerke Heizung, Lüftung und Klima, im Markt durchsetzen?

Im Neubau hat sich der Systemgedanke am stärksten etabliert. Mit neuen Produkten, wie unserer Luft/Wasser-Wärmepumpe "recoCompact", lassen sich objektspezifische Systeme individuell und flexibel zur Wärme-, Warmwasser- und Außenluftversorgung zusammenstellen. Zudem ist die Einbindung der hauseigenen Photovoltaikanlage möglich. Wichtig für die möglichst effiziente Nutzung ist ein ausgeklügeltes Energiemanagementsystem, gegebenenfalls mit Einbindung an die Hausautomation. Bei der Modernisierung ist man noch nicht so weit, weil dort häufig bei Ausfall der Heizung nur der Kessel getauscht wird. Bei einer Renovierung kommt teilweise noch die Erweiterung um erneuerbare Energien zum Tragen. Insgesamt gesehen, sprechen wir bei Bestandsgebäuden dann doch überwiegend vom reinen Heizungstausch.

Wieweit zeigen sich Endkunden überhaupt von den Energiewendezielen der Politik beeinflusst?

Hier zeigen sich aktuell große Unterschiede. Den alleinigen Endkunden gibt es nicht. Sie finden Kunden, die sehr stark getrieben sind von dem Nachhaltigkeitsgedanken und auch dementsprechend investieren. Dann gibt es eine große Gruppe der "Follower", die die Notwendigkeit der CO2-Reduktion sehen und gerne handeln, wenn es sich wirtschaftlich darstellen lässt. Und schließlich sind da noch die Kunden, die eher rational allein unter ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden. Hier stehen Kosten-Aspekte an erster Stelle.

Wie groß ist im Heizungsmarkt der Anteil der langfristig geplanten Maßnahmen?

Wenn wir die Fernwärme einmal ausklammern, entfällt in Deutschland etwa ein Achtel des Heizungsmarktes auf den Neubau – das ist zu 100 Prozent langfristig geplant. Für die Modernisierung kenne ich nur Schätzwerte: Rund drei Viertel der Heizungsmodernisierungen im Bestand werden ebenfalls langfristig geplant. Und nur ein Achtel entfällt auf das kurzfristige Austauschgeschäft infolge einer Zwangsmaßnahme durch technischen Ausfall der Heizung, was übrigens zumeist im Herbst mit Beginn der Heizperiode auftaucht.

Dr. Tillmann von Schroeter an seinem Schreibtisch.
Quelle: Robert Donnerbauer
"Es geht nicht mehr nur darum, unbedingt in vielen Segmenten mit dabei zu sein, sondern in den wesentlichen Segmenten die Zukunft zu gestalten", so Dr. von Schroeter.

Wie wird die Heizungsbranche in Zukunft aussehen? Seit Jahren schon versuchen Energieversorger, eine aktive Rolle im Heizungsmarkt einzunehmen. Nun kommen immer mehr Online-Plattformen hinzu.

Die Energieversorger schauen weiterhin auf das Thema Heizung. Im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung müssen auch sie sich Gedanken über die Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells machen. Und die Integration einer Wärmedienstleistung in einen Energieliefervertrag ist ja auch ein attraktives Thema. Dass nun auch mehr Plattformen hinzukommen, liegt meines Erachtens auch an der Weiterentwicklung der Konsumenten. Durch die Art und Weise, wie informiert und gekauft wird, verändert sich ja unsere Gesellschaft. Und die Veränderungen in der Gesellschaft schwappen immer auch in unsere Branche rüber. Doch man muss sehen, dass dies nicht nur Veränderungsdruck ausübt, sondern auch Chancen kreiert.

Während der Heizbedarf sinkt, steigt der Warmwasserbedarf. Ebenso steigt der Anspruch an ein Wohlfühlklima. Wieweit sehen Sie durch diese Entwicklung das System der hydraulischen Heizung in Deutschland infrage gestellt? Warmwasserkomfort mit strombetriebenen Durchlauferhitzern und Wohlfühlklima mit Lüftungssystemen sind in vielen Ländern ja Standard.

Wir beobachten dieses Thema intensiv. Gerade in den sehr gut isolierten Häusern mit bereits vorhandenen Luftverteilsystemen gewinnt das Thema Luft an Bedeutung. Bei einigen Fertighausanbietern gibt es Lösungen, diese müssen sehr gut ausgelegt sein. Wir sehen hier noch keinen Megatrend. Hydraulische Systeme bieten momentan noch größere Leistungsreserven. Die Leistungsreserven sind für den steigenden Komfortanspruch der Verbraucher wichtig. Manche wollen 23 °C im Wohnzimmer und vielleicht auch 26 °C im Bad. Außerdem benötigen Luftsysteme eine alternative Lösung für den Komfort eines warmen Fußbodens im Bad.

Vor 20 Jahren hat Vaillant zwei, wie es damals hieß, zukunftsträchtige Forschungsprojekte zur Zukunft der Wärmeversorgung auf Basis von Gas ins Leben gerufen: das Brennstoffzellenheizgerät und die Zeolith-Wärmepumpe. Besonders das Thema Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) hatte damals für Unmut in der Branche gesorgt. Sie zählten damit zu den Innovationsführern. Doch nun wurden überraschend beide Projekte aufgegeben, die KWK sogar komplett eingestellt. Hatten Sie auf die falschen Pferde gesetzt?

Nein, das sehe ich nicht so. Schauen Sie, wir hatten die Entwicklung der Märkte genau beobachtet. Und mit der Energiewende gab es eklatante Verschiebungen. Nun war es eine unternehmerische Entscheidung, auf welche Segmente wir unsere zukünftigen Investitionen fokussieren wollen. Die Brennstoffzelle ist eine gut erforschte und spannende Technologie. Aber wir sehen sie nicht mehr als wesentlichen Treiber der Energiewende. Das Potential insbesondere der Niedertemperatur-Brennstoffzelle reicht nicht aus, um die notwendigen Stückzahlen im Markt für eine wirtschaftliche Produktion zu erzielen. Dadurch sind der Kundennutzen und die Kostenökonomie nicht im Einklang. Und wir sehen auch keine Verbesserung. Sollte es relevante Veränderungen geben, werden wir das Thema wieder aufgreifen. Wir wollen die Energiewende gestalten. Dazu müssen wir schauen, mit welcher Technologie sich dies am besten und am wirtschaftlichsten umsetzen lässt. Ist die Brennstoffzelle der Motor dazu? Wir sehen es derzeit nicht.

Wieweit traf dies auch auf das motorbetriebene Blockheizkraftwerk "ecoPower 1.0" zu?

In Summe betrachtet sehen wir die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die KWK im Einfamilienhaussegment nicht gegeben. Dies gilt auch für das Blockheizkraftwerk "ecoPower 1.0". Die kleine KWK-Anlage war bis zuletzt ein Nischenprodukt, das in sehr geringen Stückzahlen produziert wurde. Wir entwickeln folglich keine neuen Produkte. Doch unsere Kunden können beruhigt sein, wir betreuen weiterhin alle der von uns installierten Anlagen, bleiben also aktiv im Servicegeschäft und halten selbstverständlich alle Ersatzteile vor.

Wurde die KWK generell im Wohnungssegment letztendlich von der Energiewende überholt und überrollt?

Wind und Sonne müssen flankiert werden von einer sicheren Stromproduktion. Perspektivisch werden wir in Deutschland die Situation haben, dass wir an 1.500 bis 2.000 Stunden im Jahr keine ausreichende erneuerbare Stromproduktion haben. Hier bieten sich flexible Gaskraftwerke an. Doch welche Rolle können die Kleinstkraftwerke im Einfamilienhaussegment mit rund 1 kW elektrischer Leistung dabei spielen – ob mit der Brennstoffzelle oder mit motorbetriebenen Blockheizkraftwerken? Diese waren entsprechend des ursprünglichen Ansatzes nach der Strommarktliberalisierung von der technologischen Konzeption her für einen Dauerbetrieb ausgelegt. Für eine sichere Energieversorgung brauchen wir neben erneuerbaren Energien hochflexible Kraftwerke – hier liegt eine Chance für stromgeführte KWK-Anlagen. Wir haben viel größere Herausforderungen bei der Stromspeicherung als bei der Speicherung von Wärme. Das heißt, die Anlagen müssen dann laufen, wenn Strombedarf besteht.

Ein weiteres auf Gas basiertes Zukunftsthema war die Zeolith-Wärmepumpe. Was ist aus diesem Projekt geworden?

Wir hatten die Zeolith-Wärmepumpe über einige Jahre im Verkauf. Mit den Fortschritten in Effizienz, Stückzahlen und Wirtschaftlichkeit, die sich bei den elektrisch betriebenen Wärmepumpen einstellte, hat die Zeolith-Wärmepumpe zunehmend an Attraktivität verloren. So entschieden sich beim direkten Vergleich der Produkte zuletzt viele Kunden dann doch für eine Stromwärmepumpe.

Nun setzen Sie auf die Stromwärmepumpe. Diese konnte nach einer wechselhaften Geschichte mit vielen Auf und Ab zuletzt richtig zulegen und 2017 gar einen neuen Absatzrekord hinlegen. Erwarten Sie, dass dies nun so weitergeht?

In diesem Jahr wird es jedenfalls wieder einen neuen Rekord für die Wärmepumpe geben. Die Branche geht, wie gesagt, von einem Absatzzuwachs von rund acht Prozent aus. Für die weitere Entwicklung müssen wir drei wesentliche Faktoren betrachten. Die Entwicklung des Bausektors, den Anteil der Wärmepumpen im Neubau und die Renovierung in Bestandsbauten. Ich erwarte, dass im Bausektor die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Hier gibt es zwar leichte Steigerungen, jedoch beim Volumentreiber Einfamilienhaus ist die Entwicklung flach. Die Wärmepumpe wird ihren Marktanteil im Neubau sicher noch weiter steigern. Im Einfamilienhaus ist sie bereits führend, im Mehrfamilienhaus wird sie es mittelfristig werden.

Das Thema Renovierung gilt es noch zu gestalten. Interessant ist, dass im Bestand nun auch alte Wärmepumpen im Rahmen einer Modernisierung zum Austausch kommen. Dieses Ersatzgeschäft ist ein sicherer Wachstumstreiber. Noch völlig unklar ist das Sanierungsgeschäft, bei dem im Wesentlichen Alternativen für Heizöl und Erdgas gesucht werden. Von technischer Sicht spricht nichts gegen die Wärmepumpe im Bestand. Dank neuer Technik und neuer Kältemittel werden wir höhere Vorlauftemperaturen erzielen können. Doch es stellt sich die Frage, wieviel Elektrifizierung wir in diesem Bereich haben wollen. Und welche Rahmenbedingungen die Politik für einen Austausch setzt. Um in die Renovierung rein zu kommen, sind die Betriebskosten entscheidend. Angesichts der durch die ganzen Umlagen getriebenen hohen Strompreise in Deutschland gestaltet sich die Situation im Moment eher unattraktiv. Da fällt es dem Verbraucher rein wirtschaftlich betrachtet schwer, eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen.

Stichwort Modernisierung: Aus der Praxis kam häufig Kritik, dass besonders Luftwärmepumpen an kalten Wintertagen an ihre Grenze gestoßen sind und die alten Häuser quasi nur noch mit Strom geheizt haben.

Die Lösung kann nicht sein, dass letztendlich nur "Heizstäbe" verkauft werden. Einerseits sind hier Planer und Handwerker bei der Auslegung der Anlagen gefragt. Andererseits sind wir Hersteller gefordert, eine Technologie anzubieten, die auch bei kälteren Temperaturen noch effizient ist. Die Technik ist aber mittlerweile soweit, auch die in Altbauten geforderte höhere Vorlauftemperatur bereitzustellen. Das Thema wird immer besser beherrschbar. Daher hat die Wärmepumpe aus technologischer Sicht auch in der Renovierung ihren Platz. Die Frage lautet, wie gesagt, eher, wie passen Investitionskosten und Betriebskosten zusammen, und wie werden sich die Kosten für Strom, Heizöl und Erdgas weiter entwickeln. Die Unsicherheit, wie sich die Energiewende weiter gestaltet, trägt sicher zur Unsicherheit bei den Verbrauchern bei, was dazu führt, dass sich die Leute gar nicht entscheiden.

Dr. Tillmann von Schroeter im Gespräch.
Quelle: Robert Donnerbauer
"Aktuell setzen wir unsere strategischen Schwerpunkte auf die Gas-Brennwerttechnik und die Stromwärmepumpe", betont der Geschäftsführer von Vaillant Deutschland.

Im Neubau drängt sich das Thema Schallschutz auf. So hatte sogar das Umweltbundesamt darüber informiert, dass die Beschwerden über tieffrequente Brummton-Geräusche deutlich zugenommen haben. Gerade in Wohngebieten mit kleinen Grundstücken und enger Bebauung wird das leise Dauerbrummen von Luftwärmepumpen zum Teil als störend wahrgenommen. Wie bewerten Sie das Thema?

Natürlich nehmen wir, wie die Branche allgemein, das Thema Schallschutz ernst. Unsere Kunden sollen keinen Ärger mit den Nachbarn bekommen, nur wegen ihrer Heizung. Für uns sehen wir dies als Chance, uns im Wettbewerb zu differenzieren. Denn Schall ist bereits zu einem starken Verkaufsargument geworden. So haben wir in diesem Jahr eine neue Luft/Wasser-Wärmepumpe "aroTherm Split" auf den Markt gebracht. Bei ihrer Entwicklung haben wir besonderen Wert darauf gelegt, dass wir damit die leiseste Wärmepumpe auf dem Markt haben, die man überall problemlos verbauen kann. Sie unterbietet alle gesetzlichen Grenzwerte.

Früher wurden mehrheitlich Erdwärmepumpen installiert. Da stellte sich das Thema nicht. Doch dann gab es eine Marktverschiebung. Ab 2010 übernahmen Luftwärmepumpen die Führung. Wieweit sehen Sie das Aus für die Erdwärmepumpe?

Luftwärmepumpen dominieren besonders im Neubau. Hier verlieren Erd- und Wasserwärmepumpen zwar Anteile, doch sie haben weiter ihre Berechtigung. Gerade im Winter punkten sie mit ihrer hohen Effizienz. Doch der Kunde muss den höheren Aufwand mit den Vorteilen bei der Effizienz abwägen. Ein Luftkollektor ist leichter zu installieren. Letztlich ist es auch eine finanzielle Frage. Die Bohrkosten sind weiter hoch, während die Effizienz der Luftwärmepumpe steigt.

Wie hat sich der Handlungsbedarf bei Kältemitteln für Wärmepumpen und Klimaanlagen entwickelt, der durch die am 1. Januar 2015 in Kraft getretene F-Gase-Verordnung entstanden ist?

Die F-Gase-Verordnung hat sich deutlich auf die Preisentwicklung bei den Kältemitteln ausgewirkt. Die Preise sind teilweise extrem gestiegen. Auch für einen besseren Umweltschutz besteht Handlungsbedarf. Wir arbeiten an alternativen Kältemitteln – dies sowohl aus ökologischen als auch aus technologischen Gründen. Ich glaube, es gibt keinen Wärmepumpenhersteller, der sich nicht mit diesem Thema beschäftigt.

Nach der Energiewende kommt jetzt die Digitalisierung. Wie es heißt, soll die Heizungsbranche damit jetzt auf einmal vor tiefgreifenden Herausforderungen stehen. Schaut man zurück, so hatte allein Vaillant schon im Jahr 2002 unter dem Namen "Vaitronic" den Produktbereich Hausautomation gestartet. Und im 2003 hieß es unter dem Namen "vrnetDialog": "Die Heizung geht online", womit das Fachhandwerk übers Internet Zugriff auf die Heizung bekam. Was ist denn jetzt wirklich neu?

Das Thema kommt jetzt erst richtig im Markt an. Wir sehen, dass sich derzeit alle Marktteilnehmer viel intensiver mit dem Thema beschäftigen. Es wird viel mehr verbaut, die Anschlussraten gehen hoch. Doch wir stehen immer noch am Anfang einer langen Reise. Die Digitalisierung kreiert neue Chancen, neue Geschäftsmodelle. Es stehen immer mehr Daten zur Verfügung, die dem Handwerk und uns als Hersteller helfen, das Verhalten der Anlagen unter unterschiedlichen Nutzungsbedingungen noch besser zu verstehen. Dann stellt sich die Frage, wie wir die Daten nutzen können, beispielsweise für neue Formen des Service. Da wird noch viel passieren. Grundlage hierfür sind die Daten – entscheidend sind der Nutzen und der Mehrwert, der aus diesen Daten entsteht.

Es heißt, digitale Plattformen und Dienste könnten dabei bald wichtiger werden, als die Produkte selbst. Aber können sie auch heizen, lüften, warmes Wasser erzeugen? Digitaltechnik heizt nicht die Wohnung. Wird das immer vergessen?

Die Frage ist, wie wichtig werden die zusätzlichen neuen Dienstleistungen? Wieweit können neuer Nutzen kreiert und neue Wettbewerbsvorteile in der Heiztechnik erschlossen werden? Wir arbeiten intensiv daran, aus der Kombination von Technik und Daten intelligente Dienstleistungen zu entwickeln, die dem Endkunden und dem Handwerker das Leben einfacher machen.

Wieweit geht es für die Hersteller auch darum, die Gefahr abzuwenden, zu schlichten Zulieferern von Online-Plattformen degradiert zu werden?

Die Digitalisierung bietet neue Chancen. Wir können wirklich Zusatznutzen für den Endkunden kreieren. Zum Beispiel, wenn die Daten darauf hinweisen, dass ein Bauteil demnächst ausfällt, kann der Handwerker seinen Kunden rechtzeitig darauf hinweisen und das Thema lösen. So kann dem Endkunden geholfen werden, bevor etwas passiert. Dies ist quasi eine Wärmegarantie, ein Komfortargument für den Verbraucher. Das ist eine Chance für uns als Hersteller. Aber es ist klar, dass auch andere, neue Anbieter dies erkennen. Ich sehe es als spannenden Wettbewerb, in dem wir unsere Chancen nutzen werden.

Wieweit wird bei der Digitalisierung dem Thema IT-Sicherheit, sprich Cyber-Kriminalität, genügend Beachtung geschenkt?

Das Thema Sicherheit steht bei uns seit Anbeginn an höchster Stelle, ob bei der Hausautomation, der Vernetzung oder der Ferndiagnose. Der Endkunde darf nicht das Gefühl haben, es ist unsicher. Es darf erst gar nicht der Eindruck entstehen, wir würden nicht sehr, sehr, sehr sorgsam mit der Datensicherheit umgehen. Das wäre schlicht inakzeptabel. Um unseren Kunden Datensicherheit zu gewährleisten, bieten wir sichere digitale Lösungen mit einer VDE-Zertifizierung an.

Von Robert Donnerbauer
Redaktion, Heizungs-Journal Verlags-GmbH
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