Inhaltsverzeichnis
Wärme

Niedertemperaturen optimal nutzen

Freitag, 18.12.2020

Eisproduktion und Wärmeversorgung im Verbund.

Eine Frau schwimmt auf dem Rücken in einem Swimmingpool.
Quelle: Andreas Kräutl, Chur
Wasser, Wärme und Eis rund ums Jahr: Das "H2Lai" lockt mit einem breiten Angebot Sportler, Urlauber und Erholungsuchende aus aller Welt nach Lenzerheide.

Multivalenzlösungen gewinnen für eine energetisch nachhaltige Bewirtschaftung großer, verbrauchsintensiver Objekte weiter an Bedeutung. Die Einbindung unterschiedlicher Erzeuger und Temperaturniveaus in eine gemeinsame Versorgungstruktur führt in der Praxis jedoch, nach wie vor, zu Problemen. Eine gestörte Anlagenhydraulik etwa belastet als "Effizienzkiller" den Kostenhaushalt und verhagelt Betreibern die Ökobilanz.

Wie die Effizienzrechnung bei der Zusammenführung von konventioneller, regenerativer und rückgewonnener thermischer Energie beispielhaft aufgehen kann, zeigt ein Blick in die Schweiz. Im Kanton Graubünden erhielt die Gemeinde Vaz/Obervaz bereits 2013 die Auszeichnung "Energiestadt"; seitdem treibt sie ihren Einsatz für eine umweltorientierte Energiepolitik weiter voran und erzielt dabei beachtenswerte Erfolge in der Umsetzung einer lokalen Energiewende.

Ein entsprechendes, auf Ressourcenschonung und Effizienzmaximierung ausgerichtetes Kommunalprojekt brachte die Gemeinde vor wenigen Jahren mit der energetischen Sanierung ihres Sport- und Wellnesszentrums "H2Lai" im Ort Lenzerheide auf den Weg. Das Konzept überzeugt mit einem ausbalancierten Dreiklang aus Erlebnis, Komfort und Nachhaltigkeit.

Ein Freizeitobjekt expandiert

1980 entstand das Sportzentrum in Lenzerheide – damals noch als zweigliedriges Objekt mit einem Hallenbad und einem überdachten Eisfeld. Im Laufe der Jahre zog die Freizeiteinrichtung mehr und mehr Besucher aus der Region und dem Tourismussektor an, sodass sich die Gemeinde 2008 für eine Erweiterung ihres Angebotsspektrums und einen umfassenden räumlichen Ausbau entschied. Heute bietet das erweiterte Sport- und Wellnesszentrum "H2Lai" seinen Gästen Sport, Spaß und Entspannung rund ums Jahr: von der großzügigen Sauna- und Wasserlandschaft, modernen Fitnessräumen, Minigolfanlage und Restaurant bis hin zur heute ganzjährig nutzbaren Eishalle.

Blick in eine Eissporthalle.
Quelle: Andreas Kräutl, Chur
Blick in die heute ganzjährig genutzte Eissporthalle: Sie ist Anziehungspunkt für Touristen, Freizeitsportler und Vereine.

Ein Multifunktionsbetrieb mit hohen Anforderungen an die Versorgungsstabilität und einer immensen thermischen Grundlast. Denn einerseits sind spezifische Temperaturniveaus für eine hygienekonforme und sichere öffentliche Gebäudebewirtschaftung zwingend einzuhalten – etwa bei der Raumbeheizung, der Erzeugung von Brauchwarmwasser, der Eisflächenkühlung und Hallenklimatisierung sowie der Badewassertemperierung. Darüber hinaus hängen Besucherzahlen und wirtschaftlicher Erfolg einer solchen Eirichtung nicht zuletzt davon ab, ob die differenzierten Wünsche einer möglichst breiten Zielgruppe optimal bedient werden können. Vor diesem Hintergrund stellt der Betreiber allein für die Schwimm-, Bade- und Wellnessbecken des "H2Lai" beachtliche Mengen an Warmwasser in vielen verschiedenen Temperaturen zur Verfügung.

Blick in den Technikraum mit den Kältemaschinen zur Eiserzeugung.
Quelle: Andreas Kräutl, Chur
Blick in den Technikraum mit den Kältemaschinen zur Eiserzeugung: Vor der energetischen Sanierung des Sport- und Wellnesszentrums blieben die Abwärme-Kapazitäten ungenutzt. Stattdessen mussten für den Notkühlungsprozess regelmäßig mehrere tausend Liter Trinkwasser aufgewendet werden.

Bis zur energetischen Sanierung des Gebäudekomplexes erfolgte die Bereitstellung von Wärme und Kälte getrennt voneinander; eine effizienzfördernde Verbundlösung war zu diesem Zeitpunkt technisch nicht realisierbar. Hinzu kamen zwei weitere Faktoren, die sich negativ auf den ohnehin hochintensiven Energiehaushalt des "H2Lai" auswirkten: Aufgrund der unterschiedlichen Bauzeiten des Objekts erwies sich die nicht einheitliche Infrastruktur der Gebäudetechnik als leistungsmindernd und störanfällig, gleichzeitig hatten Teile der Anlagen ihr Laufzeitlimit bereits deutlich überschritten und mussten dringend erneuert werden.

Planungsziele: Verbrauchsreduktion und Umweltverträglichkeit

Den Planungsauftrag für eine Komplett-Modernisierung von Gebäudeautomation und Wärmeversorgungssystem übernahm das Ingenieurbüro Amstein + Walthert AG in Chur. Im Mittelpunkt ihres Sanierungsplans stand die Abwärme-Einbindung der 425-kW-Ammoniak-Kälte-Anlage für die Eisproduktion in die Wärmeversorgungsstruktur des Sport- und Wellnesszentrums. Ebenfalls konzeptionell optimiert wurden die Brauchwarmwasser-Erwärmung und die Versorgung durch den gemeindeeigenen Wärmeverbund mit Energieholz (naturbelassene Holzhackschnitzel aus regionaler Wirtschaft, sie liefert Wärme mit einer Spitzenleistung von 1,5 MW).

Mit der Kombination aus Biomasse- und Abwärme-Nutzung fördert die Gemeinde einen gezielt nachhaltigen Wärmebezug bei gleichzeitiger Verbrauchsreduktion von Primärenergie. Im Vergleich zu fossilen Energieträgern, wie Erdöl und Gas, weisen speziell Holzbrennstoffe eine deutlich bessere CO2-Bilanz auf. Daneben bringen Ammoniak-basierte Kältelösungen wesentliche Eigenschaften für eine klimafreundliche Kälteproduktion mit (Ozonabbaupotential und Global Warming Potential jeweils 0). Darüber hinaus erzielen sie ein insgesamt günstiges Verhältnis von Kälte- zu Antriebsleistung (COP-Wert). Eine so aufgestellte Erzeugerseite schafft optimale Voraussetzungen für einen umweltschonenden Betrieb, ebenso bewegen sich die potentiellen Effizienzleistungen moderner Umwandlungs- und Speichertechnologien heute auf einem hohen Niveau. Und doch bleiben neu geplante oder sanierte Energieversorgungssysteme in der Praxis oft hinter ihrem theoretischen Leistungsvermögen zurück.

Fast immer liegt der Grund hierfür in einer unzureichenden Anlagen-Hydraulik, die sich nicht durch eine elektronische Regelung kompensieren lässt. Gerade konventionelle Systeme, wie der vormals im Objekt Lenzerheide verbaute Balkenverteiler, stoßen bei Laständerungen und Spitzenlastabfrage unweigerlich an ihre Leistungsgrenzen. Eine Unterversorgung der Heizkreise oder Störungen in der Netzhydraulik entstehen, wenn sich der Pumpenbetrieb einzelner Kreise gegenseitig negativ beeinflusst. Das wiederum hat Einfluss auf die Druckverhältnisse zwischen Vor- und Rücklauf und wirkt sich auf die benötigte (dann erhöhte) Drehzahl der Pumpenregulierung aus – die Aufnahme an elektrischem Strom steigt. In ein solches Verteilsystem lassen sich in Folge auch potentiell verfügbare Niedertemperaturen kaum effizient einbinden. Statt die Abwärme aus dem Eisproduktionsprozess zur Bereitstellung von Warmwasser zu nutzen, machte ein umgekehrtes Verfahren im Sportzentrum Lenzerheide den möglichen Effizienzgewinn komplett zunichte: In einem permanenten Notkühlungsvorgang mussten die frei werdenden wertvollen Kilowattstunden mit mehreren Tausend Litern Trinkwasser vernichtet werden.

Aktuelle Bewertung
Noch keine Bewertungen vorhanden
Ihre Bewertung
Vielen Dank für Ihre Bewertung.

Sie haben eine Frage zu diesem Artikel? Dann stellen Sie der Redaktion hier Ihre Fachfrage!

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Möchten Sie die aktuellen Artikel per E-Mail erhalten?

Einloggen

Login / Benutzername ungültig oder nicht bestätigt

Passwort vergessen?

Registrieren

Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Jetzt registrieren

 

Expertenfragen

„Frag‘ doch einfach mal – einen Experten!": Nach diesem Motto können Sie als Nutzer der TGA contentbase hier ganz unkompliziert Fachleute aus der Gebäudetechnik-Branche sowie die Redaktion der Fachzeitschriften HeizungsJournal, SanitärJournal, KlimaJournal, Integrale Planung und @work zu Ihren Praxisproblemen befragen.

Sie wollen unseren Experten eine Frage stellen und sind schon Nutzer der TGA contentbase?
Dann loggen Sie sich hier einfach ein!

Einloggen
Sie haben noch kein Konto?
Dann registrieren Sie sich jetzt kostenfrei!
Registrieren