Erneuerbare Energien

Nicht falsch, aber zu viel

Fristen im EU-Entwurf der Kältemittel-Verordnung: Wärmepumpen-Hochlauf gefährdet?

Freitag, 02.12.2022

Als Reaktion auf die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen hat die EU die Klimaziele im „Europäischen Klimagesetz“ verschärft. Deshalb erhielt die EU-Kommission als gesetzgebendes Organ Vollmacht, Änderungen an oder Ergänzungen zu Rechtsvorschriften zu erlassen. Zum Beispiel an der F-Gas-Verordnung, die klimaschädliche Kältemittel reglementiert. Die jüngst von der EU-Kommission verabschiedete Novelle der F-Gas-Verordnung zieht die Bandagen noch enger.

Quelle: AdobeStock

Brüssel: „Um die Ziele zu erreichen und eine Chance zu haben, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C zu begrenzen, müssen alle Instrumente gestärkt werden, die für die Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft von Bedeutung sind. Die F-Gas-Verordnung ist ein wichtiges Instrument in Bezug auf Emissionen fluorierter Treibhausgase.“

Das „Europäische Klimagesetz“ von 2021 (Verordnung (EU) 2021/1119) visiert eine Reduktion der Treibhausgase von mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 an sowie die Klimaneutralität der EU bis spätestens 2050. Entweichende Kältemittel für Wärmepumpen und Klimaanlagen tragen trotz ihres niedrigen Gesamtvolumens mit ihrem bis 25.000-fach höheren GWP (Global Warming Potential = Treibhauspotential) im Vergleich zu CO2 (GWP = 1) zur Erderwärmung bei. Die europäische F-Gas-Verordnung schränkt deshalb Handel und Verwendung von Kältemitteln ein.

Die Lage

FCKW und HFCKW sind wegen ihres Ozonabbaupotentials ODP (Ozone Depletion Potential) im Rahmen des Montreal-Protokolls von 1987 und der entsprechenden nationalen Verordnungen seit über 30 Jahren in der EU in Neuanlagen nicht mehr zulässig. Die von der chemischen Industrie als Ersatzstoffe angebotenen HFKW müssen inzwischen wegen ihres hohen GWP international durch den „Kigali-Zusatz“ zum Montreal-Protokoll beziehungsweise innerhalb der EU durch die F-Gas-Verordnung eine erhebliche Reduzierung in Neuanlagen hinnehmen.

Insbesondere japanische und amerikanische Kälte- und Klimaanlagenhersteller propagieren daher HFO (Hydrofluorolefine) als Niedrig-GWP-Kältemittel. HFO-Moleküle bestehen aus H – Wasserstoff, F – Fluor und C – Kohlenstoff und sind somit ebenfalls HFKW; das „KW“ steht für Kohlenwasserstoffe. Diese zumeist auf Propen (R1234yf) und seltener auf Ethen (R1132a) oder Buten (R1336mzz(E)) basierenden Substanzen zerfallen aber wegen ihrer speziellen Bindung in der Atmosphäre innerhalb weniger Tage anstelle von Jahren bis Jahrzehnten gegenüber den klassischen HFKW. Beim Abbau entsteht Trifluoressigsäure beziehungsweise im nächsten Schritt Trifluoracetat (TFA). Das schlägt sich über das Regenwasser im Boden und im Trinkwasser nieder. Und bleibt dort stabil. Zur Gefährlichkeit der TFA für Mensch und Umwelt fehlen Studien, die Substanz steht aber unter Krebsverdacht, wenn kleine Mengen davon über Jahre getrunken werden. Die Vermutung ist allerdings nicht belegt. Untersuchungen laufen. Vorsorglich stehen indes die HFO nicht auf der Liste der „guten“ Kältemittel.

Verdoppelung im Betrachtungszeitraum

Der kürzlich von der EU präsentierte Entwurf einer Überarbeitung der F-Gas-Verordnung nimmt deshalb die HFO nicht aus der Reglementierung aus. Die F-Gas-Emissionen belaufen sich heute auf 2,5 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Union, haben sich aber zwischen 1990 und 2014 verdoppelt, während andere Treibhausgasemissionen zurückgegangen sind. Dies liegt daran, dass mit F-Gasen üblicherweise ozonabbauende Stoffe (ODS) ersetzt wurden. Die Novellierung der F-Gas-Verordnung muss vor dem Hintergrund des jüngsten IPCC-Sonderberichts betrachtet werden. Eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C erfordert, dass die Emissionen von F-Gasen bis 2050 weltweit um bis zu 90 Prozent gegenüber 2015 gesenkt werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der „Kigali-Zusatz“ allein bis zum Ende des Jahrhunderts eine zusätzliche Erwärmung um bis zu 0,4 °C verhindert.

Die allgemeinen Ziele der F-Gas-Politik der EU bestehen darin,

  • zusätzliche F-Gas-Emissionen zu vermeiden und damit zu den Klimazielen der Union beizutragen,
  • die Einhaltung der HFKW-Verpflichtungen sicherzustellen.

Die Vermeidung von Emissionen kann auf zweierlei Weise erfolgen: indem sich potentielle Nutzer bemühen, F-Gase überhaupt nicht zu verwenden (Verringerung der Nachfrage) und indem sichergestellt wird, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen oder Leckagen bei der Herstellung, Verwendung und Entsorgung der entsprechenden Geräte ergriffen werden („Emissionsbegrenzung“).

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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