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Erneuerbare Energien

Neue Wärmepumpentechnik: Deutsche Wohnen sichert sich Option ohne Kompressor und Kältemittel

Donnerstag, 13.02.2020

Deutsche Wohnen hat zugegriffen

Ebenfalls hält sich die Temperaturspreizung des thermischen "Verdichters" in Grenzen. Das IPM baut als Alternative an einer gestuften Wärmepumpe, an einer Reihenschaltung von Zellen mit Werkstoffen unterschiedlicher Reaktionstemperatur. Im Fall der Reihung bedarf es eines inneren Wärmeträgers, etwa Dampf. Der erhitzt sich von Stufe zu Stufe mehr, um 2 bis 5 K, indem er im Verbund mit dem Magnetfeld in den einzelnen Stufen jeweils die beschriebenen Abläufe auslöst. Einige Werkstoffe sind schon als Serienprodukte auf dem Markt. Die BASF bietet seit rund fünf Jahren "Quice" an, ein Metallcompound auf Eisen- und Mangan-Basis, der aus einem Projekt mit der niederländischen TU Delft stammt. Andere Unternehmen und Institute experimentieren ebenfalls mit verschiedenen Metallverbindungen. Laut IPM dürfte in Serienprodukten ein halber Carnot-Wirkungsgrad machbar sein: zur Raumerwärmung ein COP zwischen 6 und 8.

Der Charme der Magnetokalorik, ohne rotierenden Verdichter und ohne umweltbelastende Kältemittel leise und bis 30 Prozent effizientere Wärmepumpen designen zu können, hat bereits die Immobilienwirtschaft hellhörig gemacht. Vor wenigen Wochen teilten Deutsche Wohnen und die WirMag AG die Beteiligung des Vermieters an dem Start-up aus Bad Dürkheim mit. Die WirMag bietet seit kurzem Wärmepumpen nach dem magnetokalorischen Prinzip an. Und zwar in fünf Leistungsgrößen von 3 bis 30 kW. Den COP gibt sie mit 5 an. Die Deutsche Wohnen SE mit Sitz in Berlin besitzt als das zweitgrößte deutsche Wohnungsunternehmen, nach der Vonovia, aktuell 163.000 Wohnungen und 2.600 Gewerbeimmobilien. Zum Immobilienbestand gehören auch Pflegeeinrichtungen und Appartements für betreutes Wohnen. Sollte sich das WirMag-Produkt bewähren, hätte man ein eigenes System für Bestand und Neubau.

Ein Haus mit dem Schriftzug
Quelle: Deutsche Wohnen
Option für die Umrüstung auf Festkörper-Wärmepumpen gesichert: deutsche Wohnen hat sich am Start-up WirMag beteiligt. Die WirMag bietet Wärmepumpen nach dem magnetokalorischen Prinzip an.

Der elastokalorische Effekt ähnelt dem magnetokalorischen Effekt. Er fällt ebenfalls in das Kapitel "Heizung und Kühlung mit Festkörpern statt mit Fluiden". Die Rolle des Elektronenspins übernimmt hier der Wechsel der Kristallstruktur im Material, beispielsweise in Nickeltitan. Kühlt Nickel unter 360 °C ab, seiner Curie-Temperatur, verändern sich die magnetischen Eigenschaften beziehungsweise die kubisch-flächenzentrierte Austenit-Struktur geht in eine metastabile raumzentrierte Martensit-Struktur über. Den Metallurgen ist es nun in speziell konvektionierten Legierungen unter anderem durch schnelles Abkühlen (Härten) gelungen, den 360 °C-Punkt in den Niedertemperatur-Bereich zu transformieren. So lassen sich heute durch Dehnungsspannung und -entspannung im Wechsel martensitische und austenitische Gefüge bei Raumtemperatur anregen. Wie gesagt, die angelegte Spannung initiiert den Wechsel nur, die eigentliche Energie zur Gefügeveränderung liefert die Enthalpie der Umwelt. Die Energieaufnahme und -abgabe beim jeweiligen Phasenwechsel geht je nach Material und Spannung über das Zwanzig- bis Dreißigfache der verbrauchten Dehnungsenergie hinaus. Von der Seite her übertrifft der elastokalorische offensichtlich den magnetokalorischen Effekt.

Ein weiterer Vorteil: In einem Niedrigstenergiehaus mit einem mechanischen Lüftungssystem könnte das elastokalorische Prinzip das Herz einer Sole/Luft- oder einer Luft/Luft-Wärmepumpe sein, über deren heiße Drähte die Zuluft fließt, bevor sie in der Wohnung verteilt wird. Außenluft als Umweltenergielieferant darf es hier sein, da der Heiz- und Kühleffekt selbst bei einer relativ breitbandigen Quellentemperatur erhalten bleibt.

Drei von vier Kriterien erfüllt

Der apparative Aufbau von Wärmepumpen nach diesen beiden Prinzipien übersteigt freilich im Moment noch die Wettbewerbsfähigkeit zur konventionellen Wärmepumpen- und Kühltechnik. Industrie und Wissenschaft arbeiten an den Verbesserungen. Die bekannten und großen Wärmepumpenbauer beobachten aufmerksam, wenn sie nicht selbst schon im Labor damit experimentieren.

"Wärmepumpen müssen zukünftig vier Kriterien erfüllen: erstens hocheffizient, auch der Förderung wegen, zweitens umweltfreundlich hinsichtlich CO2 und Ozon, drittens preiswert und viertens »plug-and-play«-fähig", bemerkt ein Industrievertreter zu dem Thema, "es sieht doch so aus, dass sich das Produkt eigentlich immer noch in der Nische befindet, dass vielleicht auf acht Kessel eine Wärmepumpe kommt, weil Heizungsbauer auch wegen des Kältekreises diese Technologie solange wie es geht ignorieren. Der Kältekreis entfällt schon mal bei den beiden kalorischen Prinzipien. Über die Hocheffizienz müssen wir nicht reden, die ist unschlagbar. Die Umweltfreundlichkeit ebenfalls, denn selbst das neue Kältemittel R32 mit seinem GWP um 700, das nach der F-Gase-Verordnung ab 2025 im Prinzip nur noch erlaubt ist (beziehungsweise Kältemittel mit diesem GWP), kann nur eine Brückenfunktion haben."

Hocheffizient, "plug-and-play"-fähig und ein Treibhauspotential von 0 – darin liegt die Chance der magnetokalorischen und elastokalorischen Phänomene, wenn sie sich preiswert und praxistauglich umsetzen lassen.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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