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Wärme

Natürliches Heizungswasser als Nachhaltigkeitsziel

Mittwoch, 24.06.2020

Mehr als eindeutig: Zugabe von Stoffen nur für Ausnahmen

Wenn die VDI 2035 Blatt 1 E fünfmal eine Wasserbehandlung durch Zugabe von Stoffen nur für Ausnahmen zulässt und sogar schreibt, dass Anlagen, die einer solchen Behandlung bedürfen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, ist das bemerkenswert. Die Abkehr von Chrom(VI)-Verbindungen oder Hydrazin als Korrosionsschutzmittel hat auch lange gedauert, aber letztendlich haben die verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte von 0,005 mg/m³ bzw. 0,013 mg/m³ für Hydrazin sehr schnell für ein allgemeines Vermeiden dieser Produkte gesorgt. Neben der Gefahr durch die Kombination von Nitrat und Triethanolamin, dass sich in sauerstoffarmem Wasser und unter Temperatureinwirkung ein krebserzeugendes Produkt bilden kann, sollten die Angaben des Sicherheitsdatenblattes einmal aus Gesundheitsgründen intensiver angeschaut und bewertet werden.

Eine Angabe (TWA in ng/m³) gibt die Konzentration eines chemischen Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz in einem Referenzzeitraum von acht Stunden an. "STEL"-Werte sind Angaben für 15 Minuten (engl.: "short-term exposure limit"). Informieren sich "Anwendungsexperten" (diese sind gesetzlich gefordert) in der Tabelle 8.1 des Sicherheitsdatenblatts, fällt Folgendes auf:

  • Für Borat-Verbindungen gibt es nur in Spanien einen TWA-Wert (Anm.: diese Mitarbeiter sind wohl empfindlicher als der Rest Europas).
  • Für Molybdat-Verbindungen gibt es in mehreren Ländern TWA-Werte von 0,5 bis 10 mg/m³.
  • Bei Triethanolamin gelten Werte von 0,5 bis 5 mg/m³.

Um diese TWA-Werte einzuhalten, hat der Inverkehrbringer nach Sicherheitsdatenblatt Folgendes einzuhalten: "Stelle ausreichende Belüftung zur Verfügung einschließlich angemessener örtlicher Extraktion, damit die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte gewährleistet ist." Sicherlich versteht jeder, was damit gemeint ist: Die persönliche Schutzausrüstung Korbbrille (EN 166), Schutzhandschuhe (EN 374), langärmelige Arbeitskleidung und Atemschutz (gewöhnlich nicht erforderlich) – bei unzureichender Belüftung "Atemschutzgerät" – anlegen. Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Das lässt sich i.d.R. beim Befüllen eines Heizsystems beim notwendigen Entlüften in einem Raum schwer machen.

Aber: Wer solche nach Norm überflüssigen Mittel einsetzt, liest sicher nicht die VDI 2035. Warum kann dann davon ausgegangen werden, dass ein Sicherheitsdatenblatt (müsste bei jeder Lieferung beigelegt sein) angefordert und auch gelesen wird?

Fakt ist: Nach Sicherheitsdatenblatt werden beim Ablassen von 1 m³ Heizwasser etwa 400 bis 2.300 g nicht sinnvolle, sondern überflüssige und eventuell gesundheitsschädigende Stoffe in die Umwelt gegeben.

Lessons learned: Würden Heizungsbauer allein in 1.000 oder gar 10.000 Anlagen keine Zusatzstoffe mehr einsetzen – wie in der Norm gefordert –, würden Tonnen an Chemikalien nicht in die Umwelt gelangen. Ein Vermeidungsziel, das Geld spart sowie die Mitarbeiter/Verbraucher und nicht zuletzt die Umwelt schützt.

Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch und Umkehrosmose.
Quelle: BWT
Die Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch bzw. Umkehrosmose zeigt: Durch den Einsatz des aufwendigeren Osmose-Verfahrens lassen sich mit einem praktikablen Befüllmanagement die etwas längeren Befüllzeiten einer interessanten Kosteneinsparung und einer wesentlichen Abfallvermeidung für die Umwelt gegenüberstellen.

Das "ALARP"-Prinzip

"ALARP" ist ein englisches Akronym und bedeutet "as low as reasonably practicable" (= "so niedrig wie vernünftigerweise praktikabel"). Es handelt sich um ein Prinzip der Risikoreduzierung, das zum Beispiel im Risikomanagement Anwendung findet. Das "ALARP"-Prinzip besagt, dass Risiken auf ein Maß reduziert werden sollen, das den höchsten Grad an Sicherheit garantiert, der vernünftigerweise praktikabel ist (Begrenzung der maximalen Schadenserwartung). Dies bedeutet zum Beispiel, dass bei der Produktentwicklung Maßnahmen für identifizierte Produktrisiken nur dann implementiert werden müssen, wenn sie auch vernünftigerweise praktikabel sind (finanziell und/oder technisch mit vertretbarem Aufwand realisierbar).

Wird der Punkt 8.3 "Wasseraufbereitung" der neuen VDI 2035 Blatt 1 unter dem "ALARP"-Prinzip bewertet, ergeben sich gewichtige Vorteile hinsichtlich Betriebssicherheit, Umweltschutz (Vermeidung von Abfällen) und Kostenersparnissen.

Die Schweizer SWKI-Richtlinie BT 102-01 unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch ihre klareren Vorgaben. Im Vergleich zur neuen VDI 2035 wird eindeutig festgelegt: "Das Füll- und Ergänzungswasser muss entsalzt werden." [<100 µS/cm] Im Heizwasser ist hingegen eine praxisgerechte Leitfähigkeit <200 µS/cm erlaubt. Mit der Begrenzung des gesamten organischen Kohlenstoffes auf 30 mg/l und der Vorgabe, keine organischen Substanzen einzusetzen, wird sogar erklärt, warum:

"Organische Stoffe zeigen oft ungünstige Nebenwirkungen, wie Beeinträchtigungen von Dichtungswerkstoffen, oder begünstigen die mikrobiologische Aktivität des Wassers. Erhöhte Werte weisen auf Wasserinhaltsstoffe hin, welche die Betriebssicherheit der Anlage stören können. TOC-Messungen sind auch geeignet »Kühlmittel – also Frostschutz-/Solarflüssigkeit« anzuzeigen. Die Betriebstemperaturen werden immer tiefer – die Gefahr der mikrobiologischen Belastung ist zunehmend."

In der neuen VDI 2035 Blatt 1 E wird das auf vielen Seiten als MIC (mikrobiell beeinflusste Korrosion) usw. beschrieben, aber die Maßnahmen und mögliche Kontrollen sind nicht so eindeutig dargestellt.

In der Schweiz entfällt somit der in Tabelle 1 zu entnehmende Aufwand von heizleistungsabhängigen und anlagenvolumenabhängigen Anforderungswerten und des neu eingeführten Interpolierens (siehe Anhang E). Eine wirkliche Vereinfachung! Korrosionschemisch werden Sulfate und Nitrate, aber auch Chlorid herausgenommen. So ist das ganze Kapitel und alle Anmerkungen zur mikrobiell beeinflussten Korrosion Kapitel 6.4.9.2 auch erledigt.

Die neue VDI 2035 Blatt 1 lässt das ebenfalls zu, beschreibt und versucht durch "Festlegung" von Richtwerten oder Einsatzvorgaben (für Anlagen mit Aluminium ist Vollenthärtung nicht empfohlen, siehe Abschnitt 6.4.4) eine klare Vorgabe wie die SWKI-Richtlinie der Schweiz zu vermeiden.

"ALARP" und das "ReinHeizgebot"

Gemäß "ALARP"-Prinzip betrachten wir nun aus Betriebssicherheitsgründen das von BWT entwickelte "ReinHeizgebot", also salzarmes Wasser (10 bis 100 µS/cm) ohne Zusatzstoffe.

Unter Punkt 8.3 der VDI 2035 werden die bevorzugten Verfahren der Wasseraufbereitung beschrieben (Enthärtung und Entsalzung). Bei der Entsalzung werden Ionenaustausch- oder Membranverfahren (z.B. die Umkehrosmose) eingesetzt. Der bevorzugte Anwendungsbereich der Entsalzung ist die Aufbereitung des Füll- und Ergänzungswassers für Heizwasserkreisläufe mit Aluminiumkomponenten. Das Membranverfahren wird als "verfahrenstechnisch aufwendiger" beschrieben.

Befüllwerkzeuge für Heizungswasser.
Quelle: BWT
Die von BWT entwickelten Befüllwerkzeuge auf Basis der Umkehrosmose- Technologie.

Gemäß "ALARP"-Prinzip gilt es, beide Verfahren hinsichtlich der Prämisse "vernünftig, praktikabel und finanziell und/oder technisch mit vertretbarem Aufwand realisierbar" gegenüberzustellen.

Nehmen wir als Beispiel ein System mit 1.000 Litern Inhalt an; als Rohwasserqualität wählen wir eine Wasserhärte von 20 °dH mit einer Leitfähigkeit von etwa 600 µS/cm.

Lessons learned: Die Gegenüberstellung der Verfahren Ionenaustausch bzw. Umkehrosmose zeigt: Durch den Einsatz des aufwendigeren Osmose-Verfahrens lassen sich mit einem praktikablen Befüllmanagement die etwas längeren Befüllzeiten einer interessanten Kosteneinsparung und einer wesentlichen Abfallvermeidung für die Umwelt gegenüberstellen.

Wird im Nachspeisesystem noch auf Haltbarkeit von Harzen und auf den Verzicht von Indikatoren geachtet, wird die Umwelt weiter entlastet (Warum überflüssige "Farbstoffe" zum Farbumschlag einbringen, wenn ein Blick auf den notwendigen Wasserzähler ausreicht? Die Nachfüllmenge zeigt die Dichtheit des Systems). Übrigens haben diese Farbstoffe keine Lebensmittelqualität.

Vergleich zweier Verfahren zur Entsalzung von Heizungswasser.
Quelle: BWT

Fazit

Es gibt eine umweltfreundliche Heizungswasseraufbereitung; sie wird in der neuen VDI 2035 Blatt 1 E vorgegeben. Das Vermeiden von überflüssigen Stoffen im Heizwasser ist ein leicht umsetzbarer Beitrag zum Umweltschutz – und sollte zum Nachhaltigkeitsziel jedes modernen Heizungsbauers werden.

Wenn möglichst viele Heizungsbauer die guten Vorgaben der VDI 2035 umsetzen, werden der Umwelt große Mengen an Chemikalien, Ionenaustauschermassen und Farbstoffen sichtbar und messbar erspart.

Mitarbeiter und Verbraucher sowie die Umwelt durch Reduktion überflüssiger Chemikalien und Betriebsmittel schützen und dabei auch noch Geld sparen: eine bemerkenswert attraktive Kombination!

Von Willibald Schodorf
Leiter Technische Geschäfte, BWT Wassertechnik GmbH
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Dienstag, 16.04.2024

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