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Erneuerbare Energien

Molkereiabwasser als Quelle kalter Fernwärme

Dienstag, 03.11.2020

Mit automatisierter Reinigung

Die NRB-Entwässerung unter ihrem Leiter Ehlke Ubben stellte fünf Wärmeübertrager auf den Prüfstand, um den geeignetsten für die geplante Wärmeübertragerstation herauszufinden. Vier davon waren Rohrbeziehungsweise Rohrbündeltauscher, einer basierte auf Absorberplatten. Der fiel relativ schnell durchs Sieb, weil er schon nach wenigen Tagen aufgrund der inneren Verkrustung keine Leistung mehr übertrug. Die regelmäßigen kurzen Abstände zur händischen Reinigung des Plattenwärmeübertragers hätten die Wärmeversorgung unterbrochen und die Betriebskosten verteuert. Weniger anfällig zeigten sich die Rohrbündel-Wärmeübertrager, von denen zwei deshalb als Favoriten aus der Beprobung hervorgingen, weil sie sich unter anderem relativ resistent gegen den Bewuchs mit Biofilmen zeigten und ihr automatisiertes Reinigungsverfahren für konstant saubere Verhältnisse sorgt.

Ein Abwasserwärmeübertrager als Rohr-in-Rohr-System.
Quelle: Jaske & Wolf Verfahrenstechnik
Abwasserwärmeübertrager als Rohr-in-Rohr-System: Das Abwasser zirkuliert dabei durch die Innenrohre. Die Anlage ist in einem Container untergebracht.

Ubben: "Wir sind jetzt dabei, noch einige Randbedingungen abzuklopfen, um dann das Wärmenetz zu planen. Im Allwetterbad läuft im Moment parallel auch noch ein BHKW-System. Wir müssen uns hier die Wirtschaftlichkeit anschauen, ob sich ein Anschluss im Moment rentiert. Es ist aber auch vorgesehen, noch einige größere Objekte in unmittelbarer Nähe zur Wärmeschiene zu einem Wärmeverbund zusammenzufassen und einzuschalten. Die Kosten/Nutzen-Analyse steht noch aus. Wir bekommen zwar die Energie von der Molkerei gratis, doch der Wärmeübertragerbetrieb geht ins Geld, ferner laufen Umwälzpumpen – es handelt sich ja um kalte Fernwärme –, wir müssen zudem Wärmepumpen installieren und im Grunde darf das alles nicht teurer als eine Beheizung mit Erdgas sein. Nun spielt die CO2-Einsparung selbstverständlich ebenfalls eine Rolle, aber Abnehmer tun sich bei merklichen Mehrkosten schwer, solch eine Argumentation zu akzeptieren."

6,5 Cent je 1 kWh Wärme

Das Prinzip der Wärmeübergabe sieht so aus, dass ein Teilstrom des Abwassers des Milchbetriebs als Vorlauf zu einer eingehausten Wärmeübertragerstation führt – die kann sich auch in einem Container befinden wie in Aurich – und hier die eigentliche kalte Fernwärme zu den Abnehmern ihren Anfang nimmt. Nach dem Wärmeentzug strömt das Molkereiabwasser weiter zur Kläranlage. Als Kenngrößen der Wärmenutzung nennt Ehlke Ubben:

  1. Absenkung der Abwassertemperatur um ∆T = 7 - 12 K.

  2. Wärmeübertragung ins Fernwärmenetz mit rund 500 bis 700 kW.

  3. Wärmeversorgung Sportarena – Wärmeleistung 390 kW, – Wärmepumpe für Grundlast 120 kW, – Gaskessel für Spitzenlast 270 kW.

  4. 80 Prozent Deckung des Jahres-Wärmebedarfs über Molkereiabwasser.

Als erste Betriebserfahrung mit der Teststation musste NRB-Entwässerung eine Leistungsminderung durch Feststoffe und Fette im Molkereiabwasser hinnehmen. Des Weiteren: Druckverluste durch Ablagerungen im Wärmeübertrager sowie die Erfordernis kontinuierlicher Reinigungsprozesse. Die Wirtschaftlichkeit hängt auf Verbraucherseite natürlich vom Temperaturniveau ab, je niedriger desto günstiger. Die Kalkulation geht von einem COP > 4,5 aus. Ferner bestimmt die Auslastung der Nahwärmeversorgung den Preis je Kilowattstunde Wärme. Eine Beispielrechnung ergab für eine thermische Entzugsleistung von 370 kW einen Preis von 6,5 Cent/kWh, dem 12,5 Cent/kWh für eine Entzugsleistung von 120 kW gegenüberstehen. Ubben gibt dem System jedoch generell eine Chance: "Wärmeübertragersysteme für den Abwassereinsatz sind verfügbar und eine hohe Betriebssicherheit des gesamten Systems ist möglich. Man muss natürlich die individuelle Abwasserbeschaffenheit beachten."

Strukturschema des Nahwärmekonzepts in Aurich mit
Quelle: Jaske & Wolf Verfahrenstechnik
Strukturschema des Nahwärmekonzepts in Aurich mit "kalter" Fernwärme aus der Molkerei: Der "DUPUR"-Wärmeübertrager besteht aus mehreren frei konfigurierbaren Einzelrohren im Mantelrohr. Die kontinuierliche mechanische Reinigung wird durch ein automatisiertes Molchsystem realisiert. Dabei reinigen spezielle Molche in regelmäßigen Abständen die Leitung von Ablagerungen. Der Hersteller Jaske & Wolf entwickelte als Kernstück einen Ventilblock, der das gleichzeitige Molchen mehrerer Leitungen erlaubt. Ein Molch ist nichts anderes als ein kleiner Kolben mit dem Durchmesser des Innenrohres, der per Abwasserdruck durch die Leitung gepresst wird und sie dabei von Ablagerungen befreit.

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