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Erneuerbare Energien

Im Interview: Kai Schiefelbein und Volker Quaschning

Dienstag, 14.04.2020

Das Haus brennt lichterloh

Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning vertrat auf der Podiumsdiskussion "Klimakrise und Energiewende: Erreichen wir die Klimaziele 2030?" im Rahmen des 17. Forums Wärmepumpe in Berlin die Wissenschaft. Der Elektroniker und Hochschullehrer hat in Photovoltaik promoviert. Er gehört dem Koordinierungsteam für Deutschland der jungen Organisation "Scientists for Future" an.

Dr. Lukas Köhler (MdB, FDP), Timon Gremmels (MdB, SPD), Emma Fuchs (Fridays for Future), Dr. Julia Verlinden (MdB, Bündnis 90/die Grünen) und Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning (Scientists for Future) sitzen nebeneinander.
Quelle: Bernd Genath
Erreichen wir die Klimaziele 2030? Es diskutierten (v.l.n.r.): Dr. Lukas Köhler (MdB, FDP), Timon Gremmels (MdB, SPD), Emma Fuchs (Fridays for Future), Dr. Julia Verlinden (MdB, Bündnis 90/die Grünen) und Prof. Dr.-Ing. Volker Quaschning (Scientists for Future). Die einhellige Meinung: nicht mit dem Klimapaket.

Herr Quaschning, was gefällt Ihnen nicht am Klimapaket?

Quaschning: Ich vergleiche die Situation mit einem Haus, das lichterloh in Flammen steht – und wir schütten nur ein Glas Wasser hinein. Die CO2-Flammen lodern zum Himmel. Wasser ist sicherlich die richtige Maßnahme, aber mit der Menge, mit den unzulänglichen Forderungen seitens des Gesetzgebers, werden wir das Feuer nicht löschen, selbst wenn wir noch ein zweites und ein drittes Glas hineinkippen. Bis wir das erkennen, wird das Haus abgebrannt sein. Weil wir einfach zu viel Zeit verloren haben.

Wo sollte man ansetzen?

Quaschning: Wir müssen zunächst schauen, dass wir überhaupt die Mengen an erneuerbaren Energien bekommen, um klimaneutral werden zu können. Das ist das Hauptthema Nummer 1. Primärenergieseitig stehen wir derzeit gerade mal bei 15 Prozent erneuerbare Energien. Auf 100 Prozent kommen wir – und darauf können wir kommen – nur mit einem sehr beherzten Solar- und Windenergieausbau. Bei der Windenergie sieht es in Deutschland so aus, dass die Bundesregierung derzeit beschließt, erst mal gar nichts mehr zu machen, weil sie Angst vor irgendwelchen Bauern oder Wutbürgern der AfD hat und deswegen dieses Thema komplett ausklammert. Damit haben wir überhaupt keine Chance, klimaneutral zu werden.

Hausaufgaben selbst machen

Könnten wir "Grünen Strom" nicht importieren? Das kam ja auch zur Sprache. "Desertec", gestartet vor zehn Jahren, war so eine Vision. Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hatten gezeigt, dass die Wüsten der Erde in weniger als sechs Stunden soviel Energie von der Sonne empfangen, wie die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Nun muss es ja nicht gleich das politisch instabile Nordafrika sein. Spanien, Portugal, Griechenland…

Quaschning: Beim Stromimport müssen wir die Zeitachse sehen. Die Klimaberichte sagen, dass wir in Deutschland wirklich in den nächsten 15 bis 20 Jahren klimaneutral werden müssen. Das bedarf eigener Anstrengungen. Als "Desertec" auf den Plan kam, kostete 1 kW PV-Anlage noch 4.000 bis 5.000 Euro, heute 1.400 Euro. Wir brauchen nicht unbedingt "Desertec". Zumal Leitungen verlegen kostet und dauert. Zudem: Strom etwa aus Südeuropa bedeutet, dass diese Länder einen Überschuss über ihr eigenes 100-Prozent-Ziel generieren müssen. Zunächst erst einmal selbst Klimaneutralität erreichen müssen. Nein, wir haben hier unsere Hausaufgaben zu machen. Sollten tatsächlich einige europäische Länder früher als wir damit fertig sein, können wir den Punkt ja nochmal neu diskutieren. Aber abwarten, was sich so tut, ist der völlig falsche Weg.

Die Wärmepumpe wird der AfD geopfert

Warum, glauben Sie, ist das Klimapaket so schwach in seinen Forderungen? Ist das ein Einknicken vor den Lobbyisten, ist das ein Einknicken vor dem unwilligen Bürger, der zwar Klimaschutz akzeptiert, aber keine finanziellen Belastungen?

Quaschning: Wir hatten sehr, sehr lange mächtige Lobbyisten aus dem Bereich der klassischen Energieversorger und der Automobilindustrie, die sich bemühten, die Klimaschutz-Aktivitäten zu verhindern. Das dreht sich im Moment. Die Konzerne sehen, dass sie international nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden. Aber natürlich haben sie in den letzten Jahrzehnten viel verhindert, das kaum noch aufzuholen ist. Des Weiteren sind die Blockierer auch nicht alle von der Bühne. Dazu kommt die AfD, die der CDU sehr viele Stimmen weggenommen hat. Die AfD hat als zweites Thema, neben dem Flüchtlingsthema, den Kampf gegen die Energiewende entdeckt. Da hat natürlich die CDU Angst, noch weitere Stimmen zu verlieren. Deshalb versucht sie als "GroKo-Partei" so wenig wie möglich zu bewegen, um nicht von rechts außen noch weiter unter Beschuss zu geraten. Deshalb das schwache Klimapaket. Die Wärmepumpe wird sozusagen der AfD geopfert.

Ihre Gruppierung "Scientists for Future", was ist das für eine Organisation?

Quaschning: Im Prinzip greifen die Schüler und Jugendlichen der "Fridays for Future"-Bewegung das auf, was die Wissenschaft sagt. Um dem Nachdruck zu verleihen, gehen sie auf die Straße. Sie unterstützen die Energiewende und wir unterstützen sie. Sie sind als erste auf die Straße gegangen und das hat einige von uns beschämt. Deshalb seit Anfang 2019 "Scientists for Future". Was wir schon getan haben, kann man im Netz nachlesen. Schon wenige Wochen nach der Gründung im Frühjahr machten bereits 27.000 Wissenschaftler im deutschsprachigen Raum mit. Wir wollen Impulse für einen effektiven Klimaschutz geben und zwar in Richtung der beiden Zielgruppen Öffentlichkeit und Politik.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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